Herbert Müller ist die Konstante an der Seitenlinie von Österreichs Handball-Frauen.
Seit 2004 coacht der Deutsche die ÖHB-Auswahl, Abnutzungserscheinungen zeigt der 61-Jährige aber keine. Müller beherrscht die Kunst des Sich-Neu-Erfindens, noch immer versprüht er denselben Elan wie fast 20 Jahre zuvor.
"Entweder du passt dich an, oder du kannst mit den Generationen nicht mehr mitgehen", erklärte er vor der am Mittwoch beginnenden WM in Schweden, Dänemark und Norwegen.
Müller hat schon viel erlebt in Österreich. Bei seinem Amtsantritt waren noch "alte Hasen" wie Tanja Logwin, Barbara Strass oder Stefanie Ofenböck (später Subke) am Werk, die etwa 1999 WM-Bronze erobert hatten.
Es folgte "ein bisschen ein Loch", wie Müller es nennt. Bis 2009 gelang zwar noch die Qualifikation für alle WM- und EM-Endrunden, die Ergebnisse ließen aber nach. Danach blieb man zwölf Jahre lang nur Zuschauer, ehe die aktuelle Generation um Sonja Frey die Durststrecke mit der Qualifikation für die WM 2021 beendete.
Torfrau Blazek: "Er lebt für den Sport"
Torfrau Petra Blazek ist seit Müllers Amtsantritt mit ihm durch dick und dünn gegangen, kennt den gebürtigen Rumänen, der mit 18 Jahren samt Familie nach Deutschland übersiedelte, bestens. "Er lebt für den Sport", betonte die 36-Jährige. "Er glaubt immer dran, kann die Mannschaft immer gut motivieren, ihr das Gefühl geben, dass sie auch stärkere Nationen schlagen kann, wenn sie den richtigen Willen zeigt."
"Für mich ist es kein Beruf, sondern Berufung", sagt Müller selbst. Gelegenheiten zu einem Wechsel habe es immer wieder gegeben. "Ich hatte Anfragen von Ungarn, Deutschland oder Rumänien, von Nationen, mit denen du vielleicht zu Olympia kannst. Da habe ich schon Schnappatmung bekommen", erinnerte er sich. Dennoch sei er jemand, "den man sehr, sehr schwer verpflanzt - wenn ich auch das Gefühl habe, man kann noch etwas bewirken."
Der aktuelle Leistungsstand des Teams scheint Letzteres zu bestätigen. Dazu kommt eine starke Verbundenheit mit Verband und Mannschaft. "Mir bedeuten diese Mädels etwas, mir bedeutet das, was hier entstanden ist, etwas." Durchhaltevermögen zeichnet ihn auch auf Vereinsebene aus. In Nürnberg war er zwischen 1999 und 2008 am Ruder, seit 2010 coacht er den Thüringer HC. Müller ist ein Besessener, Erfolg steht an erster Stelle. "Ich kann nach wie vor nach einem Spiel nicht schlafen, schaue mir Videos an. Ich war immer ein harter Arbeiter. Ich hoffe, ich werde diesen Kampfgeist nie verlieren."
Kein Amtsende in Sicht
Der Mann, dessen Bruder Helfried sowohl im Club als auch bei der Nationalmannschaft als "Co" fungiert, ist aber nicht stehengeblieben. So wie die Spielerinnen und das Spiel an sich, hat sich auch Müller verändert. "Du kannst die Ofenböck-Generation mit den heutigen Generationen nicht mehr vergleichen. Einstellung, Kommunikation, Trainingseinsatz haben sich gewandelt", sagt Müller. Was einst funktionierte, sei heute so nicht mehr gefragt. "Unser Trainingsstil, unser Coaching, unser Benehmen war - drastisch formuliert - diktatorischer, undemokratischer, unmissverständlicher."
"Früher waren meine Einheiten zweieinhalb Stunden lang, jetzt sind es maximal eineinhalb", sagte Müller, der dem eigenen Dafürhalten nach "für Kampfgeist und Arbeitswille" steht. So einfach wie einst ließe sich dieses Credo aber nicht mehr umsetzen. "Heute haben wir es mit einer Generation zu tun, die Leistung und Einsatz anders definiert. Mit einer Generation, die mitreden will, auch berechtigterweise. Wir müssen mit der Zeit mitgehen, sonst verlieren wir sie."
Ein Amtsende ist für ihn jedenfalls nicht in Sicht. "Solange ich spüre, dass ich diese Kraft habe", gebe es keinen Grund, ans Aufhören zu denken. Auch wenn die Befindlichkeiten des studierten Mathematikers in manchen Dingen anders gelagert sind als einst. "Bei langen Busfahrten, denke ich mir jetzt manchmal schon: Oh, Gott, du hast doch eigentlich etwas Anständiges gelernt."