40 Prozent der Zentralmaturanten rechnen mit einem Fünfer in Mathematik.
Nikola Bilyk zählt sich auch dazu.
„Ich habe vorsichtshalber schon mit dem Lernen für eine mündliche Zusatzprüfung begonnen“, meint der 19-Jährige trocken. Zahlen entgleiten Österreichs größtem Handball-Talent offenbar leichter als das harzige Spielgerät.
Würde es etwas helfen, wenn er beispielsweise die Flugbahn seiner Würfe berechnen müsste?
„Ja, das wäre einfach“, entgegnet er im Gespräch mit LAOLA1 lachend. „Weil das wären ja immer Geraden.“
Derartig hart werfen will der Fivers-Shooter auch am Dienstag (20:20 Uhr) gegen Bregenz im ersten Spiel der „Best of three“-Finalserie um den heimischen Handball-Titel.
Doch als würde die Meisterschafts-Entscheidung noch nicht reichen, stehen für Bilyk die anstehenden Duelle mit den Vorarlbergern unter einem ganz besonderen Stern, sind sie doch seine vorerst letzten Auftritte in der Handball Liga Austria (HLA), bevor er im Sommer den Sprung zum großen THW Kiel wagt - eine DER Top-Adressen im Welthandball.
Im Kopf noch ein gutes Stück weg
„Anfang Juli“, schätzt Bilyk. Da in etwa will er in die norddeutsche Stadt mit der großen Handball-Tradition und den genau werfenden „Zebras“ übersiedeln.
Der Rechtshänder denkt zwar gelegentlich darüber nach, dass es schon bald so weit ist, doch so richtig präsent ist es in seinem Kopf noch nicht. Kein Wunder, schließlich bedarf es bei den aktuellen Aufgaben seiner vollsten Konzentration.
Allen voran gilt diese den Duellen mit Bregenz. Auf die Finalserie brennt er schon. „Man kann so viel reden, wie man will, aber ein Endspiel ist einfach etwas anderes“, möchte er mit seinen Margaretnern noch einmal „alles raushauen“, um zum Abschied den zweiten Titel der Klub-Geschichte nach 2011 einzufahren.
Der Rekordmeister aus dem Ländle muss mit Espen Lie Hansen und Lucas Mayer zwei verletzungsbedingte Ausfälle verkraften. Bilyk warnt dennoch: „Wir wissen von uns selbst, dass das Kompensieren von Spielern nicht immer ein Nachteil sein muss. Es kommen dadurch oft Spieler nach, die andere Qualitäten mitbringen. Qualitäten, die uns Schaden zufügen können.“
Was gegen Bregenz begann, endet gegen Bregenz
Mit Finalgegner Bregenz schließt sich für Bilyk ein Kreis. Denn ausgerechnet gegen die Vorarlberger feierte er 2012 auch sein HLA-Debüt. „Es war wenige Tage nach meinem 16. Geburtstag“, erinnert er sich.
„Alle in der Mannschaft haben schon gewusst, dass ich spielen darf. Ich habe aber geglaubt, dass es nur etwas wird, wenn ich im U20-Match davor entsprechend überzeuge“, schildert er schmunzelnd.
Das HLA-Spiel verfolgte er dann, wie es sich für einen jungen Debütanten gehört, lange Zeit von der Ersatzbank aus, ehe in den letzten fünf Minuten seine Zeit endlich gekommen war. „Als ich reinkam, war ich sehr motiviert und nervös zugleich.“ Auch wenn ihm sein erstes HLA-Tor damals noch versagt blieb, brachten die Fivers den Vorsprung über die Zeit.
Es mag zweifelhaft erscheinen, dass Bilyk am Dienstag ebenfalls ohne Tor-Erfolg bleibt, das Ergebnis von damals würde er dennoch mit Handkuss nehmen.
Tränen nur der Freude
Wie emotional sein Abschied letztlich tatsächlich wird, vermag das Rückraum-Ass selbst noch nicht abzuschätzen. „Das Kapitel, welches hier für mich zu Ende geht, war ein sehr wichtiges. Die Zeit hier hat mich menschlich zu dem gemacht, was ich jetzt bin.“
Ob die eine oder Träne dabei sein wird? „Wenn dann eher nur, weil wir Meister sind“, winkt er ab.
Jenes Kapitel, welches er danach aufschlägt, wird eine Hausnummer größer werden. „Kiel wird eine ganz andere Welt. Da gehe ich mit dem Gefühl hin, dass ich mich beweisen will. Es wird schwierig, aber es ist das, was ich mir ausgesucht habe, was ich wollte.“
Unfreiwilliges Kurz-Comeback?
Auch wenn er nach Kiel geht, um dort zu bleiben, könnte er dennoch im Herbst ein Kurz-Comeback in Wien geben. Gemeint ist schulischer Natur, falls er nämlich die Mathematik-Matura tatsächlich versemmeln sollte.
„Aber selbst, wenn das so kommen sollte, mache ich mir keinen Stress. Gerade passiert so viel, da wäre es kein Beinbruch, sollte ich für die Matura einen zweiten Versuch brauchen.“
Reinhold Pühringer