Seit Peter Seisenbacher am 19. Dezember nicht zum Prozess-Auftakt gegen ihn erschienen ist, herrscht Rätselraten, wo der zweifache Judo-Olympiasieger steckt.
Sein Anwalt Bernhard Lehofer wies Spekulationen über einen Suizid entschieden zurück, konnte sich das Fernbleiben des 56-Jährigen aber ebenso wenig erklären.
Es gilt als wahrscheinlich, dass Seisenbacher, dem im Schuldfall wegen des sexuellen Missbrauchs zweier minderjähriger Mädchen bis zehn Jahre Haft drohen, untergetaucht ist.
Sollte dem so sein, fragt sich freilich wo?
Im September 2015 war er zum Judo-Nationaltrainers Aserbaidschans bestellt worden. Wie LAOLA1 nun aus mehreren Quellen rund um das aserbaidschanische Team erfuhr, war sein Vertrag nur bis zu den Sommerspielen in Rio – bei denen er vorort war – befristet. Dies widerspricht der Annahme der Justiz, die von einem nach wie vor aufrechten Dienstverhältnis ausgegangen war. Eine diesbezügliche Anfrage beim aserbaidschanischen Verband verlief zunächst ergebnislos.
Trainer-Verträge bis zu Olympischen Spielen in Sommersportarten sind jedenfalls durchaus Usus.
Wohl gar nicht mehr in Baku
Untermauert wird die Trennung durch die Anmeldungen für das bevorstehende Trainingslager im salzburgischen Mittersill, wo von 9. bis 17. Jänner eines der hochwertigsten Vorbereitungs-Camps Europas stattfindet.
Für dieses hat auch Aserbaidschans Nationalteam genannt, laut LAOLA1-Informationen allerdings nicht mit Seisenbacher, sondern mit anderen Trainern.
Nicht zuletzt wegen des bestehenden Auslieferungsabkommens zwischen Österreich und Aserbaidschan liegt der Schluss nahe, dass sich Seisenbacher gar nicht mehr im Staat am Kaspischen Meer befindet.
Abenteuerliches aus dem arabischen Raum
Für weitere Hinweise auf einen möglichen Aufenthaltsort drängt sich seine Vita der jüngeren Vergangenheit auf, doch gerade diese ist nur schwer rekonstruierbar.
Hört man sich um, ist übereinstimmend von Aufenthalten im arabischen Raum die Rede. Diese sollen sich vorwiegend zwischen seinen beiden Amtszeiten als Aserbaidschans Teamchef – die erste von Oktober 2012 bis 2013, die zweite von September 2015 bis Olympia in Rio – abgespielt haben. In Dubai soll er gar den Status eines permanenten Einwohners erlangt haben.
Bei der Frage nach der Art der Geschäfte, die der gelernte Goldschmied von dort aus abgewickelt haben soll, wird es jedoch abenteuerlich. Von Diamantenschürf-Rechten in Südafrika und Madagaskar sowie von Glückspiellizenzen ist dann die Rede. Womöglich alles nur Spekulation oder „stille Post“.
Bevor LAOLA1 im Juni 2014 als erstes Medium über die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn berichtete, konfrontierten wir Seisenbacher auch mit der Frage, was er momentan beruflich mache. Seine Antwort fiel mit „Ich mache halt Geschäfte“ damals recht vage aus.
Wer liefert aus? Wer nicht?
Gemäß einer Auskunft des Justizministeriums besteht neben Aserbaidschan auch mit Georgien, wo Seisenbacher von 2010 bis Olympia 2012 Nationaltrainer war, und Südafrika ein Auslieferungsabkommen.
Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Madagaskar indes nicht. „Eine Auslieferung könnte über den Grundsatz der Gegenseitigkeit dennoch versucht werden“, erklärt eine Ministeriums-Sprecherin.
Ein internationaler Haftbefehl wurde gegen den Österreicher noch nicht ausgesprochen, erklärt das Landesgericht für Strafsachen Wien auf Anfrage. Der zuständige Richter versuche derzeit den - nach Letztstand nach wie vor unbekannten - Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Im Erfolgsfall würde man Seisenbacher dann "herbewegen. Das kann unter Anwendung von Zwangsmitteln erfolgen oder ohne, falls das möglich ist."
Im Falle eines tatsächlichen Untertauchens würden die zuvor genannten Länder jedoch gerade einmal die jüngste Vergangenheit Seisenbachers, für den die Unschuldsvermutung gilt, abdecken. Der ehemalige Judo-Held hat sich im Laufe der Jahrzehnte aber ein recht großes Netzwerk aufgebaut, welches sich von Japan, der Wiege seines Erfolgs, bis nach San Francisco, wo seine beiden erwachsenen Kinder leben, erstreckt.
Reinhold Pühringer