Morddrohungen, Rücktritte, Boykott: Die vergangenen zwölf Monate waren für Noa-Lynn van Leuven eine turbulente Zeit.
Bei der Darts-WM in London wird die 28-jährige Niederländerin nun im ganz großen Fokus stehen. Als erste Transfrau überhaupt tritt van Leuven auf der größten Darts-Bühne der Welt im Alexandra Palace von London an.
Bevor sie am Dienstag gegen ihren Landsmann Kevin Doets spielt, gingen dutzende Interviewanfragen bei ihr ein. Van Leuven macht kein Geheimnis aus ihrer Geschichte und ihrem in höchstem Maße aufgeladenen Jahr 2024.
"Beobachtet mich vielleicht jemand?"
Offen erzählt sie von Nachrichten, die sie in den vergangenen Monaten bekam.
"Jemand schrieb mir: Wenn du meinem Mädchen auf die Damentoilette folgst, werde ich dich umbringen. Solche Nachrichten führen dazu, dass ich mich neulich am Flughafen gefragt habe: Okay, beobachtet mich vielleicht jemand? Könnte genau diese Person irgendwo in der Nähe sein? Das ist schrecklich", sagte van Leuven im Sport1-Podcast "Checkout".
Der Grund für die Drohungen? Van Leuven, als Mann geboren, ist nach abgeschlossener Transition auf der Women's Series aktiv und hat auf diesem Weg auch ihr WM-Ticket gelöst. Die Reise nach London war gepflastert von Eklats, Widerständen und jeder Menge Kritik. Andere Spielerinnen fühlten sich durchs van Leuvens Teilnahme um ihre Ally-Pally-Chance gebracht.
Deta Hedman, selbst ehemalige WM-Starterin, trat zu einem Spiel gegen van Leuven nicht an und begründete dies später via X: "Dieses Thema sorgt für viel Angst in dem Sport, den ich liebe. Die Menschen können im Leben sein, wer immer sie wollen, aber ich denke nicht, dass biologisch geborene Männer im Frauensport antreten sollten."
Immer mehr Hass im Netz
Van Leuvens Start ist den Richtlinien der PDC entsprechend in Ordnung, nachdem ihre Transition bereits 2022 abgeschlossen war.
Doch Hedman war nicht die einzige Athletin, die sich an van Leuven in der Frauenklasse störte. So waren Anca Zijlstra und Aileen de Graaf aus Protest aus der niederländischen Nationalmannschaft zurückgetreten.
Der Hass im Netz wuchs, immer mehr Ärger führte zu schweren persönlichen Beleidigungen gegen die Niederländerin. "Ich respektiere ihre Haltung, nicht mit einer Transfrau in einem Team spielen zu wollen. Aber das Thema wurde so riesengroß, die Medien haben es noch größer gemacht", sagte van Leuven über Zijlstra und de Graaf. Sehr groß wird nun auch ihr WM-Auftakt gegen Landsmann Doets.
Verbandsboss will van Leuven schützen
Die 28-Jährige selbst spricht zwar offen über ihre Persönlichkeit, ihre Jugend und auch ihre Gefühle vor und während der Transition. Mit Angriffen oder verbalen Retourkutschen hält sie sich aber zurück. Das übernimmt dafür Matt Porter, Geschäftsführer der PDC. Als van Leuven immer stärker dem öffentlichen Hass ausgesetzt war, sagte er: "Der Abschaum, der Noa-Lynn entgegengeschleudert wurde, ist völlig inakzeptabel."
Porter sieht es als Aufgabe seines Verbandes, dafür zu sorgen, "dass es ihr psychisch gut geht". Auch ein Großteil ihrer männlichen Kollegen stützt van Leuven. Besonders von Ex-Weltmeister Michael van Gerwen bekam sie viel Zuspruch.
Im Vergleich zur Corona-Zeit scheint die PDC diesmal die Krisenkommunikation besser zu beherrschen. Für den Verband ist van Leuven aber - abseits von all dem gegen sie gerichteten Hass - auch ein Glücksfall.
Die erste Transfrau bei der WM ist eine weitere Geschichte, die dem boomenden Event in der sonst sportarmen WM-Zeit zusätzliche Aufmerksamkeit garantiert. Ähnlich wie das Debüt des damals 16-jährigen Teenagers Luke Littler im Vorjahr oder der erste Sieg einer Frau von Fallon Sherrock im Dezember 2019.
Diesmal könnte es für die PDC mehrere große Aufmerksamkeitsschübe geben: Besiegt van Leuven ihren Gegner Doets, wäre sie nicht nur die erste siegreiche Transfrau, sondern würde in WM-Runde zwei auf Ex-Weltmeister Michael Smith aus England treffen. Auch ein Zweitrundenduell zwischen Littler und Sherrock ist möglich.
Die Ansetzung bis Weihnachten hat die PDC bereits veröffentlicht: Beide Partien würden zur Primetime am Abend ausgetragen.