news

These: Schulsport endlich an Lebensrealitäten orientieren!

Der Schulsport steht seit Jahren in der Kritik, die tägliche Turnstunde wurde zum Synonym für zahlreiche Missstände. Wie soll's weitergehen? LAOLA1 diskutiert:

These: Schulsport endlich an Lebensrealitäten orientieren! Foto: © GEPA

In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.

Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.

In dieser Ausgabe haben wir uns den Schulsport zum Thema gemacht, der seit Jahren Teil von ausschweifenden Diskussionen ist. Die von Verbänden und Experten vehement geforderte tägliche Turnstunde gilt bisweilen als Synonym für längst anstehende Reformen. 

Die LAOLA1-Redakteure Christian Frühwald und René Mersol diskutieren vier Thesen dazu:

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

1.) Schulsport darf nicht beim Lieblingssport des jeweiligen Lehrers aufhören.

René Mersol:

Ganz ehrlich: Aus eigener Erfahrung wäre ich manchmal schon froh, wenn es eine Lehrkraft gäbe, die überhaupt einen Lieblingssport hat. Dann würde in der Turnstunde wenigstens einer ausgeübt, anstatt sinnbefreit Runden zu laufen oder auf die Sprossenwand zu klettern - wenn überhaupt.

Immer wieder hört man davon, dass Turnstunden als "Reserve" für nicht untergebrachte Lehrplan-Inhalte anderer Fächer herangezogen werden. Ich stimme der These durchaus zu, es braucht ein breites Angebot. Im Sportunterricht sollen von Verbänden und Vereinen auch neue Sportarten präsentiert und ausgeübt werden, um die Kids davon zu begeistern.

Christian Frühwald:

Ich bin ein bisschen zwiegespalten bei dieser These. Auf der einen Seite macht es natürlich auf Dauer wenig Spaß, wenn ein Lehrer seine Lieblingssportart massiv forciert, man aber mit dieser schlichtweg keine Freude hat und voraussichtlich auch nicht so schnell bekommen wird. 

Andererseits sollte der Sportunterricht in der Schule vor allem eines machen: Begeisterung an Sport und Bewegung vermitteln und das geht natürlich am besten, wenn die Lehrperson selbst diese Begeisterung ausstrahlen kann. Der Sportlehrer meines Sohnes ist beispielsweise ein großer Fan des Floorballs. Und tatsächlich findet diese großteils eher unbekannte Sportart bei den meisten Schülern mittlerweile großen Anklang. Wobei dabei natürlich die Ausgewogenheit nicht außer Acht gelassen werden darf.

2.) Schulsport muss sich mehr an den Lebensrealitäten junger Menschen orientieren. Dinge wie richtige Regeneration, das korrekte Training mit Gewichten, Grundlagen gesunder Ernährung und Trainingslehre sind wichtiger als Geräteturnen und dergleichen.

Christian Frühwald:

Eine grundvernünftige Forderung, die ich nur doppelt, nein, sogar dreifach unterstreichen kann. In der Schule sollte das Thema "Gesundheit" fächerübergreifend gelehrt werden, um die zahlreichen Zusammenhänge zwischen dem eigenen Körper, Bewegung, Sport, Ernährung und Gesundheit den Kindern näherzubringen und breites Verständnis dafür zu wecken.

Wer schon einmal beobachtet hat, was Schüler in Pausen oder Freistunden regelmäßig zu sich nehmen, weiß, dass beispielsweise bei der Ernährung ein gewaltiger Nachholbedarf besteht. Auch Krafttraining hat immer noch einen schweren Stand, wird es auf der einen Seite unverständlicherweise verteufelt, auf der anderen Seite zu exzessiv betrieben.

Wenn man hier den Kindern und Jugendlichen verständlich machen kann, wie wichtig regelmäßige Bewegung/Sport und eine dazugehörige Ernährung sind und ihnen zugleich grundlegendes Wissen in der Körperlehre vermitteln kann (Stoffwechsel!), würden künftige Generationen über ein unbezahlbares Wissen verfügen, dass ihnen nicht nur ein längeres, sondern vor allem ein besseres und freudvolleres Leben bescheren kann.

René Mersol:

Den Worten des Kollegen Frühwald kann ich, wie er selbst Vater, inhaltlich nichts hinzufügen. Die Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahrzehnten in eine bedenkliche Richtung entwickelt. 

Nicht nur, dass die in der These genannten Inhalte den Mainstream viel mehr treffen als Geräteturnen, ist es ja auch so, dass sie für die Zukunft dieser jungen Menschen eine deutlich höhere Relevanz haben als Streck- und Bocksprung.

Mit diesem Wissen ausgestattet könnte man langfristig die Gesellschaft für eine gesündere Ernährung deutlich besser sensibilisieren und im Idealfall sogar das Gesundheitssystem entlasten, das diesertags ohnedies vielerorts vor dem Kollaps steht. 

3.) Es braucht keine tägliche Turnstunde, sondern einen wöchentlichen Sportvormittag, der sich über mehrere Stunden erstreckt.

Rene Mersol:

Jein - sowohl, als auch und das hängt natürlich immer von der Ausgestaltung ab. Faktum ist: Kinder brauchen in der Schule mehr Bewegung.

Ich denke, es ist für sie wichtig, sich täglich in der Schule zu bewegen, damit sie ausgeglichener sind. Das muss aber nicht immer eine Stunde sein. Den Sportvormittag sehe ich als regelmäßiges "Add-on", wo man Kids diverse Sportarten ausprobieren lassen kann.

Ganz generell sind das stundenlange Sitzen, Pauken und das stete Hinweisen auf die eigenen Unzulänglichkeiten absolut nicht mehr zeitgemäß. Dazu müsste aber einmal der Schritt gewagt werden, das heimische Bildungssystem vom aktuellen Fokus auf Defizite hin zum Fokus auf Potenziale zu entwickeln. Es braucht einen Neustart, der Sportunterricht kann da nur der Anfang sein.

Christian Frühwald:

Diesem Vorschlag stehe ich eher skeptisch gegenüber, würde hier doch wahrscheinlich ein falsches Bild von der richtigen Ausübung des Sports vermittelt werden. Denn anstelle eines großen Trainingsblockes sind mehrere kürzere Einheiten innerhalb einer Woche klar vorzuziehen.

Organisatorisch hätte ein wöchentlicher Sportvormittag sicherlich seine Vorteile. Das ist allerdings schon der einzige Pluspunkt, den ich dieser These entnehmen kann. Einige Schüler hätten zudem wahrscheinlich gar nicht genug Luft für eine derartige Einheit und am Ende wohl auch wenig Freude damit. Sport und Bewegung müssen den Kindern Spaß machen - ein Mega-Block einmal in der Woche hätte wahrscheinlich den gegenteiligen Effekt.

Es spricht aber nichts dagegen, im Laufe eines Schuljahres einzelne Events zu organisieren, die sich an einem Vormittag abspielen könnten und dabei den Spaß am gemeinsamen Sport und Wettbewerb vermitteln. Sei es ein eigener Schullauf oder ein kleines Fußball-Turnier zwischen den Klassen. 

4.) Skikurse sind von gestern, bietet den Schülern vermehrt Sportwochen, während denen sie mehrere Sportarten ausprobieren können.

Christian Frühwald:

Mein ältester Sohn fiebert jetzt schon seinem im nächsten Schuljahr erstmals stattfindenden Skikurs entgegen - und zwar mit großer Euphorie. Dementsprechend kann ich auch persönlich nicht erkennen, dass die Ära der Skikurse zu Ende sein sollte. 

Zudem bietet sich gerade der Schulskikurs an, auch einmal ins andere Lager zu schnuppern. Sei es, sich als Snowboarder auf Ski zu probieren oder umgekehrt. Möglicherweise könnte man ja auch auf Wintersportwochen umschwenken und zusätzlich Sportarten wie Langlaufen oder Eishockey ins Angebot aufnehmen.

Denn grundsätzlich ist die Idee einer Sportwoche, in der sich Kinder in verschiedenen Sportarten ausprobieren können, eine sehr gute. Doch auch wenn der Klimawandel vor der Tür steht, würde ich das nicht auf die Sommer-Monate reduzieren - gerade in einem traditionsreichen Wintersport-Land wie Österreich!

René Mersol:

Diese These muss den Kollegen aus Wien eingefallen sein. Ich halte sie, wie es Kollege Frühwald (wohl unfreiwillig) schon angedeutet hat, für einen Widerspruch in sich. So wie ich sie verstehe, schließt "Skikurs" in diesem Fall sämtliche andere Wintersportarten aus.

Ich, wohnhaft am Fuße von Semmering, Rax, Schneeberg und an der Grenze zur Steiermark kenne das aus eigener Schulzeit, wie auch von meinem Sohn ganz anders. Skikurs heißt dieserorts: Ski Alpin, Snowboard, Langlaufen, Rennrodeln bis hin zu Zipfelbob und sogar Biathlon kann man ausprobieren.

Ich gehe mit der These insofern d'accord, als dass man den Kids vermehrt Sportwochen mit einem breiten Sportartenangebot bieten sollte. Warum sich das aber auf den Sommer beschränken soll, erschließt sich mir nicht. Das ist im Winter exakt genauso möglich.


Die besten Sport-Filme für Kinder

Kommentare