Das österreichische Handball-Märchen bei der EHF EURO 2024 in Deutschland wurde am Donnerstag um ein Kapitel reicher.
Zwei Tage nach dem unglaublichen Kraftakt gegen Spanien, welcher dem ÖHB-Team den Aufstieg in die Hauptrunde bescherte, wurde zum Auftakt selbiger die bisher makellose ungarische Mannschaft knapp mit 30:29 (17:17) bezwungen. Der Spielbericht >>>
Damit wird die heimische Truppe ungeschlagen in das Prestigeduell mit Gastgeber Deutschland am Samstag (20:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>) gehen. Mit drei Zählern führt man die Gruppe 1 vor den Abendspielen sogar an. Die Tabelle >>>
"Unglaublich! Es ist schwer zu beschreiben", hat Teamchef Ales Pajovic kurz nach Schlusspfiff im ORF-Interview für das Geschehene nicht die passenden Worte parat. Auch Kreisläufer Tobias Wagner ist überwältigt: "Ganz genau wissen wir selber nicht, was heute wieder los war."
Österreich ließ sich nicht aus dem Konzept bringen
Es war viel los. Die Österreicher mussten dem intensiven Programm in der Vorrunde Tribut zollen.
Routinier Janko Bozovic und Moritz Mittendorfer fehlten erkrankt. Mitte-Aufbau Lukas Hutecek hielt trotz Knieproblemen durch und war wieder das Um und Auf im ÖHB-Spiel, sein Nebenmann Boris Zivkovic kam wegen einer Knieblessur nur zu wenig Einsatzzeit.
Doch das bisherige Überraschungsteam dieser EM ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen. Und auch nicht von einem fehlerhaften Beginn, nach dem die ÖHB-Auswahl schnell mit 0:3 zurück lag.
Man tat sich in der Anfangsphase schwer, die ungarische Abwehr zu knacken und bekam zunächst auch Gabor Ancsin (vier Tore in den ersten acht Minuten) nicht in den Griff. Kapitän Mykola Bilyk und Co. liefen so von Beginn weg hintennach, hielten den Rückstand aber stets im Rahmen.
Angeführt von Bilyk, Hutecek und Routinier Robert Weber steigerte sich das rot-weiß-rote Team offensiv, griff häufig mit sieben Feldspielern an und kämpfte sich zurück. Mit einem Tor von Ungarn-Legionär Sebastian Frimmel zum 13:13 gelang erstmals der Ausgleich, dank eines Hutecek-Treffers eine Sekunde vor dem Halbzeitpfiff ging es auch mit Gleichstand in die Pause.
"Da haben wir nicht so die Torhüter-Leistung gehabt, wir hatten nur drei Paraden in der ersten Halbzeit", meint Pajovic. Für Torhüter Constantin Möstl, der zum Spieler des Spiels gewählt wurde, war in Halbzeit eins "viel Pech dabei. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl gehabt, dass ich, obwohl ich zwei Paraden in der ersten Hälfte hatte, gut im Spiel bin."
Pajovic: "Die zweite Halbzeit hat für mich über zwei Stunden gedauert"
Mit diesem Gefühl startete der 23-Jährige vom HC Hard auch in die zweite Spielhälfte. "Da war mir klar, dass ich paar Bälle rausziehe. Das habe ich auch gemacht."
Den besseren Start hatten aber wieder die Ungarn. Die Österreicher ließen einige Chancen aus, ein von Möstl abgewehrter Siebenmeter (39.) leitete aber die nächste Aufholjagd auf. Wagner brachte die ÖHB-Auswahl in der 43. Minute erstmals in Führung (23:22).
Beide Torhüter agierten danach in Hochform, ausgeglichen und spannend ging es in die Schlussphase. In der übernahm Bilyk die Verantwortung. Der Kapitän brachte sein Team zunächst mit 29:28 in Führung und erzielte 20 Sekunden vor Schluss mit seinem achten Treffer das Siegestor.
"Die zweite Halbzeit hat für mich über zwei Stunden gedauert. Wir hatten die Partie dann mehr unter Kontrolle, Consti (Constantin Möstl, Anm.) war überragend", lobt Pajovic seinen Goalie.
Auch Superstar Bence Banhidi, in der Vorrunde Ungarns bester Werfer, hatte man mit Fortdauer der Partie immer besser in Griff. "In der zweiten Halbzeit haben wir von zehn Duellen fünf oder sechs gewonnen", war der Slowene stolz auf seine Abwehr.
Genauso wie mit dem Einsatz seiner Mannschaft: "Jedes Tor, jeder Ballgewinn ist wichtig, jeder kämpft. Das bringt uns den Erfolg."
Wagner: "Wir spielen am Samstag wahrscheinlich ums Halbfinale"
Damit hat Österreich sehr gute Chancen, nach Platz acht 2020 und Platz neun 2010 zum dritten Mal eine EM in den Top Ten zu beenden. Sogar das beste Ergebnis der Geschichte ist in Reichweite.
"Was wir jeden zweiten Tag abliefern, ist wie ein Märchen. Wir schauen, dass wir das weitermachen", meint Frimmel. "Wir schweben alle gefühlt ganz weit oben", sagt Hutecek.
Möstl bestätigt dieses Gefühl. "Man hat ab der ersten Minute gemerkt: Wir spielen nicht gegen einen Übergegner, wir spielen einfach gegen Ungarn und wir gewinnen das heute, so war das Gefühl. Das ist halt unglaublich geil", so der Torhüter.
Gegen den Gastgeber wittert der 23-Jährige die nächste Sensation: "Sag niemals nie! Wir gehen in jedes Spiel, wollen zwei Punkte holen und da ist es egal, ob die Gegner Deutschland, Frankreich, Island oder Ungarn heißen."
Kreisläufer Wagner hat das nächste Ziel schon vor Augen: "Wir spielen am Samstag gegen Deutschland wahrscheinlich ums Halbfinale, da wird sich dann zeigen, ob wir wirklich schon eine Topmannschaft sind."