Groß waren die Hoffnungen, groß ist die Ernüchterung: Mit dem 22:34 gegen Deutschland setzte es für das ÖHB-Nationalteam bei der Handball-EM in der Wiener Stadthalle den ersten richtig großen Dämpfer (Spielbericht>>>).
Eine - realistisch gesehen erwartbare, aber in dieser Höhe schmerzhafte - Niederlage, die den Traum von einer Reise nach Stockholm zum Spiel um Platz fünf beendete und die Möglichkeit auf eine Teilnahme an einem Olympia-Qualifikationsturnier zunichte machte.
Und trotzdem war es vielleicht weniger die Niederlage selbst, die weh tat, als vielmehr ihr Zustandekommen. Aus den Spielen gegen Kroatien und Spanien ging Österreich ebenso mit null Punkten, aber viel Zuversicht heraus, waren doch die Leistungen ordentliche.
Gegen Deutschland war eine Überraschung aber weit entfernt.
Es war "in allen Belangen zu wenig"
Einer noch akzeptablen ersten Halbzeit, in der drei Tore Rückstand durch immer wieder eingebaute offensive Nachlässigkeiten zu erklären waren, folgte nach Seitenwechsel ein "Abschuss".
Mit der Leistung kritisch ins Gericht ging jeder Spieler. Tobias Wagner sah zu viele "technische Fehler": "In der ersten Halbzeit werfen wir eine sehr gute Partie mit überhasteten Abschlüssen weg. Es waren unglückliche Würfe, die wir so nicht nehmen dürfen."
"Wir bleiben eine Mannschaft, wie bisher. Wir machen nach einer Niederlage kein Chaos. Wir müssen dieses Spiel vergessen, wir haben noch eines - und der siebte oder achte Platz wäre für Österreich wirklich ein Erfolg."
Mit einem Minus in die Halbzeit zu gehen, habe "uns das Genick gebrochen": "Danach war das in allen Belangen zu wenig. Da kann man sich eigentlich nur bei den Fans entschuldigen."
Das Ergebnis würde die eigene Leistungsfähigkeit bei allem Klassenunterschied nicht wiederspiegeln: "Zwölf Tore sind zuviel, so viel schlechter sind wir nicht", war der ehemalige Deutschland-Legionär überzeugt.
Wo waren die letzten Prozent?
Manch einer vermisste den Kampf, der trotz ungleicher Kräfteverhältnisse in den vorhergegangenen Spielen noch an den Tag gelegt wurde.
"Wir haben bei diesem Spiel nicht bis zum Ende Vollgas gegeben. Warum? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Jeder ist sich bewusst, dass er noch ein bisschen mehr hätte geben können", bekrittelte der defensive Kämpfer vom Dienst, Lukas Herburger.
Robert Weber sah den Grund hingegen auf der Gegenseite, einem "beherzten Spiel" der Deutschen, die auch die Kraft-Frage besser für sich entschieden hätten: "Sie haben das bisherige Turnier besser weggesteckt. Wir haben vielleicht ein bisschen mehr Federn gelassen."
Wer kämpft, macht Fehler
Teamchef Ales Pajovic erklärte sich den Auftritt auch mit dem Spielverlauf: "Wir haben unsere Chancen anfangs nicht genutzt, waren immer ein bisschen hinten - dann probierst du Dinge, willst dich zurückkämpfen, das kostet Energie und du machst die Fehler."
Dazu zu sei der Klasse-Unterschied nicht zu vergessen: "Österreichische und deutsche Liga, da ist auch ein Unterschied – das heute war zum Schluss österreichische gegen deutsche Liga. Wir müssen ein bisschen realistisch sein, wir arbeiten in eine gute Richtung und haben das zuvor auch gezeigt."
Ein wenig sei auch schon "die Power weg". Deswegen habe der Teamchef auch Nikola Bilyk viel geschont: "Niko kann nicht sieben Spiele durchspielen. Er ist kein Roboter, ich kann ihn nicht kaputt machen."
Es war Bitter, es ist bitter
"Bitter" war gleichzeitig die treffende Beschreibung für den Abend der Österreicher und einer der Hauptgründe dafür: DHB-Keeper Johannes Bitter zog unglaubliche 15 Schüsse - 54 Prozent - aus dem Tor.
"Der hatte einen Traum-Tag. Wir hatten auf unserer Seite sieben gehaltene Bälle, das sind zehn weniger. Das hat auch den Unterschied gemacht", meinte Herburger.
Aus deutscher Sicht eine besondere Geschichte, denn "Jogi" kehrte nach fast sechs Jahren Abwesenheit in das DHB-Team zurück und legte mit 37 Jahren eine Traum-Performance hin, die Österreich endgültig den Zahn zog.
"Ich fand das auch eine überragende Geste der Halle, Bitter hat 2.000 Tage nicht mehr im Team gespielt, kommt hierher und die ganze Halle ruft seinen Namen", konnte sich Weber in diesen besonderen Moment für sein Gegenüber einfühlen und sprach der Kulisse von 9.000 Zuschauern ein Kompliment aus.
Das passiert auch anderen Teams
Wie diese herbe Niederlage nach drei starken Siegen und zwei guten Auftritten gegen zu starke Gegner konkret zu bewerten sei - da war im ÖHB-Aufgebot so kurz danach keine Einigkeit gegeben.
"Wir müssen das Positive mitnehmen, aber am Ende haben wir es als Mannschaft einfach nicht verdient, um den fünften Platz zu spielen", blieb Weber trocken.
Herburger hingegen verwies darauf, dass hohe Niederlagen auch den Besten passieren würden: "Deutschland hat gegen Spanien auch eine Watsch'n bekommen. Ich würde nicht sagen, dass uns das auf den Boden zurückgeholt hat, wir sind trotzdem eine gute Mannschaft. Jeder von uns hat so etwas schon oft genug erlebt und muss das einfach abwischen."
Auch Pajovic versprach: "Wir bleiben eine Mannschaft, wie bisher. Wir machen nach einer Niederlage kein Chaos. Wir müssen dieses Spiel vergessen, wir haben noch eines - und der siebte oder achte Platz wäre für Österreich wirklich ein Erfolg."
Dieser Erfolg, das historisch beste EM-Ergebnis, wäre mit einem Punkt gegen Weißrussland eingefahren. Ein letztes großes Ziel, für das die letzten Kräfte mobilisiert werden - dann findet auch ein Debakel gegen Deutschland keinen zu großen Platz in der Endabrechnung der Heim-EURO.