Vor einem Jahr gab es in Österreich Handball-Euphorie.
Das ÖHB-Team überraschte ganz Europa mit seiner Performance bei der EURO 2024, schickte mit Spanien eine Großmacht vorzeitig heim und ärgerte weitere Top-Nationen. Lange lebte gar der Traum vom Halbfinale.
Ein Jahr später steht mit der Weltmeisterschaft in Kroatien, Norwegen und Dänemark - Österreich spielt die Vorrunde im kroatischen Porec - das nächste Großereignis an. Wieder will die ÖHB-Truppe für Furore sorgen.
Weil mit Mykola Bilyk der Superstar fehlt, müssen andere in die Bresche springen. Mit Lukas Hutecek hat sich in den letzten Jahren aber ein weiterer, unumstrittener Leistungsträger in Rot-Weiß-Rot etabliert.
Im LAOLA1-Interview spricht der 24-Jährige über seine Entwicklung vom Talent zum gestandenen Spieler, die vergangene Euphorie und die Ambitionen bei der WM.
LAOLA1: Ein Jahr nach der Märchen-EURO scheint die Handball-Euphorie in Österreich wieder abgeflacht zu sein. Wo ist sie hin?
Lukas Hutecek: Sie ist wirklich ein bisschen abgeflacht. Aber was ich in meinem Umfeld so höre, sind einige Kinder mehr in den Vereinen, da hat sich schon etwas getan. Der ÖHB leistet auch seine Arbeit dazu. Daher glaube ich schon, dass diese Euphorie etwas gebracht hat. Man gemerkt, wie sehr Handball in den Medien gestanden ist. Das war für uns alle überraschend und cool zu sehen.
LAOLA1: War der achte Platz bei der EURO ein Ausreißer nach oben oder nachhaltig?
Hutecek: Es war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange nicht das Ende. Wir können als Team noch mehr erreichen, noch besser sein. Das Turnier hat bei uns ein Umdenken bewirkt, dass wir Große nicht nur ärgern, sondern auch schlagen können. Wir alle haben jetzt einen Anspruch, wissen, wie es sich anfühlt, so erfolgreich zu sein – und wollen das immer.
LAOLA1: Gehört Österreich aktuell wirklich zu Europas Top-8?
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Hutecek: Das ist eine Sache der Tagesform. Irgendwo zwischen 6 und 10 gehören wir hin, wenn wir spielen wie bei der EM. Wie es ohne Mykola Bilyk aussieht, wird sich zeigen.
LAOLA1: Du hast bei der erfolgreichen EURO die Lockerheit im Team als Schlüssel zum Erfolg betont. Habt ihr euch die beibehalten können?
Hutecek: Absolut. Wir sind noch immer 16 Freunde am Feld, die füreinander alles geben. Gemeinsam kämpfen und Spaß am Handball haben. Daran, größere Nationen zu ärgern. Diese Lockerheit wird uns wieder helfen.
LAOLA1: Mit Mykola Bilyk fehlt diesmal der Superstar und oberste Leistungsträger. Wie wollt ihr das kompensieren?
Hutecek: Ersetzen ist schwer. Wir müssen das als Mannschaft auffangen. Es ist auch eine Chance für viele junge Spieler, mehr Minuten und Verantwortung zu bekommen. Da will ich auch meinen Teil dazu beitragen, die Jungs zu führen und es ihnen so leicht wie möglich am Spielfeld zu machen.
LAOLA1: Du warst bei der EURO der Spieler mit den meisten Pässen und absolvierten Kilometern - im gesamten Turnier. Wird es diesmal in Bilyks Abwesenheit stärker in Richtung Vollstrecker gehen?
Hutecek: Klar werden mehr Abschlüsse zu mir kommen, werde ich mehr Aktionen, mehr Verantwortung im Offensivspiel tragen müssen. Aber das ist etwas, worauf ich mich freue. Ich werde weiter im linken Raum spielen. Es war gut, dass wir verschiedene Formationen austesten konnten. Aber natürlich wird es mehr Last für mich bedeuten.
LAOLA1: Du hast dein Teamdebüt kurz vor der Heim-EURO 2020 gegeben, bist von der Zukunftshoffnung zum Leistungsträger aufgestiegen. Wie siehst du deine Entwicklung in diesen fünf Jahren selbst?
"Ob es ein Erfolg war, hängt auch von der Leistung ab, nicht nur von Platzierungen. Ich hätte einfach gerne, dass wir wieder so eine Euphorie auslösen und einige Menschen vom Handball überzeugen, den Leuten in Österreich Freude bereiten können."
Hutecek: Es ist vieles so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Besonders in Lemgo habe ich extrem viel Vertrauen von Trainer und Verein bekommen, das hat mir geholfen, mich als Spieler und Mensch weiterzuentwickeln. Ich bin auch ein wenig stolz darauf, wie sich alles entwickelt hat. Aber der Weg ist noch lange nicht zu Ende, ich habe immer noch einige Schritte vor mir.
LAOLA1: Was sind die wichtigsten Aspekte am Weg vom Talent zum Leistungsträger? Nicht jeder aussichtsreiche Youngster schafft diesen Schritt so gut.
Hutecek: Du brauchst viel Vertrauen in dich und Geduld, da nicht immer alles sofort funktionieren wird. Aber wenn du hart an dir arbeitest, kommen die Leistungen. Disziplin ist wichtig, aber auch, nie den Spaß am Sport zu verlieren. Lust haben, besser zu werden. Lust haben, Handball zu spielen. Und das habe ich noch immer.
LAOLA1: Du hast deinen Vertrag bei Lemgo, einem deutschen Mittelständler, trotz Interesse größerer Vereine bis 2026 verlängert. Warum?
Hutecek: Ich bin in den letzten Jahren wertgeschätzt worden. Das familiäre Umfeld macht mich extrem glücklich. Ich bin ein Spieler, der gern Verantwortung trägt. Ich habe noch andere Ambitionen, aber nicht um jeden Preis. Wenn ich wechseln würde, dann nur zu einem Verein, bei dem Umfeld, Mannschaft und Trainer passen, ich eine Zukunft mit einer großen Rolle sehen würde. Denn der Spaß am Handball ist mir wichtiger geworden.
LAOLA1: Wenn dein Vertrag ausläuft, wirst du 26 sein. Hast du einen Karriere-Fahrplan?
Hutecek: Eigentlich nicht. Den Sport kann man nicht planen. Vielleicht ruft mich in zwei Wochen jemand mit einem Angebot an, das ich einfach nicht ablehnen kann? Ich nehme die Sachen gerne, wie sie kommen. Bereit für einen nächsten Schritt fühlen würde ich mich. Wann das passiert, kann man nicht sagen. Und wenn es gar nicht passiert, bin ich auch in Lemgo super happy. Ich habe hier sehr viel Spaß am Handball, selbst wenn wir nicht um Titel mitspielen.
LAOLA1: Der Karriereschritt von Österreich nach Deutschland ist mittlerweile ein gut erprobter. Was sind die Vorzüge in deinen Augen?
Hutecek: Durch die gleiche Sprache ist es leicht, Fuß zu fassen. Auch der Weg ist nicht der weiteste. Und Deutschland hat zwei Top-Ligen, die für viele ein Sprungbrett sind. Es gibt aber viele Alternativen, wie etwa bei Seppo Frimmel zu sehen, der in die Schweiz zu einem CL-Verein und dann nach Ungarn gegangen ist.
LAOLA1: Was kann Österreich von Deutschland im Bezug auf Nachwuchsausbildung lernen?
Hutecek: Es ist wichtig, dass wir in Österreich mehr gute Trainer für die Kinder bekommen. Dann wird Handball-Österreich weiter wachsen. Wir werden immer ein Ausbildungsland bleiben, weil wir die Mittel, die andere Länder in diesen Sport stecken, nicht haben. Aber ich finde es auch gar nicht schlimm, ein Ausbildungsland zu sein.
LAOLA1: Sprechen wir noch kurz über die anstehende WM. Euer Auftaktgegner wird Kuwait sein, nicht unbedingt eine bekannte Hausnummer.
Hutecek: Dadurch, dass zwei unserer Leute in Kuwait spielen, haben wir schon Infos. Uns erwartet ein unorthodoxer Spielstil, sie agieren nicht so, wie die meisten Teams im europäischen Spitzenhandball.
LAOLA1: Mit Katar folgt ein Ex-Vize-Weltmeister.
Hutecek: Das ist ein großes Fragezeichen. Es ist eine Mannschaft, die brandgefährlich ist, weil sie viele Spieler aus Ex-Jugoslawien haben und man nie genau weiß, mit wem sie kommen. Katar war mal eine Top-Nation, hat in den letzten Jahren vielleicht etwas abgebaut, ist aber brandgefährlich für uns.
LAOLA1: Zum Gruppen-Abschluss wartet mit Frankreich wieder ein Riese. Aber das war ja zuletzt nicht unbedingt schlecht...
Hutecek: Natürlich – wir haben bei der EURO gezeigt, dass wir gegen solche Nationen lange mithalten können. Und wenn dann noch ein paar Bälle mehr reinfliegen, schaut es noch besser aus. Sie sind der klare Favorit, wir rechnen uns keine Punkte aus. Aber natürlich wollen wir die ärgern. Frankreich weiß jetzt auch, dass wir jeden schlagen können, wenn wir einen guten Tag haben. Ich gehe ganz locker in solche Spiele, generell ins Turnier. Ich weiß, dass wir viele Teams schlagen können.
LAOLA1: Mit welchem Ergebnis wäre das Turnier ein Erfolg?
Hutecek: Ich mache mir über sowas wenig Gedanken. Ich schaue mal auf die Gruppenphase, will da weiterkommen. In der Hauptrunde würden wir uns neue Ziele setzen. Ob es ein Erfolg war, hängt auch von der Leistung ab, nicht nur von Platzierungen. Ich hätte einfach gerne, dass wir wieder so eine Euphorie auslösen und einige Menschen vom Handball überzeugen, den Leuten in Österreich Freude bereiten können.