Zwei Spiele, zwei Niederlagen: Der neu gegründete EHF Euro Cup, als Qualifikations-Ersatz für die drei kommenden Gastgeber der Handball-EM 2020 und des Titelverteidigers gedacht, hat für das ÖHB-Nationalteam ohne Punkte begonnen.
Vize-Weltmeister Norwegen (31:43) und Vize-Europameister Schweden (31:34) waren allerdings echte Kaliber, gegen die in Hinblick auf die nur eineinhalb Monate entfernte Weltmeisterschaft in Dänemark und Deutschland andere Dinge zählten.
Dabei war es nicht nur Licht und nicht nur Schatten, was Teamchef Patrekur Johannesson von seinen Jungs zu sehen bekam.
Viereinhalb Monate nach dem erfolgreichen WM-Playoff gegen Weißrussland agierte die Offensive zufriedenstellend, in der Defensive zeigten die beiden Spitzen-Nationen Österreich die Grenzen und den Verbesserungsbedarf auf.
Zu wenig Fokus auf die Abwehr
In der Vorbereitung auf die Norwegen-Partie wurde weniger auf die Abwehrarbeit eingegangen. Die Hoffnung von Johannesson beruhte darauf, dass die Strukturen aus dem Juni beibehalten wurden. Das sollte sich in Trondheim allerdings rächen.
Mit drei weiteren Tagen Vorbereitungszeit waren die 34 Gegentore durch Schweden immer noch kein zufriedenstellender Zustand, aber der Beweis, dass es Potenziale gibt, die man kurzfristig ausreizen kann.
In der ersten Hälfte konnte man dem Vize-Europameister gar den Schneid abkaufen, zum Start der Partie führen und zur Halbzeit ein 16:16 erringen. Es waren am Ende kleinere Dinge, die den Unterschied machten.
"Wir machen ein paar technische Fehler und das nutzen die Schweden mit ihrem Top-Niveau einfach aus. Ich bin auch unzufrieden, wie statisch man aus der Halbzeit kam – das muss man nach 15 Minuten Pause besser machen", hatte der Isländer trotz der nicht unzufriedenen Grundstimmung das kritische Auge nicht verloren.
Die Breite als mittelfristiges Problem
Diesen kleinen Führungslauf der Schweden nach Seitenwechsel konnte man noch abfangen, die Gäste holten den Vorsprung aber zurück.
"Man hat gesehen, dass wir mithalten können. Aber wir wollen solche Spiele auch einmal gewinnen und da darfst du keine Fehler machen", hat Johannesson höhere Ziele: "Auch wenn ich gegen Frankreich oder Schweden verliere, ärgere ich mich. Als Trainer musst du so denken."
Man sei taktisch aber flexibler aufgetreten als in früheren Jahren, tastet sich in diesen Bereichen immer näher an die Spitzen-Nationen heran. Ein Unterschied sei aber augenscheinlich.
"Man sieht, wir haben nur einen Nikola Bilyk. Die Top-Nationen können viel wechseln. Ich versuche schon lange, die Breite bei uns zu verbessern. Wenn wir die nicht haben, müssen wir eben besser in Form sein als andere Teams. Aber ich mache mir Sorgen, wenn man in solchen Spielen müde ist, weil wir bei der WM sieben Spiele in 14 Tagen haben werden."
Ein Bereich, auf den der Isländer nur bedingt Einfluss hat. Konditionelles Training fällt unter die Arbeit der Spieler bei ihren Vereinen, in den Nationalteam-Lehrkursen kann fast nur Fokus auf Taktik gelegt werden.
Ein starker Debütant
Dass Johannesson auch kurz vor einem Großereignis um den Ausbau der Breite bemüht ist, zeigt sich an den Beispielen von Julian Pratschner, Sebastian Spendier und Frederic Wüstner.
Mit Thomas Eichberger feierte ein Torhüter gegen Schweden gar sein Debüt und wurde vor seinem Heimpublikum – der 25-Jährige spielt bei der HSG Graz – gar zum zwischenzeitlichen Helden, als er nach seiner Einwechslung sechs starke Paraden en suite zeigte und seinen Anteil am neuerlichen Ausgleich hatte.
Auch für Nikola Bilyk gab es im Länderspiel-Doppel eine Premiere, er ist neuer ÖHB-Kapitän: "Mit zwei Niederlagen ist es nicht so schön. Aber ich werde den Jungs helfen, wo ich kann, ich habe für alle ein offenes Ohr."
Im Spiel gegen Schweden tat er dies vor allem mit sechs Toren, zweitbester Wert hinter Janko Bozovic (acht Treffer).
Zwei Exoten zum Test-Abschluss
An welchen Stellschrauben Patrekur Johannesson schrauben muss, um das anvisierte Ziel, die WM-Vorrundengruppe zu überstehen, erreichen zu können, weiß der Isländer.
Nur die Zeit wird knapp: Mitte Dezember muss der erweiterte Kader stehen, erst danach wird das Nationalteam wieder zusammenkommen.
Anfang Jänner stehen noch Tests in der großen Halle von Innsbruck gegen Bahrain (4.1.) und Angola (6.1.) an. Keine mit Norwegen und Schweden vergleichbaren Kaliber, aber die richtigen Kontrahenten für die Probe des Ernstfalls, unter anderem gegen Saudi-Arabien, Chile und Tunesien.
Gegen diese Gegner muss die Pflicht erfüllt werden. Dann kann man gegen Dänemark und Norwegen im Ernstfall befreiter beweisen, dass man auch in den kleinen Dingen gegen die Top-Nationen dazulernt.