125 Länderspiele und 573 Tore für Österreich: Sonja Frey war in den letzten 15 Jahren eine prägende Figur im ÖHB-Team.
Nach Auslands-Stationen und einigen Titeln in Deutschland, Frankreich und Dänemark neigt sich die professionelle Karriere der 31-Jährigen dem Ende zu. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat zu HYPO Niederösterreich wird noch die Heim-EURO als letztes großes Highlight mitgenommen, danach ist Schluss.
Der Körper will es so. Und auf den weiß Frey gut zu hören - steht sie doch vor einem Vollzeit-Wechsel in die Physiotherapie.
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Bevor es soweit ist, soll ein krönender sportlicher Abschluss in die Vita geschrieben werden. Und im LAOLA1-Interview spricht sie auch noch über die letzten Jahre im Nationalteam, die Zukunftsperspektiven und ihre Einstellung für die EURO.
Diese ÖHB-Frauen wollen bei der Heim-EM für Furore sorgen
LAOLA1: Während die Männer im Laufe deiner Nationalteam-Karriere schon zwei Heim-Europameisterschaften absolvieren durften, steht für euch die Premiere an. Als Beobachterin dieser zwei Turniere – welche Hoffnungen für den Sport verbindest du mit der Heim-EURO?
Sonja Frey: Es ist eine super Gelegenheit für den Sport, sich zu präsentieren. Gerade für den Frauen-Sport, der in Österreich nicht die Aufmerksamkeit bekommt, müssen wir die Chance nutzen – um junge Mädels zu aktivieren und motivieren. Ich hoffe, dass da ein Funke überspringen kann.
LAOLA1: Seit 15 Jahren bist du im Nationalteam dabei. Nach deinem Debüt als 16-Jährige bei der Weltmeisterschaft 2009 folgte eine Durststrecke bis 2021, ehe wieder die Qualifikation für ein Großereignis gelang. Wie erklärst du die in der Retrospektive?
Frey: Ich hatte das Gefühl, wir waren wie in einem Sumpf. Es fühlte sich im Nationalteam immer nach demselben Trott an. Die Erwartungen waren dann lange nicht hoch. Mit dem Sieg gegen Russland begann langsam die Trendwende (27:25 über den damaligen Olympiasieger in der EM-Qualifikation 2017, Anm.). Da hat ein anderes Gefühl eingesetzt. Durch den Sieg haben wir aber gemerkt, dass wir nach oben hinschnuppern können. Die positive Spannung im Team ist langsam gestiegen. Und es hat geholfen, dass wir vom ÖHB neue Unterstützungen bekommen haben, in Form von Athletiktrainern, Kraftprogrammen und so fort. Die Spielerinnen wurden auch während der Saison unterstützt, während sie bei den Vereinen waren. Das war ganz wichtig, weil viele Vereine im Frauensport nicht so viel Geld haben, um Unterstützung in Sachen Physis und Verletzungen zu sorgen. Es war wichtig, dass auch der Verband Augenmerk auf die Spielerinnen legte. Die Möglichkeiten haben sich durch die Digitalisierung, durch spezielle Apps verändert, wo du zuvor Mails bekommen hast und nun der Trainer in Wien sieht, wenn du deinen Kraftplan in der App einträgst.
LAOLA1: Zuletzt wart ihr wieder bei zwei Weltmeisterschaften dabei. Eine ähnliche Initialzündung wie der Sieg über Russland?
Frey: Es hat sich schon angebahnt, dass wir eine eingeschweißte Truppe werden. Das ist einfach gekommen. Man hat gemerkt, dass die Spielerinnen dranbleiben. Es sind auch mehrere ins Ausland gegangen. Einige Zeit hatten wir nicht mehr ein, zwei Spielerinnen in der Champions League, sondern fünf. Da ist schon etwas entstanden.
LAOLA1: Auf der Teamchef-Ebene galt lange Kontinuität. 20 Jahre war Herbert Müller Teamchef, ehe im Februar – doch recht kurzfristig vor der Heim-EURO – Monique Tijsterman nachfolgte. Welche neuen Inputs hat sie gebracht?
Frey: Mit einem Trainerwechsel werden die Karten neu gemischt. Wenn der Teamchef alle schon lange kennt, sind die Rollen klar verteilt. Das war auch noch einmal ein Push, auch für die Spielerinnen, die früher einen Stammplatz hatten. Die mussten jetzt noch einmal kämpfen.
LAOLA1: Das betrifft ja auch dich direkt.
Frey: Genau. Für mich war aber klar, dass ich mich einen Schritt zurücknehme. Das habe ich in den letzten ein, zwei Jahren auch gemacht. Ich spiele in Österreich und nicht mehr professionell, weil ich das körperlich nicht mehr schaffe, Woche für Woche zwei Spiele zu haben und so viele Trainings zu absolvieren. Mein Peak ist überschritten, aber das macht nichts. Ich bin gerne da und unterstütze, wo ich kann.
"Wir sind immer noch wie Rennpferde: Es ist billiger, eine neue Spielerin zu verpflichten, als in eine verletzte zu investieren und auf ihr Comeback zu hoffen."
LAOLA1: Die Mannschaft hat viele junge Spielerinnen – wie kannst du die mit deiner Erfahrung unterstützen?
Frey: Ich kenne diese Situationen, habe schon oft unter Druck spielen und performen müssen, wenn ein Sieg einfach erwartet wurde. Ich war erfolgreich – und bin gescheitert. Daraus lernt man viel. Alleine durch die Präsenz von jemandem, der diese Situationen kennt, ist dem Team schon sehr geholfen. Und ich beobachte das Verhalten von Spielerinnen in bestimmten Situationen. Wenn die Mädels etwas wissen wollen, können sie zu mir kommen. Wichtig ist aber, dass dieser Austausch von beiden Seiten gewollt ist.
LAOLA1: Wie schätzt du Gegenwart und Zukunft des Teams ein?
Frey: Für österreichische Verhältnisse sind wir sehr gut aufgestellt. International ist es immer noch ein riesiger Schritt. Wir haben die Kaderbesetzung der Top-Nationen nicht. Wohin es gehen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Es ist in Österreich ein riesiges Problem, dass man sich zwischen Sport und Ausbildung entscheiden muss. In Deutschland, Frankreich oder Dänemark wirst du als Sportlerin von Universitäten gepusht, wird dir der rote Teppich ausgerollt. Hier wollen wenige Spielerinnen nur Handball spielen, weil der Verdienst nicht hoch genug ist und nach einer Verletzung alles passieren kann. Wir sind immer noch wie Rennpferde: Es ist billiger, eine neue Spielerin zu verpflichten, als in eine verletzte zu investieren und auf ihr Comeback zu hoffen. Dann kann es schnell vorbei sein. Viele Spielerinnen könnte man gewinnen, wenn neben dem Sport eine Ausbildung einfacher zu betreiben wäre und von den Ausbildungsstätten Unterstützung käme. Wir hatten eine Spielerin, die eine der besten Linksaußen in Österreich war, aber Zahnmedizin studierte – und das ließ sich nicht vereinbaren, also musste sie sich entscheiden.
LAOLA1: Einmal mehr ist es also eine Frage der Grundlagen. Um Argumente für eine Verbesserung zu haben, helfen Ergebnisse.
Frey: Natürlich. Es ist eine starke Wechselwirkung. Aber irgendwer muss einmal den Schritt machen. Als Frau brauchst du eine Ausbildung, weil du im Sport nie so viel wie die Männer verdienen wirst. Und du willst ja nachher auch ein Leben haben. Da hat Österreich noch viel Aufholbedarf.
LAOLA1: Schauen wir noch kurz auf das Turnier. Die Hauptrunde ist das große Ziel. Alle Euphorie kurz beiseite geschoben, für wie realistisch hältst du das?
Frey: Der Sport ist so unberechenbar. Eine Euphorie kann man nicht erzwingen. Das entsteht einfach. Es ist ein Gefühl, eine Magie, die durch Zwischenmenschliches entsteht. Es ist so viel möglich, wenn man in ein Spiel reingeht und mit sich selbst vereinbart, heute gebe ich alles, heute gehe ich jeden Schritt, der notwendig ist, und vielleicht noch zwei, drei mehr. Wenn es dann nicht reicht, kann man immer noch mit hohem Haupt rausgehen. Es wäre für mich ein Versagen, wenn man sich nachher Vorwürfe machen muss. Ein erfolgreiches Turnier wird es, wenn wir abrufen, was wir können. Dann wird man auch belohnt. Es ist im Sport schwer, Prognosen abzugeben. Er ist beinhart, ist unberechenbar.
LAOLA1: Und der Faktor Heimvorteil macht die Sache zusätzlich unberechenbar, weil es diese Situation vorher noch nicht gab.
Frey: Natürlich ist eine Heimhalle ein Vorteil. Wir kennen sie besser, haben da trainiert. Es erleichtert die Sache, aber macht nicht den alleinigen Unterschied. 2021 hatten wir plötzlich eine Corona-Welle im Team, mit zehn bis zwölf Spielerinnen, die auf einmal gelegen sind. Es geht schnell. Aber es ist ja auch der Reiz, dass man vorher nicht immer weiß, wie etwas ausgeht. Sonst wäre es ja langweilig.