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Warum es für die ÖHB-Frauen nach oben geht

Warum WM-Quali gelang - und die nächsten Jahre besser als die letzten werden.

Warum es für die ÖHB-Frauen nach oben geht Foto: © ÖHB-Agentur DIENER - Eva Manhart

Während die ÖHB-Herren in den letzten elf Jahren von Großereignis zu Großereignis eilten, blieb den Frauen seit der Handball-Weltmeisterschaft 2009 in China immer nur die Rolle der Zuschauerinnen. Das hat nun ein Ende.

Erstmals seit zwölf Jahren werden die ÖHB-Damen im Dezember in Spanien wieder an einem Großturnier teilnehmen. Drei Jahre vor der Heim-EURO, die gemeinsam mit Ungarn und der Schweiz ausgetragen wird, ein idealer Zeitpunkt für eine Trendwende.

Wie ist das österreichische Frauen-Handball aus seinem Dornröschen-Schlaf erwacht - und was macht Mut für das "Projekt 2024"? Mit Damen-Teamchef Herbert Müller steckt LAOLA1 die Erfolgsfaktoren ab:

Die ideale Mischung von Routine und Jugend

Jedes Team braucht Leitwölfinnen, im Polen-Spiel taten sich besonders Torfrau Petra Blazek (199 Länderspiele!) und Sonja Frey mit zehn Toren hervor. Aber neben ihnen glänzte auch die Jugend. Müller betont etwa die Rolle von Nina Neidhardt, Katharina Pandza und Johanna Reichert, allesamt erst 19 Jahre jung. So wurde die richtige Mischung gefunden.

Petra Blazek
Foto: © GEPA

Blazek (33) und Frey (28) werden laut dem Teamchef 2024 sicher noch dabei, Josefine Huber (25) und Patricia Kovacs (24) auch auf lange Sicht noch Führungsspielerinnen sein. "Das sind Spielerinnen, die in ihren Vereinen sehr professionell arbeiten und im Nationalteam vorne weg marschieren müssen."

Sie seien das Rückgrat, um die Jugend überhaupt erst entwickeln zu können: "Wir brauchen sie, um die Jungen wachsen und gedeihen zu lassen – in ruhigem Fahrwasser, ohne den Leistungsdruck zu hoch zu halten. Die sollen befreit aufspielen, mit Freude und Spaß in die Spiele reingehen, ausprobieren, locker bleiben, an sich glauben."

Darum sei die WM-Quali auch mit viel Freude, aber Vorsicht zu betrachten: "Wir müssen Geduld haben. Die jungen Spielerinnen haben noch nicht die Konstanz, um bei jedem Länderspiel das hohe Level zu erreichen. Auch nach der WM wird es noch Entwicklung brauchen. Diese Konstanz in zwei, drei Jahren über Monate hinweg auf hohem Niveau zu haben, muss das Ziel sein." Dann habe der Kader auch endlich die Breite, die in den letzten zwölf Jahren für die Qualifikationen immer fehlte.

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Früh flügge werden

Neidhart und Pandza spielen trotz ihrer 19 Jahre schon in Deutschland. Als Legionärinnen sind sie die Regel, nicht die Ausnahme im ÖHB-Team. Ähnlich wie bei den Herren ist die internationale Erfahrung insgesamt ein entscheidender Faktor.

Katharina Pandza
Foto: © GEPA

Das wöchentliche Top-Niveau in Training und Wettkampf habe zu der Abgeklärtheit geführt, die es in der Nervenschlacht in Polen gebraucht hat.

Dass es Spielerinnen jetzt früher gelingt, den Schritt zu machen, sei laut Müller auch eine "Qualitätsfrage". "Speziell, was die Jahrgänge 2000 bis 2002 betrifft, sind ein paar Spielerinnen dabei, die sehr früh schon an ein gewisses Leistungsniveau geführt werden konnten", meint der 58-Jährige. Bis zur Heim-EURO seien sie auf einem Leistungszenit, während etablierte Spielerinnen noch dabei sein werden - darum könne mit dem jetzigen Kader über Jahre hinweg gearbeitet werden.

In Österreich sei die Entwicklung leider nicht im gleichen Maße möglich, deswegen müssen Talente laut Müller "im richtigen Moment in die richtige Liga". Forderung und Förderung sei nur im Ausland so möglich, das Nationalteam voranzubringen, weil selbst WHA-Krösus Hypo NÖ nicht mehr die Qualität von früher habe: "Das sage ich nicht kritisch, das ist eine Feststellung."

Neuer Fokus im ÖHB

Im letzten Jahrzehnt standen die Frauen definitiv im Schatten der erfolgreichen Männer. Die EURO 2024 nach Österreich zu holen, könnte laut Müller einen Schritt aus diesem Schatten initiiert haben.

ÖHB-Generalsekretär Bernd Rabenseifner kommt aus dem Damen-Bereich
Foto: © GEPA

"Wir haben richtig danach gelechzt, im Damen-Bereich sehnsüchtig darauf gewartet, dass der ÖHB den Schritt macht, den er bei den Herren 2010 gemacht hat", spielt der Damen-Teamchef auf die erste Heim-EURO der Herren an.

Es folgten bessere Setzungen, leichtere Qualifikations-Gegner - und damit erst die Möglichkeit, sich immer wieder für Großereignisse zu qualifizieren. "Diese Gelegenheit bietet uns die Heim-EM. Darauf haben wir lange gewartet und dafür sind wir den ÖHB sehr dankbar."

Es gehe auch "ein Stück weit um Gleichberechtigung": "Wir freuen uns, wenn es den Herren gut geht, sie freuen sich, wenn es den Damen gut geht. Es muss ein Miteinander darstellen und man muss schauen, dass beide Teams gleich behandelt werden."

Neue Strukturen und keine "Mehlspeisen-Mentalität"

Der neue Fokus mache sich auch schon in der täglichen Arbeit bemerkbar. Im Juni wird es einen zusätzlichen "Kickoff-Lehrgang" für die WM 2021 und die EURO 2024 gleichermaßen geben.

Herbert Müller
Foto: © GEPA

Müller merke die Fortschritte "durch das Leistungszentrum und die Durchstrukturierung. Mein Bruder (Helfried Müller, Anm.) trainiert die Juniorinnen, Simona Spiridon - die jahrelang unter mir gespielt hat - die noch jüngeren Jahrgänge. Die wissen genau: Wie tickt der da oben im Nationalteam? Welche Grundsteine muss man schon legen, im taktischen und im technischen Bereich, um in der Nationalmannschaft anzukommen?"

Die Strukturen seien schlicht besser, um Spielerinnen, "die wirklich wollen", an die Spitze zu führen. Und: "Qualität hat nicht umsonst den Wortstamm Qual", meint Müller. Die Bedeutung harter Arbeit sei der jetzigen Spielerinnen-Generation besser bewusst als früher.

"Es war ganz wichtig, von der österreichischen 'Mehlspeisen-Mentalität' wegzukommen", so der Deutsche. "Wenn du mit 24, 25 ein bestimmtes Leistungslevel erreicht hast, darfst du nicht aufhören – da muss es erst richtig losgehen! Diese Problematik hatten wir über viele Jahre."

Realistische Zielsetzungen

Die WM-Qualifikation mag ein kleiner Meilenstein sein, der allen Grund zur Freude lässt. Mehr als das ist sie aber noch nicht. Das wissen Müller und Co. aber richtig einzuschätzen.

Foto: © GEPA

"Ich werde mit der Quali nicht in Euphorie verfallen und von einer goldenen Zeit sprechen. Dafür sind wir erst am Anfang dieses Weges. Aber ich würde gern wollen, dass wir schnell wieder sehr ernst genommen werden im europäischen Handball und wieder eine Größe darstellen, eine ernstzunehmende Rolle spielen, wenn es um die Plätze für Großereignisse geht", ist das langfristige Ziel des Teamchefs.

Eine WM sei dafür gleich eine gute Probe. "Bei einer EM hast du fast nur übermächtige Gegner, wo du schnell an deine Grenzen stößt. Bei einer WM bekommst du von anderen Kontinenten Mannschaften, gegen die du vielleicht auch in einer Favoritenrolle bist. Du wirst eher ein Erfolgserlebnis haben und nicht gleich auf harten Granit beißen."

Jetzt sei einmal das Ziel, "Automatismen und Selbstverständlichkeiten einzubauen, damit die WM 2021 nicht das einzie Großereignis bleibt". Die Quali zur EM 2022 wird aufgrund einer brutalen Auslosung zwar schwer, aber Müller hofft, dass "uns die WM-Quali so viel Mut und Selbstbewusstsein gibt, dass wir auch das mit Freude angehen werden."

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