Peter Schröcksnadel hat seine Mission beim Projekt Rio erfüllt.
Nicht ganz, wie es scheint.
Sein vor den Sommerspielen gestecktes Ziel von drei bis fünf Medaillen wurde verfehlt. Doch wie bei Entscheidungsträgern üblich, will er sein Wirken an der Spitze der Spitzensport-Förderung nicht als Fehlschlag verstanden wissen. Im Gegenteil.
„Ich stelle die These auf, dass 2016 ohne das Projekt ein Desaster gewesen wäre“, spricht der Tiroler viel lieber von einer geglückten Trendumkehr. Schließlich sei das für die eine Bronzene verantwortliche Nacra17-Boot mit Tanja Frank und Thomas Zajac dem Projekt Rio praktisch entsprungen.
Dass die Top-Sechs-Plätze einiger junger Athleten ein hoffnungsvolles Signal für Tokio 2020 seien, haben Schröcksnadel und die ÖOC-Granden Karl Stoss und Peter Mennel bereits in Rio zur Genüge betont.
Ausgerechnet Weißhaidinger
Als Musterbeispiel für die Projekt-Arbeit stuft Schröcksnadel in seinem Rückblick Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger ein, der mit Olympia-Platz sechs der größte österreichische Ausreißer nach oben war.
Eine nicht unumstrittene Sichtweise, flog der 24-Jährige 2015 doch aus dem Hope-Kader und finanzierte sich in Folge selbst eine laut eigenen Angaben 40.000 bis 50.000 Euro beheizbare Hütte, um sein Wurftraining trotz Winter fortsetzen zu können. „Ein wichtiges Rädchen, das dazu beigetragen hat, dass ich heute hier stehe“, hatte Weißhaidinger nach seinem Olympia-Auftritt gegenüber Medienvertretern gemeint.
Schröcksnadel macht den Leistungssprung des Oberösterreichers dennoch an der (unsteten) Projekt-Förderung fest.
Nicht alles Gold, was glänzt
Doch bei Schröcksnadels Blick über die Schulter war auch nicht alles eitel Wonne. Der Ski-Zampano gesteht Fehler ein. „Klar war nicht alles richtig. Im Projekt Rio waren auch etliche Athleten dabei, die da nicht reingehört hätten.“
Konkret kommt ihm als erstes die Sportart Triathlon über die Lippen. „Am Anfang, als ich mich noch nicht so auskannte, sind mir da welche untergejubelt worden, die darin eigentlich nichts verloren hatten“, sagt er. Über die Jahre standen aus dem Triathlon-Lager neben den letztendlichen Olympia-Startern Lisa Perterer, Sara Vilic und Thomas Springer auch Luis Knabl und Lukas Hollaus in einem der beiden Kader.
Schröcksnadel bestätigt damit indirekt LAOLA1-Berichte aus den Projekt-Anfängen, als eine Nominierungs-Schieflage an der Person des im Triathlon gut vernetzten Harald Horschinegg festgemacht wurde. Dieser schied Ende 2014 aus seiner Berater-Funktion im Projekt aus. Clemens Trimmel übernahm.
"Ich muss klarstellen, dass Österreich – wie immer behauptet – gar keine Wintersport-Nation ist, sondern eine ÖSV-Nation."
Auch mit dem nach Rio entsandten Aufgebot ist Schröcksnadel aus heutiger Sicht nicht glücklich. Hürdensprinterin Beate Schrott habe in ihrer aktuellen Form unterm Zuckerhut ebenso wenig verloren gehabt wie „überrundete Sportler“. Somit plädiert er für höhere nationale Olympia-Limits, was auch die unsägliche Debatte über angebliche Olympia-Touristen kalmieren würde.
„Sind eine ÖSV-Nation“
Dem am Schnitzel-Äquator vorherrschenden Geraunze, Österreich könne gar keinen Sommersport, widerspricht Schröcksnadel entschieden. „Ich muss klarstellen, dass Österreich – wie immer behauptet – gar keine Wintersport-Nation ist, sondern eine ÖSV-Nation“, meint er mit Verweis auf die Medaillenzahlen in der kalten Jahreszeit. „Da kommen vielleicht noch ein, zwei vom Rodeln, sonst sind alle vom ÖSV. Wir wären heute im Winter genau dort, wo wir aktuell im Sommer sind, wenn sich der ÖSV vor rund 20 Jahren nicht verselbständigt hätte“, bezieht sich Schröcksnadel auf den Beginn seiner Ägide im Jahr 1990.
Von Erfolgen abseits von Schnee und Eis sei er deshalb überzeugt. „Es ist im Sommer sogar leichter, weil man in vielen Sportarten nicht so viele Mittel braucht. Man muss es nur wollen.“ Zumal die Auswahl seiner Ansicht nach eine viel größere sei. In der Leichtathletik müsse man sich ob der zahlreichen Disziplinen nur aussuchen, worin man gut sei.
Sinnieren über Zielvorgaben
Laut Schröcksnadel war seine Hauptaufgabe im Projekt Rio aber gar nicht die Heranzüchtung Olympischer Medaillengewinner, als in erster Linie die Zusammenführung von Sportministerium und ÖOC. Dies sei ihm genauso gelungen wie die zweite ihm entgegengebrachte Herausforderung, dass das Geld unbürokratisch und effizient bei den Athleten ankommt.
Die Zielvorgabe von drei bis fünf Medaillen sei dann mehr oder weniger seinem Naturell entsprungen. „Ich werde schließlich nicht sagen: Es gibt ein Projekt, wir machen keine Medaillen. Das wäre die falsche Zielvorgabe.“
Bleibt zu hoffen, dass künftige Förder-Koordinatoren am Ende dann doch an sportlichen Ergebnissen zu messen sind. Die Athleten, für die das Geld verwendet wird, sind es schließlich auch.
Reinhold Pühringer