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So groß wird das ÖHB-Duell mit Deutschland

Österreichs Handballer wollen bei EURO Deutschland ärgern und Historisches schaffen.

So groß wird das ÖHB-Duell mit Deutschland

Österreich gegen Deutschland! Egal, von welcher Mannschafts-Sportart auch die Rede ist: Dieses Duell elektrisiert wie kein anderes.

Dafür braucht es normalerweise keine besondere Ausgangslage. Das Duell bei der EURO 2020 heute Montag (ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker) in der Wiener Stadthalle könnte jedoch zum vielleicht größten Moment des rot-weiß-roten Handball-Sports in der jüngsten Vergangenheit werden.

Mit einem Sieg über den Erzrivalen des heimischen Sports wäre die Chance auf eine historische Teilnahme an der Final-Runde in Stockholm auf einmal sehr real. Der Dritte der Vorrunden-Gruppe fliegt am Donnerstag nach Schweden, um noch das Spiel um Platz fünf zu bestreiten - das ÖHB-Nationalteam der Männer schloss eine Endrunde noch nie besser als auf Rang neun ab.

Zwar redet Weißrussland da auch noch ein Wort mit, der Sieger aus Österreich gegen Deutschland hat aber beste Karten auf den 3. Tabellenrang in der Hauptrunde.

Muss Österreich die bitterer Pleite gegen Kroatien büßen?

Umgekehrt herrscht auf der Gegenseite die große Tristesse. Deutschland hat nach der Herzschlag-Niederlage gegen Kroatien quasi keine Chance mehr auf das Halbfinale. In der Tabelle vor Österreich zu landen und selbst in das Spiel um Platz fünf zu gehen, ist plötzlich das Minimalziel der "Lieblings-Nachbarn".

Ausgangslage und der "Preis", um den es geht, machen das Duell noch besonderer, als es ohnehin schon ist - LAOLA1 kennt die Gründe:

Das DHB-Team ist angezählt...

Sportlich sind es ganz andere Größenordnungen, in denen sich der DHB bewegt: Fünfmal wurde Deutschland Weltmeister, zweimal Europameister. Die EURO 2020 wird aber größtenteils als "Pleiten-EM" in die deutschen Sport-Annalen eingehen, und Österreich könnte diese Tatsache noch verschlimmern.

Lange Gesichter nach dem Kroatien-Spiel
Foto: © getty

Mit einem Sieg über Außenseiter Niederlande ins Turnier gestartet, mussten die Deutschen in der Folge ein empfindliches 26:33 gegen Spanien einstecken, das in die Hauptrunde mitgenommen wurde. Über Lettland zitterte sich das DHB-Team mit 28:27 drüber, erst in Wien wurde es gegen Weißrussland (31:23) souveräner.

Am Samstag beendete eine schmerzhafte 24:25-Niederlage gegen Kroatien - nach einer deutschen Fünf-Tore-Führung - die Hoffnungen auf das Halbfinale. Mathematisch ist der Einzug in die Top-4 zwar noch drinnen, praktisch aber eine Utopie. "So besoffen kann man gar nicht sein", kommentierte DHB-Vizepräsident Bob Hanning derartige Überlegungen knapp.

Viel zu wenig für die eigenen Ansprüche, die nächste Enttäuschung ist bereits besiegelt. 2016 wurde Deutschland noch Europameister, 2018 folgte ein katastrophaler neunter Platz. Auch die WM 2019 im eigenen Lande lief mit Rang vier nicht nach den Vorstellungen der DHB-Sympathisanten.

...aber eine Mannschaft ohne eklatante Schwäche

Nach Kroatien und Spanien steht das dritte große Kaliber in der Hauptrunde auf Österreichs Gegenseite.

Nicht nur dank der vier Deutschland-Legionäre im Kader - Robert Weber (Nordhorn/Lingen), Janko Bozovic (Gummersbach), Raul Santos (Leipzig) und natürlich Kapitän Nikola Bilyk (THW Kiel) - ist das Wissen über das DHB-Team so groß wie über keinen anderen Gegner.

Uwe Gensheimer
Foto: © getty

"Besonders finde ich die Deckung aus Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler, auch das Torhüter-Spiel von Andreas Wolff ist überragend, er ist ihr Fels in der Brandung. Dazu das schnelle Tempo-Spiel mit Timo Kastening, Tobias Reichmann, Uwe Gensheimer, Patrick Zieker, alles pfeilschnelle und sichere Außenspieler. Dann kommt mit Nachdruck Philipp Weber, der aus zehn Metern mit Dynamik und hartem Wurf hochsteigen kann. Dazu haben wir ein großes Problem, wenn Julius Kühn nach einem schlechten Spiel wieder ins Ballern kommt", hört der 34-jährige Vorarlberger Weber mit der Aufzählung der Stärken gar nicht auf.

Teamchef Ales Pajovic verspricht: "Wir haben ein paar taktische Ideen, wie wir sie bewegen können, denn wenn wir viel im Eins-gegen-Eins spielen, haben wir keine Chance. Gegen eine 6-0-Deckung haben wir bis jetzt okay gespielt, aber wir müssen Geduld haben und dürfen den Wurf nicht zu früh nehmen."

Wenn ein Spieler aggressiv aus der Deckung ausbreche, was bei Deutschland hin und wieder passiere, würden Chancen für die Kreisläufer entstehen.

Einer davon - Fabian Posch - hofft auf das Momentum: "Die Deutschen sind eine kompakte Mannschaft und im Kollektiv stark. Also kann man sie nur im Kollektiv schlagen und muss es schaffen, sie in einen schlechten Flow zu bekommen. Es gibt auch nicht den einen Spieler, der so überragend ist, dass er sie alleine wieder aus sowas rausreißt. Das ist vielleicht die Chance."

Für beide Teams geht es um ein besonderes Ziel

Was für Österreich als absolute Sensation gelten würde - eine Teilnahme am Spiel um Platz fünf und eventuell die Teilnahme an einem Olympia-Qualifikations-Turnier - wäre für Deutschland maximal Schadensbegrenzung.

Der letzte Kampf vor zwei Wochen
Foto: © GEPA

Welcher Endrang für die Olympia-Quali genau notwendig sein wird, ist bis dato unklar und hängt auch von der anderen Hauptrunden-Gruppe ab - dass das DHB-Team dafür Österreich hinter sich lassen müsste, ist aber logisch. "Daher dürfen wir nicht den Fehler machen, zu glauben, die haben keinen Bock mehr", warnt Posch.

Auch Weber, der Deutschland nach zwölf Jahren als Legionär so gut wie kein anderer im Team kennt, winkt ab: "Ich weiß, die Deutschen sind sehr stolz und lassen das nicht auf sich ruhen. Die Chance lebt zwar für uns, weil die Deutschen auch jünger und unerfahrener geworden sind. Aber genau das kann die Gefahr sein - dass sie hochmotiviert sind und uns eins auswischen wollen."

Auch Tobias Wagner schüttelt schnell den Kopf: "Die werden keinen Zentimeter zurückweichen, das wird ein Kampf-und-Krampf-Spiel. Wer gewinnt, fährt wahrscheinlich nach Stockholm, wer verliert, spielt um die goldenene Ananas. Wir können auch ohne Sieg das beste EM-Ziel erreichen, aber Stockholm ist allgegenwärtig."

Die Erkenntnisse aus dem letzten EURO-Test vor exakt zwei Wochen, der mit vier Toren verloren ging, seien jedenfalls begrenzt - zu groß sei die deutsche Leistungssteigerung seither.

Die Bedeutung des Handballs in Deutschland

800.000 Mitglieder auf der einen, 22.000 Mitglieder auf der anderen Seite: Handball ist in Deutschland hinter Fußball die klare Nummer zwei der Mannschafts-Sportarten. In Österreich gibt es hingegen gleich ein ganzes Dutzend Sport-Verbände, die mehr Aktive vorweisen können.

Deutsche Fans nehmen die Stadthalle ein
Foto: © GEPA

So schmeichelhaft die gesteigerte Aufmerksamkeit für das ÖHB-Team durch die bisherigen Leistungen auch sein mag: Rund 100 deutsche Journalisten in Wien sind nur ein Indiz dafür, wie viel höher die Bedeutung des Handballs beim nordlichen Nachbarn einzuschätzen ist - auch die deutsche Handball-Fans sind in großer Zahl nach Wien gepilgert. Kein Spiel mit österreichischer Beteiligung bot auf den Rängen annähernd so eine Intensität, wie jenes zwischen Deutschland und Kroatien.

Tobi Wagner kehrte 2018 von Balingen zu den Fivers Margareten zurück und hat die Eindrücke noch gut im Kopf: "Dort sind die Hallen immer ratzevoll, Spiele sind Wochen vorher ausverkauft - da ist Österreich noch weit entfernt."

Die Deutschen "hätten schon begriffen", dass Handball "alles habe, um die beliebteste Team-Sportart zu sein". Der Schlüssel dazu war die Heim-WM 2007, als sich Deutschland auch zum Weltmeister krönte.

Sphären, die auch ein österreichisches Team im Aufschwung so schnell nicht erreichen wird. Aber die Hoffnung, einen nachhaltigen Schritt nach vorn zu beginnen, lebt auch durch die EURO 2020.

Und wie könnte man sich besser nachhaltig in die Herzen des rot-weiß-roten Sport-Fans schreiben, als mit einem bedeutenden Sieg über Deutschland - dem ersten überhaupt in einem Pflichtspiel!

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