Diese Zeilen würde es nicht geben, wenn Philip Douglas Taylor beim Bodybuilding geblieben wäre.
Eine ganze Sportart würde heutzutage wohl ganz anders dastehen, hätte Ex-Ehefrau Yvonne ihrem "Phil" damals an dessen Geburtstag nicht jenen Satz Dartspfeile geschenkt, der sein und das Leben vieler anderer veränderte.
Heute, 28 Jahre nach seinem ersten WM-Titel, ist Phil "The Power" Taylor der GOAT (Greatest of all times) des Darts-Sports. Doch im Ally Pally fliegen seine Pfeile zum letzten Mal.
Der Pionier der "One-Hundred-and-Eighty"-Jäger
Wenn der bullige Engländer aus Stoke-on-Trent bei der WM 2018 am Freitag gegen seinen Landsmann Chris Dobey zur Aufnahme ansetzt, will die Ikone seine Anhängerschaft ein letztes Mal ins "Taylor Wonderland" entführen. Damit beginnt für ihn der Abschied von der großen Show-Bühne.
Eine Bühne, die der einfache Fabrik-Arbeiter Taylor selbst aufgebaut hat, die er selbst so groß werden ließ. Nicht umsonst gilt der vierfache Familienvater als Pionier jener Spieler, die heutzutage der "180" nachjagen und Millionen an Preisgeld einsacken.
Suljovic' Idol traut sich 17. WM-Titel zu
Auch Österreichs Aushängeschild Mensur Suljovic gehört zu seinen Bewunderern, wie er LAOLA1 verrät: "Er ist mein Idol, das muss ich ehrlich sagen. Ich hoffe, dass er die Weltmeisterschaft gewinnt und jedem zeigt, dass man auch mit seinem Alter Weltmeister werden kann. Er muss sich aber nicht mehr beweisen, er hat alles gewonnen, was man gewinnen kann. Für ihn wäre es schön - und für mich auch -, wenn er die WM gewinnen würde und dann in den Ruhestand geht."
Der 16-fache Weltmeister war Aushängeschild und Förderer in Personalunion, seine Rekorde werden noch lange Zeit - wenn nicht sogar in alle Ewigkeit - Bestand haben. Und sogar der krönende Abschluss dieser eindrucksvollen Karriere ist nicht ganz ausgeschlossen: Der 17. WM-Titel im Alexandra Palace von London!
Auch wenn Taylor diesmal als Außenseiter an den Start geht, in dieser Saison nur mehr ausgewählte Turniere in Angriff nahm und in der Order of Merit, der Darts-Preisgeld-Weltrangliste, nur mehr auf dem sechsten Platz rangiert - einen Platz hinter Suljovic.
"Ich kann die großen Turniere noch immer gewinnen, auch die WM", ist der 57-Jährige dennoch selbstbewusst, aber hält fest: "Ich habe keinen Druck. Ich bin relaxed und werde es genießen."
16-facher-Weltmeister: Von der Kneipe zur Rekordjagd
Die Pfeile, die für ihn später die Welt bedeuteten, warf Taylor schon als Kind gerne, zum Spaß. Aber bis zum Alter von 26 Jahren war Bodybuilding seine Leidenschaft. Bis er endgültig mit dem Darts-Fieber infiziert wurde. In einer typisch englischen Kneipe nimmt sich damals Besitzer Eric Bristow dem späteren Vorzeige-Sportler an.
Wenige Jahre später stehen sich die beiden in Taylors erstem WM-Finale 1990 gegenüber - und der krasse Außenseiter besiegt seinen jahrelangen Förderer. Es sollte noch ein zweiter WM-Titel der BDO (British Darts Organisation) folgen, ehe sich viele Spitzenspieler abspalteten und die Professional Darts Corporation (PDC) ins Leben riefen - Taylor war bei dieser Idee federführend, aber nicht der erste Weltmeister.
Diese Auszeichnung sicherte sich Dennis Priestley, der die heutige Ikone im Finale mit 6:1 abfertigte. Doch ab 1995 wurde endgültig Geschichte geschrieben: Taylor krönt sich acht Mal in Folge zum Weltmeister, steht 14 Mal in Folge bis einschließlich 2007 im Finale und erringt 2013 seinen bisher letzten WM-Titel. Insgesamt wandern 14 Titel der PDC und 2 der BDO auf sein Konto.
Und die Bücher sind noch nicht zu Ende geschrieben, denn noch sind bei seinem allerletzten Turnier weitere Rekorde und Serien möglich. Eben auch sein insgesamt 17. ganz großer Triumph.
"The Power" des Dartssports ist nicht zu stoppen
Zudem macht er durch seine Erfolge, das wachsende Interesse, die erhöhten Preisgelder und das professionell werdende Umfeld den Darts-Sport salonfähig und verbessert nach und nach den Ruf des als "Wirtshaussport" verschrieenen Pfeile-Werfens.
Mittlerweile werden riesige Hallen mit tausenden fanatischen Fans gefüllt, welche die Spielorte mit originellen Kostümen in eine unvergleichliche Party-Meile verwandeln. Die TV-Stationen reißen sich um die Übertragungsrechte, Tausende sitzen nicht nur bei der WM zur Weihnachtszeit vor den Fernsehern.
Darts boomt, der Verdienst der Ära von Phil Taylor. Als der Engländer erstmals im Finale stand bekam Dennis Priestley einen Siegerscheck von 16.000 englischen Pfund überreicht, mittlerweile warten 400.000 auf den Gewinner im altehrwürdigen Alexandra Palace.
Für den 83-fachen Major-Sieger bietet sich noch einmal die Möglichkeit, seine Karriere hochleben zu lassen. Seine WM-Bestmarken: Höchster Average im WM-Finale der PDC mit 110,94, höchster Average im BDO-Finale mit 97,59 und 44 Spiele in Folge unbesiegt.
Dazu gesellen sich die meisten 9-Darter (11) in TV-Spielen, mehrere 9-Darter in einem Spiel und der höchste Turnier-Average (111,61).
Keine Liebesbeziehung zu seinen Pfeilen
Taylor und seine Pfeile - ein unschlagbares Team. Aber nur an der Scheibe, ansonsten hatte der langjährige Dominator keine besondere Bindung zu seinem Arbeitswerkzeug aufgebaut.
"Die Darts sind für mich Mittel zum Zweck des sportlichen Erfolgs, mehr nicht. Ich hänge nicht an ihnen, ich nehme sie auch nicht mit ins Bett. Ich gebe ihnen keine Namen. Ich brauche eine Distanz zu ihnen, damit ich ganz nüchtern mit ihnen arbeiten kann und im Zweifel auch Verbesserungen vornehmen kann", verriet der Altmeister vor ein paar Jahren.
Für seine Präzision setzte er sogar auf einen Ballistiker, der sich um seine Wurf-Utensilien kümmerte, sie berechnete und veränderte. Nur damit die drei Pfeile pro Aufnahme noch öfters in der Triple-20 landen. Deshalb verwendete er durchaus auch unterschiedlich schwere und große Pfeile, damit die kleineren etwa als dritter Pfeil weniger Platz im Board brauchen.
Seine Marken-Dartpfeile können auch Hobbyspieler erwerben. Seine Pfeile verschenkt er für den guten Zweck, zudem dürfen sich Abnehmer auch über signierte Dart-Boards freuen - ein Ritual des scheidenden Vorzeige-Dart-Spielers.
Erzrivale van Barneveld und fehlender Respekt der neuen Generation
Taylor hat viele legendäre Schlachten geschlagen, zum erbittertsten Widersacher wurde über die Jahre jedoch Raymond van Barneveld, der ihm auch im Vorjahr mit einem Sieg im Viertelfinale die Chance auf den Titel raubte und demütigte, indem Barney ihn auf seinem Siegerboard unterschreiben ließ.
Die Beiden konnten sich nie wirklich leiden, der Respekte war jedoch meist gegeben. Auch die Nummer 1 der Welt Michael van Gerwen erntete von Taylor oft böse Blicke und heftige Kritik. Deshalb meint Taylor auch gegenüber Sport1-Kultkommentator Elmar Paulke: "Das Spiel an sich hat sich verändert. Ich habe 1990 angefangen, damals hat eine ganz andere Generation gespielt. Heute sind die Youngsters anders als meine Generation damals. Sie haben einfach keinen Respekt mehr. Das ist nichts mehr für mich."
Deshalb wählt "The Power" den freiwilligen Abgang. Niemand zwingt ihn, doch der Aufwand ist ihm mittlerweile zu viel. Diese Erkenntnis kam ihm nach einem Gespräch mit seinem guten Freund Peter Williams, Vater von Robbie Williams. "Nein, für mich ist jetzt Schluss. Ich möchte dieses Leben nicht mehr. Ich möchte nach vorne schauen und andere Dinge tun. Ich möchte jetzt einfach Zeit mit den Leuten verbringen, die mich mein ganzes Leben unterstützt haben. Es ist schön, jetzt nach vorne zu blicken. Jetzt dürfen die Youngsters ran!"
Das Ende des "Taylor Wonderlands"
Wie er betont, widmete er dem Darts sein Leben. Seine heutigen Konkurrenten und die folgenden Generationen werden es ihm auf ewig danken.
Damit die Textzeile "I've got the Power" von Snaps Welthit aber noch beim Einzug des Urgesteins bis zum WM-Finale ertönt, wird Taylor alles geben, das liegt in seiner Natur.
Was man laut seiner eigenen Aussage auf einen Weltmeister Taylor setzten sollte? "Jeden Penny." Danach wird ein Schlussstrich gezogen. Spekuliert wird mit einem möglichen Einzug ins englische Dschungelcamp im Frühjahr - definitiv aber ohne Pfeile.
Phil "The Power" Taylor, der GOAT (Greatest of all times) des Darts-Sports, geht in den Ruhestand und mit ihm das ganze "Taylor Wonderland". Seine Verdienste für den Sport werden aber nie in Vergessenheit geraten.