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Der Handball-Erfolg: Nur eine Erinnerung an Potenziale?

Von einem Highlight wird der Aufschwung einer ganzen Sportart erwartet. Diese Hoffnung könnte zu groß sein, werden die strukturellen Probleme nicht erkannt.

Der Handball-Erfolg: Nur eine Erinnerung an Potenziale? Foto: © GEPA

Zwei Wochen haben gereicht, um Handball in Österreich von einer Randnotiz zum Hauptthema zu machen.

Der Weg der ÖHB-Mannen bei der EHF EURO 2024 nahm nun ein Ende. Die Hoffnung, dass aus ihrem punktuellen Erfolg ein nachhaltiger Aufschwung für die Sportart in diesem Land werden kann, ist wieder einmal geweckt.

Nicht zum ersten Mal.

Wie das funktionieren kann? Eine Gretchenfrage. Vor der schon viele Sportarten gestanden und daran gescheitert sind.

Denn sportliche Erfolge sind in der Regel Ursache struktureller Gegebenheiten, die gut funktionieren und ineinander greifen. Diese Kausalität umzukehren, ist eine deutlich schwierigere Aufgabe. Sie kann aber auf jeden Fall neues Bewusstsein für die Probleme schaffen.

LAOLA1 mit dem Versuch einer Analyse, in welchen Bereichen es krankt - nicht nur, aber vor allem im Handball.

1. Der schnöde Mammon

Geld regiert die Welt. Das ist keine neue Erkenntnis.

Ebenso wenig wie jene, dass es andere Sportarten als der Handball sind, denen ein weit überproportionaler Anteil des Kapitals zugutekommt. Sowohl aus öffentlicher Hand, als auch von privater bzw. wirtschaftlicher Seite.

Die Investitionen, die in jene Sportarten getätigt werden, die sich "von selbst" weniger gut erhalten können, wird immer ein "Mehr" vertragen. Mehr hilft mehr.

Strukturelle Probleme sind aber nur durch Investitionen in Größenordnungen zu lösen, die weit über den derzeitigen Dimensionen liegen. Dazu gleich mehr.

Fakt ist: Im Vergleich zu anderen Randsportarten steht Handball gar nicht so schlecht da. Rund 2,8 Millionen Euro waren es, die laut Auflistung der Bundes-Sport GmbH im Förderjahr 2023 ausgeschüttet wurden.

Freilich weit fernab jener Summen, die dem Fußball (rund 19,8 Mio.) zugute kamen. Zum Skisport (5,45 Mio.) ist der Abstand aber bereits unerwartet überschaubar, als nächstes folgte schon der Handball.

Er hilft, aber es bräuchte andere Dimensionen

Diese Förderungen sind eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und haben durch die Entwicklungen der letzten Jahre jüngst sogar eine ordentliche Korrektur nach oben erfahren.

Jene Quellen, die einen echten Unterschied machen, sind andere. Die Gelder dürfen nicht nur aus der öffentlichen Hand kommen, die großen Bewegungen sind nur durch Sponsoren zu bewerkstelligen.

Und hier bringt der EURO-Erfolg der Handballer sicher eine gewisse Chance für die Vereine mit sich, mehr Aufmerksamkeit zu lukrieren. Das ist eine Hoffnung (Kommentar: Der EUROfolg soll abfärben>>>).

Letzten Endes ist es aber nur eine Momentaufnahme, die sich allein schnell verflüchtigen wird.

Damit den Sponsoren eine langfristige Perspektive geboten werden kann, braucht es mehr als hin und wieder ein positiv verlaufendes Großereignis. Es steht und fällt mit der Aufmerksamkeit, die dem Sport im "Alltag" zukommt: Der Liga, den Vereinen. In den Medien, aber genauso vor Ort.

Da sind alle gefragt. Wir als Medien genauso wie die Beobachter, die nun zwei Wochen mitfieberten. Es mögen Monate und Jahre daraus werden. Denn nur volle Hallen sind ein echtes Argument. Hallen, die es zum Teil gar nicht gibt. Da beginnt das Problem.

Denn die EURO kann hier nur Potenziale aufzeigen. Die Wege, dieses Feuer am Lodern zu halten, brauchen nachhaltigere Anstöße. Sie ist der Funke, der ohne Brennmaterial schnell erlöschen könnte.

2. Es braucht Investitionen, die der Sport allein nicht stemmen kann

Die Politik kann aber keineswegs aus der Verantwortung genommen werden. Denn: Die Wachstumspotenziale vieler Sportarten sind da. Im Handball ganz besonders.

Wie schon Conny Wilczynski im LAOLA1-Interview (HIER geht es zur Nachlese>>>) offenbarte: Dem Handball fehlen nicht die Aktiven oder der Nachwuchs. Sondern die Möglichkeiten, dieses Interesse zu bedienen.

"Bei der Hallensituation müssen wir es endlich schaffen, die auf ein internationales Niveau zu heben. Du kannst die Breite nicht vergrößern, wenn du die Trainingsmöglichkeiten nicht hast."

Conny Wilczynski im LAOLA1-Interview

Und das ist eine Verfehlung der Politik, die diese Strukturen mit erschaffen muss. Österreichs Sport braucht endlich eine Infrastruktur-Offensive. Und zwar keine, die sich auf die - ebenso gerechtfertigte - Diskussion um ein Nationalstadion beschränkt.

Das Aus eines gestandenen HLA-Klubs wie Westwien, der wie zum Trotz Wochen nach dem Drama sogar Meister wurde, war schon ein sehr plakativer Hilfeschrei.

Diesen am Ende der Geschichte hoffentlich irgendwann als "notwendiges Opfer" verbuchen zu können, sagt vonseiten Wilczynskis viel aus, ruft man sich sein investiertes Herzblut in diesen Verein ins Gedächtnis.

Nicht nur dem Handball würde es helfen

30 bis 50 Trainingshallen sind es, die sich der ehemalige rot-weiß-rote Handball-Star wünscht, die einen echten Unterschied bewirken könnten. Ein Investment von 10 bis 20 Millionen Euro, welches schon einen ungeheuren Push geben könnte. Und durch Umwegrentabilitäten auch wieder zurückkommen.

Und wenn dieses Projekt geschickt angegangen wird, werden gleich mehrere kritische Stimmen gleichzeitig zufriedengestellt. Dann könnte aus dem Gegeneinander vieler (Hallen-)Sportarten, die derzeit um die beschränkten Ressourcen in diesem Bereich rittern müssen, sogar ein stärkeres Miteinander werden. Abgesehen von der Diskussion um die Reinigung der verharzten Böden.

Speziell die Verantwortungsträger aus der Politik würden sich in der Freude über die Erfolge à la ÖHB mehr Glaubwürdigkeit verschaffen.

3. Perspektiven schaffen! Für Aktive und Betreuer

Mit der Infrastruktur allein wird es noch nicht getan sein. Speziell im Nachwuchs braucht es die Betreuerinnen und Betreuer, die nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind.

"Wir haben nicht die Rahmenbedingungen, das Problem der Trainingshallen und der fehlenden Trainer, weil das Job-Profil in Österreich nicht so gegeben ist. Und das Problem der Finanzierung. Wir haben nicht das Problem, die Kinder zu aktivieren. Wir können sie nicht betreuen."

Conny Wilczynski

Eine Problematik, die schon im Fußball gegeben ist, potenziert sich in kleineren Sportarten noch einmal.

Die Nachwuchsbetreuung ist bis in höhere Leistungsebenen zu oft ein Ehrenamt, getragen durch die Leidenschaft der Beteiligten. Um eine ganze Sportart auf höhere Stufen zu hieven, braucht es mehr als das.

Trainerinnen und Trainer müssen Unterstützungen erfahren, die dem Gegenwert ihrer geopferten Zeit gerecht werden. Von ihrer Ausbildung über die Bereitstellung zeitlicher und finanzieller Ressourcen bis hin zu einem echten Berufsbild in höheren Leistungsstufen.

Wieder eine Frage des Geldes, die durch gezieltere und höhere Förderungen zumindest einen Anstoß bekommen könnten. Letzten Endes wird hier Betreuungsarbeit geleistet, die über das Ziel zukünftiger sportlicher Erfolge hinaus mehr leistet. Wieder sei an die Umwegrentabilität erinnert.

4. In großen Sportarten wird in Österreich immer nur eine Basis gelegt

Bei allem Wachstumspotenzial, den die Randsportarten und insbesondere Handball in Österreich noch besitzen würden, ist auch immer eine Besinnung auf die Wachstumsgrenzen anzuraten, um die Ziele besser abstecken zu können.

An vielen Fronten wird schon jetzt mit den vorhandenen Ressourcen starke Aufbauarbeit geleistet. Die Wiener Vereine müssen hier ein wenig hervorgestrichen werden, ruft man sich die Westwien- und Fivers-Vergangenheit vieler ÖHB-Leistungsträger ins Gedächtnis hervor.

Die Österreicher im großen Handball-Deutschland

Möglich gemacht wurde der aktuelle Erfolg aber durch die Tatsache, dass viele den Absprung in höhere Ligen früh schafften und in den letzten Jahren zu Leistungsträgern auf internationaler Ebene reiften.

Der fokussierte Weg in Richtung einer Entwicklungsliga hat sich schon beim Fußball als zukunftsträchtig erwiesen. Gerade deswegen müssen die Strukturen im Nachwuchsbereich mit besonderem Fokus gestärkt werden.

Das lässt sich auch auf die Trainer-Ebene übertragen. Die Erfolgs-Konstrukteure der letzten 13 Jahre waren mit Patrekur Johannesson und Ales Pajovic ein Isländer und ein Slowene, die ihre internationale Erfahrung ins Nationalteam brachten.

5. Aus der Vergangenheit lernen: Aufmerksamkeit ist eine Folge, keine alleinige Erfolgsbasis

Summa summarum: Die Hoffnungen auf einen Boom des Handballsports dürfen nur auf Basis des EURO-Erfolgs nicht in den Himmel wachsen.

Da ist nicht nur der ÖHB schon aus der eigenen Vergangenheit gewarnt. 2010 und 2020 sollten Heim-Europameisterschaften als deutlich besser kalkulierbare Basis herhalten, einen solchen Push mit sich zu bringen. Er blieb in beiden Fällen aus, wobei zuletzt auch das Thema Corona seinen Anteil hatte.

Den Anlassfall dieses Mal zu verwerten, wird sogar eine größere Aufgabe, denn er kommt unverhofft. Immerhin: Mit der Heim-EURO der Frauen steht Ende 2024 gleich ein nächstes Highlight an.

Gelingt es, die erhöhte Aufmerksamkeit bis dorthin weiterzutransportieren, wäre das ein Etappenerfolg, auf dem vielleicht besser aufgebaut werden kann.

Ansonsten läuft der EURO-Erfolg Gefahr, ein punktuelles Ereignis zu bleiben, das so ähnlich schon öfter eintrat: Als Erinnerung an ungenutztes Potenzial.

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