Die Vorrunde der Handball-EM im eigenen Land hätte für Österreich nicht besser verlaufen können. Mit drei Siegen begeisterte das ÖHB-Team sein Land und zeigte auf, dass zehn Jahre nach dem ersten "Wintermärchen" ein zweites folgen könnte.
Dass die Hürden in der Hauptrunde deutlich höher werden, war aber klar. Und dass die Bäume bei aller Euphorie nicht unendlich in die Höhe wachsen, zu erwarten. Kroatien zeigte als erste von drei Weltklasse-Nationen, die sich den Österreichern nun in den Weg stellen, dass auf die ganz Großen des Sports noch Dinge fehlen.
Auch, wenn diese Dinge nur Kleinigkeiten waren, kam mit dem 23:27 doch ein grundsätzlich respektables Ergebnis zustande. Nun gilt es aber, schnelle Lehren zu ziehen, denn binnen vier Tagen warten auch noch Europameister Spanien und Deutschland.
Lehre 1: Für die Offensive wird es ungemütlicher
Vor allem defensiv fanden die Kroaten die richtigen Mittel, um Österreich - vorher eines der offensivstärksten Teams des Turniers - effektiv einzubremsen.
Mit einer 5-1-Deckung und Ex-Welthandballer Domagoj Duvnjak als Speerspitze wurde der zuletzt so torgefährliche Rückraum mit Nikola Bilyk und Janko Bozovic neutralisiert.
"Wir dürfen uns von einer offensiven Deckung nicht verrückt machen lassen. Wir haben in der ersten Halbzeit viele Bälle einfach weggschmissen."
Auf solche Deckungsvarianten wird sich das ÖHB-Team gegen die Top-Nationen aber einstellen müssen. "Auch Spanien spielt aggressiv im 5-1, und auch, wenn sie auf 6-0 umstellen. Wir müssen sehr beweglich und gefährlich zum Tor sein, es gibt viel Platz, wenn die Abwehr so offen ist", wird Ales Pajovic auf diese Tatsache vorbereitet sein.
Schon gegen Kroatien fand sich dieser Raum immer wieder. Die Präzision im Abschluss, um daraus einen Nutzen zu ziehen, wurde aber nicht gefunden.
"Wir dürfen uns von einer offensiven Deckung nicht verrückt machen lassen. Wir haben in der ersten Halbzeit viele Bälle einfach weggeschmissen", grummelte Kreisläufer Fabian Posch auch angesichts eigener vergebener Sitzer. "Vielleicht werden wir im Angriff einige Varianten durchprobieren."
Lehre 2: Bilyk kann es nicht allein machen
Diese Varianten müssen wohl vor allem in jene Richtung funktionieren, Nikola Bilyk zu entlasten. Viele Stangenschüsse hin oder her: In den ersten 25 Minuten gegen Kroatien nahm der ÖHB-Kapitän keinen einzigen Wurf. Und genau in dieser Phase brachte Österreich nur fünf Tore auf die Anzeigetafel.
Dennoch ist der 23-Jährige mit 31 Treffern klar bester Torschütze des Turniers und legt eine wahnsinnige Quote hin. Die Frage ist, wie lange er diese aufrechterhalten kann.
"Es ist klar, dass so ein Turnier für junge Leute wie Niko die eine oder andere Spur hinterlässt. Er hatte bislang sehr viel Spielzeit und dass er vielleicht hin und wieder doch am Ende seiner Energie ist, ist auch verständlich", meinte Routinier Robert Weber, der mit sechs Toren in die Rolle des Topscorers schlüpfte.
Lehre 3: Zu einer Heim-EM kommen auch Gäste
"Ich finde es schade, dass bei unserer Heim-EM die Auswärtsmannschaft mehr Stimmung hat. In den ersten drei Spielen hatten wir das noch und es war vielleicht ein Faktor, warum wir die Spiele so erfolgreich gestalten konnten."
Und eine weitere Schwierigkeit ist gegen die Top-Nationen gegeben: Handball hat in diesen Ländern einen hohen Stellenwert, die Fan-Mobilisierung treibt viele Anhänger nach Wien. Der Heim-Vorteil ist nicht unerschütterlich. Die kroatischen Fans nahmen die Stadthalle stimmungstechnisch bereits in Besitz, auch Deutschland und Spanien haben ihre Lager mit.
Robert Weber, der größere Zuschauer-Mengen gut kennt, fand die Stimmung der Kroaten zwar "schön, die waren nicht feindlich uns gegenüber und haben gute Stimmung gemacht. Ich finde das cool, wenn beide Lager anfeuern und am Ende freundschaftlich rausgehen."
Dennoch sei es "schade, dass bei unserer Heim-EM die Auswärtsmannschaft mehr Stimmung hat. In den ersten drei Spielen hatten wir das noch und es war vielleicht ein Faktor, warum wir die Spiele so erfolgreich gestalten konnten. Genau jetzt sollte das Publikum da sein und uns pushen."
Posch sah eine eigene Mitschuld für die "Niederlage" auf den Rängen: "Wir müssen so spielen, dass die Fans mitgehen können. Wenn du in der ersten Halbzeit zehn technische Fehler und fünf Fehlwürfe hast, ist es schwer, das Publikum abzuholen. Da kommt man selbst nicht so in den Flow."
Lehre 4: Der Druck ist weg, das muss sich auswirken
Eine Heim-EM und die Aufmerksamkeit, die spätestens die jüngsten Erfolge mit sich brachten, scheinen im jungen Team natürlich Ehrgeiz geweckt zu haben. Das ist zwar gut, darf aber gleichzeitig nicht zur Bürde werden - es geht gegen drei Teams, die allesamt schon Weltmeister-Ehren trugen.
"Das ist das, was mich generell wundert: Ich habe das Gefühl, die Mannschaft sieht sich so unter Druck. Wir haben drei super Spiele gemacht, unser vor der EM ausgegebenes Ziel erreicht, aber nie ein weiteres ausgegeben. Wir spielen gegen Medaillen-Favoriten! Das muss man genießen, mit Spaß und Feuer ran!", forderte Weber.
"Es macht doch mehr Spaß, sich mit den Besten der Welt zu messen. Wir müssen dem Publikum in den nächsten drei Spielen lediglich zeigen, dass es kein Glück war, hier zu stehen. Das möchte ich von jedem Einzelnen sehen", so der Routinier.
Der damit ganz auf der Linie seines Trainers Ales Pajovic lag: "Wir haben gut gekämpft und gearbeitet, aber jetzt sind wir weiter. Es ist schön, gegen die besten Handballer der Welt zu spielen. Das müssen wir genießen und unser Spiel spielen. Und gegen Kroatien haben wir gesehen: Wenn wir das schaffen, läuft alles gut."