Eine Karriere im Leistungssport ist kurz. Zwei Großereignisse im eigenen Land aktiv miterleben zu dürfen, ist ein Privileg, in dessen Genuss ein Athlet nur ganz selten kommt.
Nur zehn Jahre nach der EURO 2010 steht hierzulande mit der EURO 2020 in Norwegen, Schweden und in Österreich allerdings neuerlich ein Handball-Großereignis ins Haus. Ein Zeitraum, den eine Karriere locker abdecken kann.
Die erfolgreichen 2010er-Jahre, in denen Österreichs Herren sechs Endrunden-Teilnahmen bei WM und EM verbuchen konnten, brachten zwar einen Generationswechsel – mit Thomas Bauer und Robert Weber stehen aber noch zwei Spieler im Aufgebot, die schon das erste Handball-Märchen in Österreich auf dem Parkett miterleben durften.
Überbleibsel einer Legenden-Generation
Die EM 2010 kam zur richtigen Zeit für große Namen des österreichischen Handball-Sports: Viktor Szilagyi, Conny Wilczynski, Vytas Ziura oder Nikola Marinovic wirkten mit und standen voll im Saft.
Obwohl Letzterer als Einser-Keeper in die EURO 2010 ging, wurde das Turnier auch zum ersten Glanzpunkt für Bauer, der sich in den folgenden zehn Jahren international bei zahlreichen Stationen in Deutschland, Frankreich, Norwegen und nun Portugal einen Namen machte.
"Dass ich selber etwas beitragen konnte, war vorher so nicht zu erwarten. Ich habe zwei Jahre lang täglich nur an 2010 gedacht und daran, dabei sein zu dürfen. Ich war 23 Jahre alt und durfte anfangs auf der Bank sitzen. Als ich auf das Spielfeld kam, waren es unglaubliche Emotionen. Ich bin da einfach explodiert", erinnert sich der Porto-Legionär, der damals gerade im ersten Auslands-Jahr bei Korschenbroich in Deutschland steckte, bei LAOLA1 zurück.
Bauers Rückblick auf die EURO 2010:
Marinovic beendete seine Team-Karriere 2019 - Bauer ist aber nicht erst seit diesem Zeitpunkt eine Fix-Größe im ÖHB-Nationalteam, war er doch Kader-Bestandteil aller sechs Großereignisse im letzten Jahrzehnt.
Mit bald 34 Jahren kommt ihm nun jene Rolle zu, die 2010 für Marinovic angedacht war: Als Einser-Rückhalt und Routinier im Torhüter-Gespann, das von einem Youngster komplettiert wird: Thomas Eichberger von der HSG Graz.
Weber unter jugendlichen Mitspielern
Überhaupt ist die ÖHB-Truppe 2020 - im Vergleich mit jener von vor zehn Jahren - ein unerfahrenes Team, während sich 2010 schon gemachte Stars finden ließen. Bauer war mit 23 Jahren der jüngste Akteur im Kader, diesmal ist mit dem 19-jährigen Rückraum-Spieler Lukas Hutecek sogar ein Debütant dabei.
Der damals zweitjüngste im Aufgebot, Robert Weber, ist nun der zweitälteste (hinter Janko Bozovic, 2010 nicht dabei) - aber mit Abstand jener Spieler, der die meisten Länderspiel-Tore vorzuweisen hat. 766 Treffer in 176 Einsätzen, womit der Vorarlberger auch die meiste Erfahrung vorweisen kann, sind es insgesamt.
Thomas Bauer im Portrait:
Als Torschützenkönig der deutschen Bundesliga 2014/15 steht der Vorarlberger stellvertretend dafür, dass auch die Generation nach Szilagyi und Co. - sowie die nun antretende nächste Generation, besonders in Person von Nikola Bilyk - Ausnahmekönner in ihren Reihen hat.
"Wir haben einen Teamkapitän, der 23 Jahre alt ist. Ich bin teilweise zehn, zwölf Jahre älter als so mancher Mitspieler. Und jetzt kommen die nächsten Talente, die bei den Lehrgängen schon dabei sind. Ich bin mir sicher, dass der ÖHB auch den nächsten Wechsel gut überstehen wird", gibt sich Weber hinsichtlich der Zeit, in der nicht mehr er die großen Scorer-Zahlen schreibt, gelassen.
Ein Dritter ist tief involviert
Es gibt noch einen dritten im ÖHB-Bunde, der die EM 2010 am Parkett miterlebte. 2020 wird er aber nur an der Seite dabei sein: Sportdirektor Patrick Fölser.
Der ehemalige Kreisläufer ist mittlerweile 43 Jahre alt und hängte sein Team-Trikot 2014 endgültig in den Schrank, die Erinnerungen sind deswegen nicht weniger frisch: "Alles ist mehr als sonst. Du hast Freunde in der Halle, die Presse hat mehr Interesse an dir - das ist auf der einen Seite mehr Druck, aber andererseits für die Spieler auch schön, weil sie mehr Wertschätzung bekommen. Das war bei uns damals noch extremer, weil wir 17 Jahre lang nie bei einem Großereignis waren", streicht er die Besonderheiten hervor.
"Was dann passiert ist - das war schon groß. Aber ich wünsche mir, dass wir nach dem Turnier nicht mehr über 2010 reden, sondern über 2020", soll der starke neunte Endrang von damals getoppt werden.
Robert Weber im Portrait:
Dabei soll die "jugendliche Frische" aus Fölsers Sicht kein Nachteil sein: "Das Team ist jünger und in Sachen Länderspielen ein bisschen unerfahrener. Allerdings haben wir auch routinierte Spieler dabei, die bei wirklichen Top-Klubs spielen."
Der ÖHB-Sportdirektor weiter: "Die Jungs sind heiß darauf und werden sich von der Kulisse sicher nicht unterkriegen lassen. Die freuen sich, das merkt man in jedem Training."
Ruhe-Elemente in spannenden Tagen?
Dass der Ex-Aktive mit Bauer und Weber ehemaligen Mannschaftskollegen zusehen kann, ist für Fölser "eine riesige Geschichte".
"Wer kann schon von sich sagen, dass er zwei Großereignisse im eigenen Land erleben darf?". Aus der Erfahrung des Duos kommt für ihn der Anspruch, dass sie "eine gewisse Konstanz und Ruhe" einbringen können.
Attribute, die beide von den großen Stars der ÖHB-Vergangenheit lernen durften - und nun als Bindeglied an die neue EURO-Generation weitergeben wollen: "Wir haben Großes für den österreichischen Handball geleistet. Jetzt wollen wir, zehn Jahre danach, eine neue goldene Ära einläuten, Geschichte schreiben und Positives für den Handball-Sport beitragen", so Bauer.
Und wer weiß, wie lange es für Bauer und Weber noch geht, der Keeper zumindest hat noch lange nicht genug: "2030? Da würde ich nochmal gerne ein Interview mit euch geben und erzählen, wie toll die letzten zehn Jahre waren."