Ist es vielleicht ein archaisch wirkender Sport wie das irische Hurling? Vielleicht Stein- und Baumstammweitwürfe wie bei den schottischen Highland-Games? Nein, wer bei den ältesten, noch ausgeübten Sportarten der Menschheit an solche Disziplinen denkt, liegt ziemlich falsch. Tatsächlich ist Sport vollkommen untrennbar mit der gesamten Geschichte des Menschen verbunden.
Er ist nicht nur in der Lage, unsere Gene zu verändern, sondern ist uns nach Ansicht vieler Wissenschaftler sogar in die genetische Wiege gelegt. Und einige der Disziplinen, die schon zu Anbeginn dabei waren, gehören auch heute noch zu den größten und beliebtesten Sportarten der Welt.
Wie der Mensch sportlich wurde
Die ersten Menschen waren bekanntlich Jäger und Sammler. Sie zogen in größeren und kleineren Gruppen von Ort zu Ort, lebten von dem, was sie dort erlegen und aus der Natur aufsammeln konnten. Sie kannten Vorratshaltung, wenn überhaupt, nur über wenige Tage und Wochen hinweg – etwa durch Lufttrocknen und Räuchern von Fleisch und pflanzlichen Lebensmitteln.
Wie kamen jedoch solche Personen, die sowieso einen hohen Energieumsatz bei kaum gesichertem Nachschub hatten, auf die Idee, Leistungen zu erbringen, ohne dass es der unmittelbaren Sicherstellung von Nahrung und Obdach diente? Dazu gibt es in der Wissenschaft zwei Theorien, die vermutlich beide stimmen dürften:
- Die Jagd war wohl die erste Form körperlicher Aktivität aus welcher der heutige Ausdauersport entstand oder zumindest die Idee dahinter. Heute sind dessen Wirkmechanismen bestens wissenschaftlich erforscht, damals stand aber höchstwahrscheinlich eine ganz simple Erkenntnis: Jäger, die sich mehr bewegten, waren leistungsfähiger. Sie konnten ein Tier über größere Distanzen verfolgen, konnten Speere mit größerer Kraft und Präzision werfen bzw. mit diesen zustoßen. Diese Erkenntnis dürfte dazu geführt haben, dass in den einzelnen Stämmen Jäger anfingen, auch jenseits der Jagd für diese zu trainieren.
- Unsere Vor-Vorfahren erlangten früh die Erkenntnis, dass es darauf ankam, wer schneller, stärker, besser war. Damit begann ein Wettkampfgedanke – auch hier in denjenigen Disziplinen, die damals jeder beherrschte. Es steht logisch zu vermuten, dass dieser Wettkampfgedanke in Kombination mit der Erkenntnis „Mehr Übung = bessere Leistung“ einherging, also auch hierfür trainiert wurde.
Das heißt also, dass der Mensch höchstwahrscheinlich schon in seinen Frühtagen ein zumindest grundlegendes Verständnis über Wert und Nutzen von Sport hatte und wahrscheinlich auch schon ziemlich genau wusste, wie er trainieren und sich verbessern konnte.
Laufen – die älteste Disziplin von allen
Ausschließlich auf zwei Beinen durch die Welt zu schreiten, ist das große Unterscheidungsmerkmal des Menschen zu allen anderen Säugetieren – außer beispielsweise dem Vogelstrauß gibt es nur sehr wenige andere Lebewesen, die nicht nur zeitweise zweibeinig unterwegs sind.
In diesem evolutionären Vorteil bestand demnach auch die naheliegendste urzeitliche Sportart – denn jeder konnte laufen. Wahrscheinlich ist, dass es drei Laufdisziplinen gab, ähnlich wie heute:
- Sprints über die Kurzdistanz
- Langläufe
- Hindernisläufe
Es steht zu vermuten, dass in der urzeitlichen Realität die meisten Läufe einen gewissen Hindernischarakter hatten; denn auch Trampelpfade, wo es sie überhaupt gab, waren bestenfalls schmale Schneisen durch die Wildnis.
Alter der Disziplin: Nicht zu beziffern, höchstwahrscheinlich bereits zu Zeiten des Homo Erectus entstanden (der erste aufrecht gehende, methodisch jagende Vorfahr des Homo Sapiens) und damit bis zu 2 Millionen Jahre alt.
Speerwerfen

Es gibt kaum einen anderen Gegenstand außer dem Faustkeil, der eine solche Bedeutung für die Geschichte des Menschen hat, wie der Speer. Denn diese so simple Waffe aus Holz war es, die der mit Zähnen und Klauen nur unterdurchschnittlich beschenkten Gattung Homo (nicht erst dem Homo Sapiens) eine echte Chance gegenüber selbst großen Raubtieren gab.
Erst der Speer schloss die Gefährlichkeitslücke des Menschen zu anderen Tierarten und gab ihm in Kombination mit seiner Schläue, abstraktem Denken und Anpassungsfähigkeit auch eine echte Oberhand – das Werkzeug also, das dem Menschen den Aufbruch an die Spitze der globalen Nahrungskette ermöglichte.
Doch der Speer ist noch aus einem anderen Grund so wichtig: Seine Evolution stellt den erstmaligen Nachweis dar, wie der Mensch in der Lage war, die Leistungsfähigkeit seines Gehirns gewinnbringend einzusetzen, um technisch zu abstrahieren.
Zuvor war alles, was er benutzte, ein Einzelgegenstand – vom Speer über den Faustkeil. Dann jedoch entwickelte der Mensch ein ebenfalls simples, aber bahnbrechendes Werkzeug: die Speerschleuder. Dank ihr konnte der Speer viel kraftvoller und weiter geworfen werden als es die reine körperliche Fähigkeit erlaubte. Das erste (natürlich simple) mechanische Gerät.
Abermals handelt es sich beim Speerwerfen um eine der damaligen Lebensrealität nachempfundene Disziplin. Doch wo es beim heutigen Speerwurf einzig um die größtmögliche Distanz geht, dürfte es bei den Urmenschen eher um höchste Präzision gegangen sein – die realistischere Annahme.
Alter der Disziplin: Erwiesenermaßen (Wandmalereien) seit ca. 400.000 Jahren, also zu Zeiten des Homo Erectus.
Ringen
Zwei Urzeitmenschen haben einen Streit. Einer schlägt zu, der andere fällt wochenlang aus oder stirbt sogar – wodurch der Gruppe ein lebenswichtiges Mitglied verlorengeht. Es dürften solche Vorfällte gewesen sein, die bereits frühzeitig die Erkenntnis nährten, dass es eine andere Form des Disputs als blutige Gewalt geben musste.
Dabei ist auch der Ringkampf bemerkenswert: stellt er doch die erste Disziplin dar, die sich nicht an einer dem urmenschlichen Alltag entsprechenden praktischen Notwendigkeit orientierte. Zudem war es der erste Kampfsport nach modernem Verständnis und dürfte als solcher auch Vorteile in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Stämmen gebracht haben.
Wie damals gerungen wurde, ist nicht im Detail bekannt. Doch auch hier erscheint es der heutigen Sportgeschichtswissenschaft nur logisch, dass unsere Vorfahren bereits einen gewissen Regelkanon entwickelten – allein schon, um zu verhindern, dass das Ringen dennoch in eine blutige Schlägerei ausartete.
Alter der Disziplin: Mindestens 150.000 Jahre (Wandmalereien in Frankreich) und damit mitunter sowohl vom Homo Neanderthalensis wie dem Homo Sapiens ausgeübt.
Bogenschießen

Die gespannte Kraft eines elastischen Holzstücks, übertragen auf eine zwischen seinen Enden gespannte Sehne und einen Pfeil. Heute mag dies ein Prinzip sein, das schon so manches Kindergartenkind im elterlichen Garten entdeckt.
Auf die menschliche Entwicklungsgeschichte umgelegt war es jedoch vom Speer und der Speerschleuder so revolutionär weit entfernt wie ein hochentwickeltes Biathlon-Luftgewehr von einer Erbsenpistole.
Interessant am Bogen ist, dass es zu seiner Nutzung noch weniger auf die körperliche Kraft des Schützen ankam. Es genügte, die Sehne spannen und für einige Augenblicke halten zu können. Damit markiert dieses Jagdgerät auch einen wichtigen Evolutionssprung in der Nahrungsbeschaffung: Der Bogen ist flexibler, kann schneller eingesetzt werden, wodurch es erstmals möglich wurde, auch kleine, sehr flinke Tiere zu erlegen, die per Speer sehr viel schwieriger getroffen werden konnten.
Abermals liegt es nahe, dass der Bogen als Wettkampfinstrument Verwendung fand – ganz ähnlich wie heute als reines Präzisionsinstrument. Bekannt ist, dass auch die Gletschermumie "Ötzi" einen bei sich trug, der Bogen selbst und damit mutmaßlich auch der Sport sind aber noch älter.
Alter der Disziplin: Mindestens 16.000 Jahre (archäologische Funde). Diverse andere Funde (Steinspitzen) mit mehr Interpretationsspielraum lassen jedoch auch ein Alter von bis zu ca. 65.000 Jahren zu.
Schwimmen
Schon die ersten Menschen siedelten nie in allzu großer Entfernung von gesicherten Trinkwasserquellen. Dementsprechend finden sich die ältesten Spuren der Menschheit auch in der Nähe von Flüssen, Bächen sowie Orten, die zu damaliger Zeit anderweitig Frischwasser führten, etwa Quellen, Oasen und dergleichen. In dieser Tatsache und dem Wanderungstrieb, der schon den Frühmenschen aufgrund ihrer Lebensweise zu eigen war, lernten Menschen auch schon sehr früh, sich ohne Hilfsmittel im Wasser fortzubewegen.
Damit kommen wir zur fünften und „jüngsten“ Disziplin unserer kleinen Liste. Höchstwahrscheinlich nach dem ganz simplen Prinzip: „wer zuerst auf der anderen Seite ist, hat gewonnen“.
Alter der Disziplin: Mindestens 8.000 Jahre (Höhlenmalereien).