Stell dir vor, die öffentliche Hand baut mit Steuergeldern ein Leistungszentrum für eine Sportart.
Sport braucht schließlich eine gescheite Infrastruktur. Eine Binsenweisheit, die wir gerade während der postolympischen Depression vermehrt zu hören bekommen.
So weit so gut. Doch rund 25 Jahre später will eine private GmbH die Sportler aus diesem Leistungszentrum werfen.
Gibt’s nicht? Doch! Welcome to Austria!
Zwischen Ruder und Paddel
Konkret geht es um Österreichs Ruderer. Diese verzeichneten in Rio mit einem sechsten Rang durch Magdalena Lobnig sowie einem zwölften durch die Sieber-Brüder ihr bestes Olympia-Ergebnis seit 20 Jahren. Es herrscht Aufbruchs-Stimmung – wenn da nicht dieses dicke, fette Aber wäre.
Dieses Aber bezieht sich auf das Ruder-Zentrum auf der Wiener Donauinsel. Die – wenn man so will – „Homebase“, wo die besten Ruderer Österreichs unter der Fuchtel von Nationaltrainer Carsten Hassing trainieren. Alles in allem greifen auf Höhe der Steinbogenbrücke zur Hochsaison täglich rund 50 Athleten zu den Rudern.
Damit könnte aber schon bald Schluss sein. Zumindest wenn es nach Walter Aumayr geht. Der 77-Jährige ist aber kein sportferner Mann. Ganz im Gegenteil. Der Oberösterreicher ist Präsident des Österreichischen Kanu-Verbandes (OKV).
Wie aus einem LAOLA1 vorliegenden Schreiben hervorgeht, droht Aumayr den Ruderern jedoch mit dem Rauswurf per 7. Oktober.
Hort des Schimmels
Was auf den ersten Blick nach einem bizarren Scherz klingt, besitzt tatsächlich eine rechtliche Grundlage. Dazu muss ein wenig ausgeholt werden:
Bis 2012 war das Zentrum an den Wiener Ruder-Verband für den eher symbolisch zu wertenden Betrag von 1.500 Euro pro Jahr vermietet. 2012 änderte sich das. Die für die Donaugebiete verantwortliche Via Donau, eine GmbH des Infrastruktur-Ministeriums, verpachtete das dortige Gelände mitsamt der Anlage der Vienna Wildwasser GmbH. Und das gleich für die nächsten 30 Jahre. Deren Gesellschafter ist der OKV und deren Geschäftsführer ist eben Aumayr.
Die Vienna Wildwasser GmbH regelt auch den Betrieb des 2013 eröffneten Wildwasser-Kanals, nur einen Steinwurf vom Ruderzentrum entfernt. Im Zuge des Baus der „Verbund-Arena“, wie die Wildwasser-Anlage offiziell heißt, wurden von Stadt Wien und Bund jeweils 550.000 Euro für die Sanierung sowie Ausbau des Ruderzentrums bereitgestellt. Praktisch in einem Aufwaschen, in dem eben Aumayr neuer Pächter wurde.
Laut Recherchen des „Standards“ wurde der von der Stadt Wien vorab bezahlte Teil jedoch zum Stopfen der explodierenden Baukosten für den Kanal umgewidmet. Das Blatt veranschaulichte außerdem recht gut die Rolle Aumayrs bei dem vom Stadtrechnungshof heftig kritisierten Projekt, dessen Kosten von 2,7 auf letztlich 4,8 Millionen Euro angestiegen waren.
Stadt Wien erwägt Rückforderung von Fördergeldern
Harald Lang, Sprecher des Sportamtes (MA 51) der Stadt Wien, widerspricht der Darstellung des Blattes in Bezug auf die Verwendung der 550.000 Euro. Demnach seien diese sehr wohl – wie geplant – in die Sanierung geflossen. Saniert wurde tatsächlich. Die verschimmelten Duschen oder etwa die Heizung wurden gerichtet.
Da aber noch kein Ausbau (Kraftraum-Erweiterung, Ergometerraum, zusätzliche Bootshallen) stattgefunden hat, sei laut Lang ein Teil der 550.000 Euro noch da. „Sollte es keine Einigung zwischen Kanuten und Ruderern geben, werden wir diesen zurückfordern“, meint Lang, der die genaue Höhe der fraglichen Summe jedoch nicht kennt.
Der Anteil des Bundes ist noch nicht geflossen, da sich dieser vorbehält, Fördergelder erst bei Projekt-Finalisierung auszuzahlen.
Beziehungs-Status: Es ist kompliziert
Wie auch immer können sich Aumayr und die Ruderer seit dessen Übernahme auf keinen Vertrag zur Untermiete einigen. Die Verhandlungen laufen schon seit Jahren. Mehr oder weniger ergebnislos.
Umfrage: Wie ist dem österreichischen Sport zu helfen?
Von den ursprünglichen Differenzen der beiden Parteien konnten bereits etliche Punkte geklärt werden. Wie etwa die entstehende Problematik durch die überschneidende Nutzung von Leistungs-Sportlern und kommerziellen Rafting-Gästen.
Eine der letzten Hürden: die Vertragsdauer. „Für uns kommt nur ein unbefristeter Vertrag infrage, da wir diesen langwierigen Prozess in ein paar Jahren nicht wieder von vorne beginnen wollen“, sagt ÖRV-Präsident Horst Nussbaumer auf Nachfrage von LAOLA1. Über die Höhe des Mietzinses konnte nur zwischenzeitlich eine Einigung erzielt werden.
Für eine gemeinsame rein leistungssportliche Nutzung der Regattastrecke signalisiert der ÖRV Bereitschaft. Nussbaumer: "Flachwasser-Kanuten sind herzlich willkommen!"
Dass der Verhandlungsprozess ein schwieriger sei, ist augenscheinlich. Aumayr reagiert darauf mit betonter Gelassenheit: „Ich habe nicht die Absicht, etwas Negatives für den Sport beizutragen.“ Wie diese Aussage zu werten ist, sei angesichts des von ihm angedrohten Rauswurfs per 7. Oktober freilich dahingestellt.
Was wäre, wenn…
Ein Rauswurf der Ruderer würde Bund, Stadt und nicht zuletzt den ÖRV vor große Probleme stellen. Wohin dann mit einem der hoffnungsvollsten Sommersport-Verbände?
Auf einen der anderen Stützpunkte in Völkermarkt oder Linz/Ottensheim ausweichen? „So einfach ist das nicht, weil die Athleten ihren Lebensmittelpunkt nach Wien verlegt haben“, spielt Nussbaumer auf diverse Ausbildungen oder Jobstellen an. Ein Umzug von heute auf morgen ist daher unrealistisch.
In Wien einfach ein weiteres Ruderzentrum aufbauen? Das Notdürftigste ließe sich wohl schon mit geschätzten 1,5 Mio. Euro realisieren. Doch hierbei liegt der Hund weniger in der finanziellen Machbarkeit begraben. „Vom Gesetz her haben Ruderer gegenüber Schwimmern auf der Donau Nachrang“, weiß Nussbaumer. Zusammenstöße zwischen Hobby-Athleten und Badegästen sind jedoch keine Seltenheit. Deshalb wurde eigens für den Abschnitt der Neuen Donau auf Höhe des Ruderzentrums eine Ausnahme geschaffen, wo eben Ruder-Boote Vorrang haben.
Würde man also ein neues Ruderzentrum in Wien errichten wollen, würde sich somit just ein Platz direkt neben der bereits bestehenden Einrichtung anbieten. Doch ein Zentrum neben das andere zu bauen, würde dem Schildbürgerstreich endgültig die Krone aufsetzen.
Mit der Faust auf den Tisch gehauen
Der – für Außenstehende – kleinkarierte Hickhack droht nun dem ohnehin nicht so gesegneten österreichischen Sommersport zum Nachteil zu gereichen. „Ja, wieso tut denn die Politik da nichts?!“, werden gelernte Österreicher jetzt sagen.
Das hat sie.
Im Laufe der Jahre versuchten sowohl Vertreter der Stadt als auch des Bundes unentwegt, die beiden Parteien zu einer Einigung zu bewegen. Angesichts des angedrohten Rauswurfs wurde von Sportminister Hans Peter Doskozil für vergangenen Dienstag kurzfristig ein neuerliches Gipfeltreffen anberaumt.
„Wir wollen hier eine Lösung für den Spitzensport finden. Persönliche Befindlichkeiten müssen hinten angestellt werden“, unterstreicht die im Ministerbüro zuständige Elisabeth Habeler den Standpunkt des Bundes. Dies habe Doskozil den Anwesenden auch sehr eindringlich kundgetan. Bis 10. Oktober erwarte er eine Einigung. Sollte es diese nicht geben, werde er die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.
Ein Ultimatum – möchte man meinen. Jedoch nicht in den Ohren Aumayrs, der das Ganze herunterspielt „als ganz normalen Prozess einer Einigung“.
Unbelehrbarkeit oder nur gespielte Gelassenheit? Der 10. Oktober wird es weisen.
Reinhold Pühringer