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Zusammen zum großen Wurf? Was Hudson von Weißhaidinger lernt

Speer und Diskus: Manches eint, vieles trennt. Das Duo geht die Olympia-Saison aber mit einem Trainer an - Gregor Högler. Wie man voneinander profitiert.

Zusammen zum großen Wurf? Was Hudson von Weißhaidinger lernt Foto: © GEPA

Man nehme ein Ding und werfe es möglichst weit.

Damit enden die Gemeinsamkeiten von Speer- und Diskuswurf schon zum großen Teil. Trotzdem bilden Österreichs Parade-Athleten beider Disziplinen seit fast eineinhalb Jahren zumindest eine Art Team.

Denn Victoria Hudson und Lukas Weißhaidinger arbeiten seit Anfang 2023 mit dem gleichen Trainer: Gregor Högler.

Der ehemalige Speerwerfer, in Doppelfunktion auch als ÖLV-Sportdirektor tätig, hievte seinen Diskus-Schützling bereits in die Weltspitze und zu WM- sowie Olympia-Bronze. Nun soll das gleiche Kunststück mit Hudson in seiner Ursprungsdisziplin gelingen.

Dass das erste gemeinsame Großereignis im vergangenen Sommer mit dem fünften Platz bei der Weltmeisterschaft endete, war ein Statement, dass auch die 27-Jährige in die Wurfweite der Allerbesten gelangt ist.

Eine Sphäre, die in der Olympia-Saison auch von schimmernden Accessoires träumen lässt. Die der Trainingskollege schon daheim liegen hat.

Da soll Hudson direkt lernen: Etwa, wie mit der Erwartungshaltung am Tag X gut umgegangen wird.

Technisch enden die Gemeinsamkeiten schnell

Aber wo liegen jetzt Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Wo können Parallelen genutzt werden?

"Ähnlich ist die Flugparabel und der Hüfteinsatz", fasst Högler für LAOLA1 zusammen. "Die Grundlage wird gemeinsam gelegt. Beide Athleten müssen körperlich stark sein. Ansonsten sind die Synergien ganz selten - ich habe es eigentlich noch nie gesehen, dass jemand Diskus und Speer gleichzeitig trainiert."

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Also ist klar: Im technischen Bereich gibt es getrennte Einheiten. Im Athletik-Bereich wird sich aber gegenseitig gepusht.

"Speer und Diskus kann man nicht gemeinsam trainieren. Jeder braucht seine eigenen Einheiten, seine eigene Aufmerksamkeit von Gregor. Aber etwa im Trainingslager (auf Teneriffa, Anm.) haben wir gemeinsames Krafttraining gemacht. Das funktioniert gut gemeinsam, da kann man sich auch gegenseitig pushen - das ist eine Win-Win-Situation", war für Weißhaidinger auch wichtig, dass sich gegenüber seiner bisherigen Routine nicht zu viel ändert.

Auch Hudson relativiert die Überschneidungen im Alltag, aber betont: "Ich kenne den Luki schon seit Jahren. Dadurch gibt es immer Kontaktpunkte. Auch wenn wir uns vielleicht nicht immer zusammen im Training matchen, ist trotzdem immer so ein Teamgefüge da."

...in Sachen Mindset aber nicht

"Gemeinsam" ist also relativ? Nicht nur. Denn für Hudson geht es um einen nächsten Schritt, den ihr Weißhaidinger voraus hat. Bei einem Großereignis nach einer Medaille greifen zu können.

Und da gibt es sehr wohl wieder Überschneidungen, die zusammen bearbeitet werden können. Einen millimetergenau einstudierten Bewegungsablauf unter Druck im richtigen Moment abzurufen: Da hat Weißhaidinger Erfahrungen in Größenordnungen, die sich in anderen Dimensionen bewegen.

Eben jenen eines Olympiamedaillen-Gewinners.

"Dass ich mich mit den Medaillen in so eine Rolle gebracht habe, finde ich richtig cool. Die Tür ist offen, wenn sie Fragen hat. Zuletzt etwa, wie ich mit Jetlag umgehen würde."

Lukas Weißhaidinger

"Dass Luki und Gregor schon Medaillen gemacht haben, bevor ich dazugekommen bin und Sachen erreicht, von denen ich den ganzen Tag rede - sie haben gezeigt, dass es möglich ist. Deswegen ist das Umfeld prädestiniert", hofft Hudson.

Es habe ihr Vertrauen in das System gegeben. Eine gute Grundlage. "Aber nur, weil Luki in diesem System Medaillen gemacht hat, heißt das noch nicht, dass jeder andere Athlet dasselbe kann. Es gehören beide Teile gleichermaßen dazu. Aber ich glaube an mich, dass ich das Zeug dazu habe."

Ein Vorbild im Umgang mit dem Druck

Högler ist da aber guter Dinge: "Ich habe den Eindruck, dass sie von Luki viel lernt. Wichtig ist, dass man den Respekt vor dem Gewinnen und den Medaillen verliert. Sich selbst mehr zutraut. Wir dürfen selbstbewusst sein. Das lernen wir jeden Tag."

Und das färbt durchaus ab, so Hudson: "Wir reden über sowas natürlich anders, als wenn ich niemanden an meiner Seite hätte, der so etwas schon einmal erlebt hat und weiß, wie man mit Erwartungsdruck umgeht. Es sind diese ständigen kleinen Erinnerungen, kurze Worte, ein bisschen Ruhe. Damit ich konstant am Boden bleibe."

Vicky und die (ebenso) starken Männer: Högler und Weißhaidinger
Foto: © GEPA

Denn der fünfte WM-Platz hat eigene wie fremde Ansprüche an die nächsten Programmpunkte - Europameisterschaft und Olympia - dementsprechend in die Höhe geschraubt.

Aber den Blick zu diesen Zielen braucht es gar nicht, um den Mehrwert der Zusammenarbeit zu spüren: "Ich profitiere auch enorm von Luki, wenn es an einem Tag vom Gefühl für das Werfen nicht so passt. Da kann er mir von seiner Erfahrung viel mitgeben. Wir fragen einander nie, wie das Krafttraining war - sondern am häufigsten, wie das Werfen war."

Und Weißhaidinger nimmt seine Rolle als Vorbild gerne an: "Dass ich mich mit den Medaillen in so eine Rolle gebracht habe, finde ich richtig cool. Die Tür ist offen, wenn sie Fragen hat. Zuletzt etwa, wie ich mit Jetlag umgehen würde. Und auf der anderen Seite versuche ich auch, mir ein, zwei Sachen abzuschauen."

Zwischen Ansporn und Realismus

Dass er nun zwei Athleten zu betreuen hat, die mit dem Druck der Erwartungshaltung um eine mögliche Olympiamedaille umgehen müssen, sieht Högler selbst sogar als Plus.

"Du musst dich täglich auf diese Situation vorbereiten und deswegen ist es extrem wichtig, dass man in Gruppen ist, wo es schon Erfolge gegeben hat", meint auch der Trainer.

Der Druck sei sogar positiv: "Ohne möchte ich es gar nicht machen. Den machen wir uns eigentlich auch immer nur selber. Jede Medaille, die du hast, hast du erarbeitet und weißt, dass du es schon konntest", so Högler.

"Wenn Top-Athleten in größeren Gruppen trainieren, verlieren sie immer. [...] Eine Gruppe verträgt es, dass zwei Top-Athleten zusammen trainieren. Aber bei drei hast du schon ein Problem."

Trainer Gregor Högler

Der sich gleichzeitig auch als Bremser sieht: "Wichtig ist immer, dass Selbst- und Ist-Bild zusammenpassen. Das ist auch meine Aufgabe, zu sagen, wo wir gerade stehen. Bei Luki gibt es acht Leute, die um die Medaille mitkämpfen. Wir gehören dazu, aber sind zur Zeit nicht Gold-Favorit. Aber im zweiten Satz sage ich, wenn der andere auslässt und wir einen guten Tag haben, sind wir auch dabei."

Diesen Umstand zu managen, ist bei und für Hudson eben relatives Neuland: "Ich helfe ihr, dass sie da gut durchkommt. Und am Schluss gehört es zum Ganzen dazu. Wer keinen Druck aushält, ist in dem Geschäft auch nicht richtig. Aber es sollte nicht so sein, dass er immer hoch ist. Da muss man als Trainer auch mal welchen rausnehmen."

Ein Modell mit bedingter Vorbildwirkung

Fakt ist: Für Högler persönlich hat sich der Aufwand verdoppelt. Ein Opfer, das er gerne bringt: "Ich denke nie darüber nach, was man investiert. Sondern was dabei rauskommen soll. Wir haben ein 'Best-Practice-Beispiel' mit Luki geschaffen und weiten das mit Victoria aus."

Ein Modell, das zum Vorbild werden kann? Da bremst der Trainer und Sportdirektor ein wenig.

Sportwissenschaftliche Ansätze, Physiotherapien, Masseure und dergleichen: "Nützen wir die gemeinsam, ist das sicher ein Ansatz. Aber sonst bin ich schon der Meinung: Wenn Top-Athleten in größeren Gruppen trainieren, verlieren sie immer. Man muss ihnen schon genug Zeit geben."

Das Trennende macht es möglich

Gerade deswegen ist das "Modell Hudson-Weißhaidinger" funktional: Weil die Unterschiede groß genug sind. Zwischen den Disziplinen. Und den beiden Geschlechtern.

"Eine Gruppe verträgt es, dass zwei Top-Athleten zusammen trainieren. Aber bei drei hast du schon ein Problem. Also wenn du wirklich am ganz hohen Medaillen-Standard bist, musst du hintereinander trainieren. Und dann ist der Aufwand extrem hoch. Gerade bei technischen Disziplinen musst du dir schon die Zeit nehmen", streicht Högler hervor.

In diesem Duo passe die Balance aber. Und so kann der gemeinsame Betreuer auch klar sagen: "Nachteile habe ich noch keine erkannt."

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