Der Handball-Euphorie wurde ein erstes Bein gestellt: Kroatien zeigte dem ÖHB-Nationalteam bei der Heim-EURO in der Wiener Stadthalle die Grenzen auf und fügte Österreich in der Hauptrunde erwartungsgemäß die erste Niederlage zu.
Das 23:27 (Spielbericht>>>) war ein achtbares Ergebnis gegen eine Nation, die einen Weltmeister-Pokal und Olympia-Goldmedaillen in der Vitrine stehen hat.
Speziell die erste Halbzeit machte aber klar, dass gegen die ganz großen Teams auch mit dem Selbstvertrauen von drei Vorrunden-Siegen im Rücken alles passen muss, um etwas mitzunehmen.
Das war diesmal eben nicht der Fall.
Duvnjak und die Stange als härteste Gegner
Vor allem Nikola Bilyk und Janko Bozovic, in der Vorrunde noch das Offensiv-Rückgrat, wurden von einer aggressiven 5-1-Deckung - angeführt vom ehemaligen Welthandballer und Bilyk-Teamkollegen in Kiel, Domagoj Duvnjak - völlig aus dem Spiel genommen.
Der ÖHB-Kapitän nahm seinen ersten Wurf nach 25 Minuten, Bozovic traf keinen seiner vier Versuche vor Seitenwechsel. Fand das ÖHB-Team doch eine Lücke, rettete rekordverdächtig oft die Stange für Kroatiens Schlussmänner.
Nur acht Tore nach 30 Minuten waren einfach zu wenig, um einem Titelkandidaten wirklich die Stirn zu bieten. Der Rückstand am Ende wurde schon in diesem Zeitraum aufgerissen. Da half auch das nächste Top-Spiel von Torhüter Thomas Eichberger nicht genug.
Am Anfang stand der Respekt
Eine Vier-Tore-Niederlage gegen Kroatien schien aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Vor allem, weil die Ursachen schnell gefunden waren.
"Die Abwehr war sehr kompakt - sie haben uns da gut analysiert und alles reingeworfen. Wir haben ein paar neue Dinge probiert, die haben nicht funktioniert. Und wenn wir Chancen hatten, haben wir sie vergeben. Solche Dinger musst du machen, und wenn du die erste Halbzeit offen gestaltest, kommen die Kroaten ins Schwitzen", fasste Bilyk zusammen.
In der zweiten Halbzeit liefen die österreichischen Angriffe besser zusammen, war die Veranwortung auch auf mehr Schultern verteilt. So wurde auch die Tatsache, dass Duvnjak seinen Kieler Teamkollegen gut im Griff hatte, besser umgangen.
"Am Anfang hatten die Jungs ein bisschen zu viel Respekt. Der Druck war danach weg und alles gleich flüssiger. Auch in der Abwehr haben wir mehr gekämpft. Wir müssen besser im Eins-gegen-Eins spielen, das war dann gleich kompakter und wir konnten zeigen, dass wir gegen die Guten auch spielen können", war der Teamchef nicht ganz unzufrieden.
Und mit mehr Momentum in wichtigen Augenblicken hätte das Spiel in der Schlussphase noch einmal spannend werden können. Fabian Posch scheiterte etwa bei 20:24 alleine an Keeper Marin Sego, der davor nicht viele Glanzmomente zeigen konnte.
Kampf, Wille und Schlampigkeiten
Der Kremser Kreisläufer haderte zwar mit einigen fehlenden Zentimetern, die zahlreiche Bälle in der ersten Halbzeit an die Stange lenkten, "aber im Großen und Ganzen waren Kampf und Wille da. Aber wir haben uns nicht effektiv gegen die Deckung bewegt."
"Ich bin nicht zufrieden, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass wir von Anfang an daran geglaubt haben."
Daneben habe das österreichische Team einfach "zu unkonzentriert und schlampig" agiert. "Wenn wir mal frei waren, haben wir auch viel verworfen. Wir haben jeden Moment verpasst, wo die Euphorie noch einmal kommen hätte können. Wir werfen vorne einen rein, bekommen hinten zwei Abpraller - genau das waren die Momente, die wir in den letzten Spielen immer hatten."
Für das Ergebnis müsse sich die Truppe aber nicht verstecken: "Kroatien hat mit den Top-Leuten durchspielen müssen, konnte sich nie sicher sein."
Weber hätte mehr gewollt
Wirklich mit verpassten Punkten gegen Kroatien hadernd präsentierte sich eigentlich nur Robert Weber: "Ich bin nicht zufrieden, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass wir von Anfang an daran geglaubt haben."
Der ehemalige Torschützenkönig der deutschen Bundesliga sah genug gute Chancen, aber die mangelnde Verwertung habe das Genick gebrochen. Dem bisher so gefährlichen Rückraum habe vor allem Duvnjak den Zahn gezogen.
"Er verlangsamte unser Spiel, wir kamen in keinen Flow rein. Wir haben Janko (Bozovic, Anm.) nicht ins Laufen wie in den vorigen Spielen bekommen, damit er mit ein, zwei Schritten hochgehen kann. Das war der Hauptgrund, warum wir nicht zu einfachen Toren gekommen sind."
An der zweiten Halbzeit sei dann auch in Sachen Einstellung nichts mehr zu bekritteln gewesen: "Aber wir haben nicht aufgehört zu fighten, in der zweiten Halbzeit Lösungen gegen die Abwehr gefunden und schauen deswegen positiv weiter."
Keine Zeit zum Nachdenken
Von einer Sache waren alle überzeugt: Einen Knacks in der internen Stimmungslage wird diese Niederlage nicht verursachen.
"Wir haben einen super Zusammenhalt und Fokus. Heute wird jeder enttäuscht und mit seinen Fehlern beschäftigt sein, aber morgen ist das abgehakt. Das ist auch das Gute an dieser Phase, dass wir keine Zeit haben, uns zu viel überlegen - den nächsten Gegner haben wir schon vor der Brust", winkte Posch ab.
Und dieser nächste Gegner heißt immerhin Spanien und beendete die letzte EURO mit einer Trophäe in der Hand.