Österreichs Leichtathletik ist im Aufschwung: Der ÖLV schickte das größte Team seit 70 Jahren zur Europameisterschaft nach Rom.
Ein wichtiger Name wird allerdings noch fehlen: Ivona Dadic.
Österreichs Sportlerin des Jahres hat eine lange Leidenszeit hinter sich und stieg erst Anfang 2024 nach fast eineinhalb Jahren Pause wieder ins Wettkampfgeschehen ein.
Die EM-Qualifikation ging sich nicht aus. Das vorrangige Ziel ist aber sowieso Paris - das Olympia-Ticket hat sie jedoch noch nicht in der Tasche.
Eine Teilnahme wäre nicht nur deswegen keine Selbstverständlichkeit. "Wahrscheinlich war es die schwierigste Zeit in meiner Karriere, in der ich selbst nicht mehr gewusst habe, ob sich das noch ausgeht", meint Dadic bei LAOLA1 über ihre Auszeit.
"Wenn das noch in mir brennt..."
Ende 2022 sollte ein Meniskus-Eingriff chronische Knieprobleme beheben. Nicht die erste Operation dieser Art. Der Weg zurück wurde aber länger, das ganze vergangene Jahr schließlich zur Wettkampfpause.
"Der Eingriff war doch etwas größer als gedacht. Danach hieß es: Sechs Wochen auf Krücken. Irgendwann habe ich gesehen, wie viel mir fehlt, um wieder dorthin zu kommen, wo ich hin muss", war den eigenen Ambitionen plötzlich ein Riegel vorgeschoben.
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"Denn mein Anspruch war immer, dass ich zu 100 Prozent zurückkommen möchte. Und zu diesem Zeitpunkt, ein paar Monate zurück, hat es sich so angefühlt, als wäre dieser Weg fast nicht mehr machbar. Mental und durch die Fitness, die die fehlte", sah sich Österreichs Sportlerin des Jahres 2020 an einem schwierigen Punkt.
Aber den konnte Dadic hinter sich lassen: "Nachts im Bett hatte ich das Gefühl, dass da noch kommt, was ich noch nicht gemacht habe. Und es klingt vielleicht blöd, aber ich war auch irgendwie eifersüchtig auf die anderen, die trainieren konnten. Da wusste ich: Wenn das in mir brennt und mir keine Ruhe lässt, ist es das noch nicht gewesen."
Götzis als positive Standortbestimmung
Aber das "mentale Comeback" war nur die eine Seite. Voll ins Training zurückkehren konnte Dadic erst im November. "Und das ist eben relativ spät gewesen, weil die Hallensaison für mich schon im Jänner losgegangen ist."
Umso ambitionierter wurde das Ziel Olympia. Aber in Sachen Leistung ist die 30-Jährige auf einem guten Weg. Das untermauerte sie etwa mit einem zweiten Rang beim Meeting in Götzis, das zugleich als Staatsmeisterschaft fungierte. Nur 81 Punkte fehlten auf Verena Mayr.
Da die Dichte im österreichischen Aufgebot gut ist, lässt sich dieses Ergebnis als positive Standortbestimmung verbuchen: "Ich komme aus einer Verletzung, die anderen waren relativ fit und Verena hat einen guten Wettkampf gemacht. Dafür ist der Abstand okay. Ich brauche einfach nur so weiterzumachen."
Vor allem am zweiten Wettkampftag wäre aus Dadics Sicht noch eine deutliche Steigerung möglich gewesen: "Dann bin ich über 6.300 Punkten, was schon richtig gut wäre."
Das direkte Olympia-Limit liegt übrigens bei 6.480 Punkten. Nicht unmöglich, aber ambitioniert. Die wahrscheinlichere Variante ist aber eine Qualifikation über die Weltrangliste, mit der die 24 Startplätze unter jenen aufgeteilt werden, die dieses Limit nicht knacken konnten.
Der Wettkampf, auf den es ankommen wird
"Wie lange meine Karriere noch geht, wird man sehen. Aber es wird vielleicht die eine oder andere Medaille hoffentlich recht bald noch einmal fallen. Und ich glaube auch, dass eine persönliche Bestleistung nicht unmöglich ist."
Der Status quo ist also zufriedenstellend. Die Qualifikation für die Europameisterschaft hat aber nicht funktioniert: "Der ursprüngliche Plan wäre gewesen, mich mit zwei guten Freiluft-Wettkämpfen zu qualifizieren. Beim Bewerb in Brescia waren aber die Wetterbedingungen überhaupt nicht optimal, daher haben wir den nicht fertig gemacht, damit ich keine Zeit für Götzis verliere."
Dort wäre mit einem besseren zweiten Tag auch das EM-Direktlimit drin gewesen: "War dann halt nicht so. Es war halt dann doch noch recht früh in der Saison."
Die Wettkämpfe in Rom nun im Fernseher verfolgen zu müssen, sei "ein bisschen bitter", aber: "Es ist für mich trotzdem das Jahr nach meiner Verletzung. Aber vielleicht ist die EM in Hinblick auf Olympia gar nicht die beste Lösung. Jetzt tritt Plan B in Kraft."
Der lautet: Sich über das Meeting in Ratingen (22./23. Juni) zu qualifizieren. Das wird der Knackpunkt für eine Olympia-Qualifikation.
Dabeisein wäre nicht genug
Dadic ist zuversichtlich.
"Zusammen mit dem Götzis-Ergebnis sollte ich dann im Ranking so weit vorne stehen, dass ich mich qualifiziere. Natürlich ist das alles leichter gesagt, weil die Wetterbedingungen und die Tagesverfassung wichtig sind. Wenn man von einem Wettkampf abhängig ist, muss viel zusammenpassen."
Zuvor gibt es noch Vorbereitungs-Wettkämpfe in Schweden, ihrer neuen zweiten Heimat, wo sie zusammen mit Bianca Salming unter Vlado Petrovic alle Disziplinen an einem Ort trainieren kann. In Österreich musste sie pendeln, daher gab es in diesem Umbruch-Jahr 2023 auch die Entscheidung zum Umzug.
Auch, wenn bis zur fixen Qualifikation das "Dabeisein" im Vordergrund steht: Sollte die Olympia-Qualifikation gelingen, wird das olympische Motto trotzdem zu wenig für den rot-weiß-roten Leichtathletik-Star sein: "Dabeisein war für mich noch nie genug."
Nach Ratingen wären noch sechs Wochen Vorbereitungszeit auf Paris. Der Siebenkampf ist einer der letzten Bewerbe. "Da könnte ich mein Training noch einmal ausbauen und würde mir zutrauen, eine richtig gute Punkteleistung abzuliefern. Der Anspruch wäre auf jeden Fall eine Top-Platzierung."
In Tokio vor drei Jahren war es im Endeffekt der achte Platz.
Kommt die Bestleistung erst noch?
So oder so: Die Zwangspause hat Dadics Hunger auf Mehr nur größer gemacht. Das Beste soll noch kommen.
"Weil ich gesehen habe, wie wenig es im Endeffekt braucht, damit ich wieder richtig schnell laufen kann. Und es war bei mir immer so: Wenn ich fit bin und die Sprintleistungen passen, bastle ich mir alles andere auch noch zusammen."
Damit traut sie sich auch anzukündigen: "Wie lange meine Karriere noch geht, wird man sehen. Aber es wird vielleicht die eine oder andere Medaille hoffentlich recht bald noch einmal fallen. Und ich glaube auch, dass eine persönliche Bestleistung nicht unmöglich ist."
In Rom müssen für die Medaillen eben andere sorgen.