Die Frauen-Entscheidung beim 42. Vienna City Marathon (VCM) könnte an diesem Sonntag mehr Spannung bieten als jene der Männer.
Einerseits gibt es Athletinnen mit Bestzeiten unter dem zwei Jahre alten Streckenrekord von 2:20:59 Stunden, andererseits werden diese und andere ausländische Elite-Läuferinnen von einer mit Strahlkraft versehenen Lokalmatadorin herausgefordert. Denn Julia Mayer geht bei ihrem zweiten Wien-Abenteuer über 42,195 km klar auf eine Topplatzierung los.
Gleich bei ihrem Marathon-Debüt vor einem Jahr auf Wiens Straßen hatte die Ex-Fußballerin für Schlagzeilen gesorgt, als sie den österreichischen Rekord in einem Herzschlagfinale um eine Sekunde auf 2:30:42 Stunden verbesserte.
"Das gibt mir Selbstvertrauen"
Am 3. Dezember ließ sie in Valencia einen rot-weiß-roten Quantensprung folgen, die nationale Bestmarke steht seither bei 2:26:43. In diese zeitlichen Sphären würde die 31-Jährige auch diesmal gerne wieder kommen, bei wohl für den Langstreckenlauf sehr guten Außentemperaturen im einstelligen Bereich könnte der Wind zum Spielverderber werden.
Im Kampf um die Platzierungen macht das freilich keinen Unterschied, Mayer fühlt sich für solche Bedingungen sogar ganz gut gerüstet. "Mitte März bin ich in Wien bei ähnlichen Bedingungen gelaufen, das gibt mir Selbstvertrauen", sagte die 31-Jährige am Donnerstag in einem Wiener Hotel bei einer VCM-Pressekonferenz.
Eine Läuferinnen-Gruppe sollte in ihrem Bestzeit-Bereich angehen, zudem wird Mayer mit Stephan Listabarth und dem Deutschen Simon Stützel zwei erfahrene, für sie abgestellte Pacemaker um sich haben.
"Werden es da etwas streckenspezifischer angehen"
Am Samstag wird mit Trainer Vincent Vermeulen entschieden, ob sich Mayer dem Tempo der internationalen Gruppe anschließen oder es mit ihren Tempomachern etwas defensiver anlegen werde.
"Wir werden es da etwas streckenspezifischer angehen", erläuterte die ÖLV-Rekordhalterin auch über 5 und 10 km sowie im Halbmarathon. Denn während die Strecke bis Kilometer neun eher flach verläuft, geht es danach bis Kilometer 18 leicht steigend bergauf. Mayer: "Wir werden das Tempo an die Steigung anpassen, damit ich für die zweite Hälfte genug Körner habe."
Das sei eine Erkenntnis aus der Analyse ihres Vorjahres-Rennens. "Da sind wir auf gewisse, irrsinnig interessante Sachen draufgekommen."
"Pacing" auch für Olympia wichtig
Eine stärkere Ausrichtung auf das "Pacing", also das Anpassen des Tempos an die Streckengebenheiten, sei für sie auch wegen der Charakteristik des Olympia-Marathons wichtig. "Wir werden das dort auch brauchen", verdeutlichte Mayer. Den Kurs in Frankreichs Hauptstadt hat sie vor zwei Wochen - nach ihrer dortigen Verbesserung ihres ÖLV-Rekordes im 10-km-Straßenlauf auf 32:28 Min. - in Augenschein genommen.
"Das wird so spannend und da muss man sich einen richtigen Plan machen. Wir versuchen das Ganze jetzt schon und schauen, ob das aufgeht", ließ die Niederösterreicherin wissen. Deswegen trage sie eine Menge an Sensoren an sich, um mit den darüber gespeicherten Werten gut für Olympia analysieren zu können.
"Am Sonntag werden wir schauen, ob das aufgeht, wenn wir Steigungen minimal langsam anlaufen, dafür aber für flache oder Bergab-Passagen noch genug Energie haben." 420 Höhenmeter biete die Pariser Olympia-Strecke, "nur" 115 sind es in Wien.
Mayer will beste Europäerin werden
Ein Marathon-Ziel Mayers ist es, beste Europäerin zu werden - am besten schon bei den Sommerspielen. Auch diesen Sonntag könnte ihr das gelingen. "Ich möchte als Lokalmatadorin zeigen, was ich drauf habe."
Mayers Hauptrivalinnen sind freilich außereuropäisch bzw. kommen aus Afrika - etwa Nazret Weldu. Sie ist zumindest von der Bestzeit her wohl noch eine Nummer zu groß für Mayer. Die 34-Jährige wurde im WM-Marathon 2022 von Eugene in 2:20:29 Minuten Vierte.
Im Vorjahr bei der Budapest-WM zeigte die nationale Rekordhalterin aus Eritrea als Achte auf.
"Das hier ist meine Chance"
Ihre damalige, hitzebedingt schwächere Zeit von 2:27:23 Std. war für das Olympia-Limit aber zu langsam, das steht auf 2:26:50 und soll nun in Wien fallen. "Das hier ist meine Chance", sagte Weldu.
Sie trainiere nicht in der Heimat, sondern in Addis Abeba, da es in Äthiopien ein besseres Trainingsumfeld gebe. Laufen bei kühlerem Wetter behage ihr ebenso wie Rebecca Tanui. Die Kenianerin wurde im Vorjahr VCM-Vierte, obwohl sie zwei Wochen davor in der Heimat von einem Motorrad von hinten angefahren und verletzt worden war. Tanuis Bestzeit steht bei 2:23:09.