Ende Juni starteten ÖOC-Präsident Karl Stoss, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, ÖFB-Präsident Leo Windtner und "Mister Volleyball" Peter Kleinmann die Initiative "Wir bewegen! Für die Zukunft unserer Kinder." Weit mehr als 1.000 Personen haben die Petition unterzeichnet.
Vor knapp einem Monat lud Bildungsminister Heinz Faßmann die Initiatoren in sein Büro und hörte sich die Sorgen der Sport-Funktionäre an. Geändert hat sich nichts und Peter Kleinmann erklärt im Gespräch mit LAOLA1 auch warum: "Mein Eindruck ist, dass Faßmann die Materie versteht. Ich glaube auch, dass er etwas machen will, aber nicht weiß, was er machen soll."
Kleinmann weiter: "Meiner Meinung nach müssten sich das Bildungsministerium, das Sportministerium und das Gesundheitsministerium zusammensetzen und einen gemeinsamen Plan erstellen. Ich höre Sportminister Werner Kogler nicht. Der spielt bei diesem Spiel - nach meiner Wahrnehmung - nicht wirklich mit. Ich kann das schwer beurteilen. Wenn ich er wäre, würde ich mich viel mehr und viel lauter zu Wort melden, allerdings hat er keine Entscheidungsgewalt. Weil letzten Endes entscheidet wohl das Gesundheitsministerium aktuell alles, was da momentan passiert."
Für den 73-jährigen Wiener ist inzwischen aber längst klar, dass nur der Bundeskanzler das Problem lösen kann.
Kleinmann begründet: "Die Problematik mit dem Bildungsministerium ist, dass die tägliche Bewegung, die wirklich elementar wichtig wäre, der Bildungsminister nicht einführen wird können. Denn, da brauchen wir nicht darüber reden, das kostet 150 bis 200 Millionen Euro an Investment. Nicht an Kosten, an Investment! Die hat er nicht im Budget. Das heißt, das kann nur funktionieren, wenn der Herr Bundeskanzler das zur Chefsache erklärt und Herr Kurz seinem Finanzminister sagt: Gib ihm das Geld!".
Kurz kann die Kinder gesund machen und sein Image aufpolieren
Kleinmann erläutert seine Forderung: "Es geht ausschließlich um ein Investment. Wenn einer sagt, das kostet 200 Millionen, dann redet er wie der Blinde von der Farbe, denn es kostet gar nichts. Im Gegenteil, es bringt der Republik ordentlich Gewinn."
Die genaue Rechnung in Sachen Gesundheit möchte der 2019 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnete ehemalige Volleyballer (88 Länderspiele als Spieler, 106 als Trainer) dem Bundeskanzler am liebsten in einem Vier-Augen-Gespräch vorrechnen.
"Ich halte den Sebastian Kurz für einen absolut gescheiten Mann, möglicherweise ist der Sport nicht sein Hauptthema, aber die Gesundheit der Kinder und dadurch positives Image in der Bevölkerung zu erhalten, das glaube ich könnte ihn schon interessieren. Und das ist der entscheidende Punkt. Wir machen unsere Kinder gesund und haben dadurch mit so einer Maßnahme ein positives Image in der Bevölkerung. Ich hätte gerne einen Termin mit dem Bundeskanzler und bin überzeugt, dass ich ihn mit meiner Leidenschaft dazu bringe, das Ding zu verstehen."
Kleinmann weiß aus vielen Gesprächen mit Betroffenen, wo der Hund begraben liegt: "Ich habe mit Leuten gesprochen, die Entscheider sind und wenn ich zu denen sage, wisst ihr eigentlich, warum im Kindergarten und in der Volksschule die Kinder nicht bewegt werden, herrscht immer Ratlosigkeit."
"Politik muss den Lehrplan und die Haftungsfrage verändern"
Die Antwort von Kleinmann: "Punkt 1 ist, dass die Kindergarten-Pädagoginnen in einem Semester nur zwei Stunden Ausbildung für Bewegung erhalten. Punkt 2, und das ist noch viel schlimmer: Sie haften für Unfälle. Jetzt müssten die Politiker zuerst den Lehrplan der Volksschullehrerinnen und der Kindergarten-Pädagoginnen überarbeiten und zweitens die Haftungsfrage verändern. So lange das nicht passiert, reden wir umsonst. So lange das Haftungsproblem nicht geklärt wird, reden wir heiße Luft. Deswegen ist es ein politisches Thema, aber das Problem ist, dass ein Großteil der Politiker die Problematik gar nicht kennt, weil sie sich mit dem Thema noch nie beschäftigt haben."
Kleinmann sieht weitere Stolpersteine auf dem Weg zu mehr Bewegung für die Kinder: "Wir müssen unsere Sorgen in Bewegung UND Sport unterteilen, denn Bewegung ist Bewegung und Sport ist Sport. Wichtig ist mir dabei, es geht um Bewegung im Kindergarten und in der Volksschule und um den Breitensport von Amateuren. Die gehören unterstützt. Der Spitzensport ist eine ganz andere Liga, das hat damit gar nichts zu tun."
Den ehemaligen Spieler, Trainer, Manager und Volleyball-Präsidenten stört ganz gewaltig, "dass 70 Prozent der Bevölkerung keinen Sport betreiben". Darum fordert er auch umgehend Geld für die Bewegung im Kindergarten und in der Volksschule. "Wir werden sehen, wenn wir 200 Millionen Euro investieren, wie viele Milliarden der Finanzminister dadurch einnimmt. Sofort! Nicht erst in zehn Jahren, sofort."
Kleinmann: "Jeder in den Sport investierte Euro vervierfacht sich"
Dazu verweist Kleinmann auf eine vielbeachtete und belegte Studie der Weltgesundheitsorganisation, in der als absolutes Minimum an Bewegung pro Woche 150 Minuten angegeben werden. "Das sind zweieinhalb Stunden, das ist eh nichts. Diese Vorgabe erfüllen gerade einmal 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher. 50 Prozent bewegen sich nicht einmal zweieinhalb Stunden pro Woche."
Kleinmann rechnet anhand belegbarer Zahlen vor: "Diese zweieinhalb Stunden pro Woche, die sich Frau und Herr Österreicher pro Woche bewegen, bringen dem Finanzminister im Jahr 980 Millionen Euro. 420 Millionen Euro kann man wegrechen, weil das kosten die Sportunfälle, bleiben also 560 Millionen Gewinn für das Ministerium und das mit der wenigen Bewegung, die wir aktuell haben. Wenn wir jetzt zehn Prozent Menschen mehr zur Bewegung bringen, dann nimmt das Finanzministerium weitere 120 Millionen Euro ein. Das ist keine fiktive Rechnung. Das ist eine anerkannte wissenschaftliche Untersuchung."
Untermauert werden die Zahlen von einem weiteren nicht von der Hand zu weisenden Argument: "Jeder in die Bewegung und den Sport investierte Euro vervierfacht sich. Wenn das Ministerium also die 560 Millionen Euro, die sie jetzt schon im Jahr am Sport verdienen, wieder in den Sport investieren, dann vervierfacht sich das."
Weil Kleinmann gerade eine Rechenaufgabe nach der anderen löst, will er auch wissen: "Wer kann mir erklären, wenn wir erwiesenermaßen durch Sport und Bewegung dem Finanzministerium 560 Millionen Euro pro Jahr bringen, wieso der Sport dann nur 120 Millionen Euro an Bundessportförderung erhält und warum wir nicht 200 Millionen für die Bewegung der Kinder bekommen? Wenn du in der Privatwirtschaft in einem Wirtschaftszweig 560 Millionen Gewinn erreichst und wenn du dazu weißt - solltest du weiterinvestieren -, dass sich der Gewinn dann sogar vervierfacht und du machst das nicht, dann bist du fristlos entlassen."
Auch deshalb hofft Kleinmann auf einen Termin beim Kanzler: "Ich glaube, wenn man das dem Herrn Kurz einmal wirklich detailliert und klar vorrechnet, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass der nicht sagt: Passt, das machen wir!".
"Geisterspiele" sind im Volleyball und Basketball nicht das Problem...
Auch zum aktuellen Thema der Zuschauer-Beschränkungen in den diversen heimischen Ligen hat Kleinmann eine Meinung: "Ich gehe davon aus, dass kein Volleyball-Bundesligaklub zu Grunde geht, weil er keine Zuschauer-Einnahmen mehr hat. Das Problem ist vielmehr, dass Sponsoren und Partner ausfallen.
Die Beschränkung bzw. "Geisterspiele" sind im Fußball sicher ein ganz großes Thema. Wenn in der Gruppenphase der Champions League und der Europa League, wo ein Verein anstelle drei Mal ein ausverkauftes Stadion nur 3.000 Besucher reinlassen darf, dann ist das fatal. Bei den Sportarten wie Basketball und Volleyball sind die Zuschauereinnahmen nicht das ganz große Thema. Ich sage ganz ehrlich, wenn ich noch im Management wäre, würde ich auf die knapp 1.000 Zuseher nicht so viel Wert legen wie auf möglichst viele Live-Übertragungen im TV, die dann so viele Zuschauer wie möglich interessieren sollten."
Kleinmanns Fazit zu den Schwierigkeiten in der Corona-Zeit: "Unbestritten, es ist aktuell schwierig Geldgeber aufzutreiben, aber dafür muss man kämpfen und rund um die Uhr laufen. Wenn dennoch Ausfälle da sind, muss der Staat helfen. Nur Jammern wird nicht zum Ziel führen, wir brauchen Konzepte und Strategien, mit denen Vereine und Verbände zum Ziel kommen."