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Eine Vision für Österreichs Sport

Warum Plan des Sportministers der falsche Ansatz ist. Plus: Ein radikaler Entwurf, wie es gehen könnte.

Eine Vision für Österreichs Sport

Das Wehklagen des heimischen Sommersports.

Es wird leiser.

War vor knapp zwei Monaten der Ruf nach der „Stunde Null“, also vom Über-den-Haufen-Werfen der verkrusteten Strukturen, unüberhörbar, ist mittlerweile nur noch von der Zusammenzuführung von Projekt Rio, Team Rot-Weiß-Rot, dem Bundes-Sportförderungsfonds und in weiterer Folge der Sporthilfe die Rede.

Tabula rasa geht anders.

Auch die anfängliche Dringlichkeit scheint verflogen. Handfeste Zwischenergebnisse, die bereits innerhalb von Wochen präsentiert werden wollten, lassen auf sich warten. Einzig die Absicht, dass die neue Förderstruktur mit Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll, bleibt unangetastet. Bislang zumindest.

Doch selbst, wenn das lang geforderte Zurechtstutzen des Förder-Dschungels tatsächlich kommt, geht es an den Bedürfnissen des österreichischen Sports in Wahrheit vorbei. „Eine zentrale Förderung ist eine Sache, eine ganz andere ist jedoch die Frage, warum fördern wir etwas? Und davor drücken wir uns seit Jahr und Tag“, will Wolfgang Mayrhofer den Hebel ganz woanders ansetzen.

Die Hälfte von Jakarta, die in allem gut sein will

Der 58-Jährige holte 1980 Olympia-Silber im Segeln, lehrt an der Wirtschafts-Universität Wien und gilt in Bezug auf Sportstrukturen als Fachmann. In den vergangenen Jahren half Mayrhofer mit, den Segel-Verband für Rio auf Medaillen-Kurs zu bringen und war in leitender Funktion in das Sportministeriums-Projekt „Strategie 2018“ eingebunden.

Wolfgang Mayrhofer

Aus seiner Sicht sei die Umstrukturierung des Förderwesens aufgrund dessen Komplexität zwar prinzipiell begrüßenswert, unterm Strich jedoch voreilig. Schließlich mangle es nach wie vor an den Grundlagen: eine klare Zielsetzung, die sich daraus ableitende Strategie sowie Struktur. Erst dann würde man wissen, wofür wieviel Geld fließen müsse.

„Wenn ein Fremder jetzt unser Sportsystem anschaut, sagt er: Aha, ihr glaubt’s also, dass ihr in – sagen wir – 85 Sportarten weltspitze sein könnt“, veranschaulicht Mayrhofer. „Wohlgemerkt: einige Verbände wollen das eh nicht. Aber wo ist unser Dokument über langfristige Schwerpunkt- und Strategie-Setzung? Das ist ungefähr so, als wenn ein Unternehmen meint, von Babywindeln bis zu Öl-Raffinerien in allem gut zu sein. Zur Erinnerung: Österreich…acht Millionen…die Hälfte der Einwohner von Jakarta. Wie soll das funktionieren?“

Das klare Bekenntnis

Die von Sportminister Hans Peter Doskozil und dem scheidenden Projekt-Rio-Koordinator Peter Schröcksnadel in Aussicht gestellte Zuspitzung der Förderung auf – wenn man so will – Prime-Sportarten ist für Mayrhofer viel zu kurz gegriffen. „Profi-Sportarten wie Fußball, Tennis, Golf oder hierzulande Skisport einmal außen vorgelassen – weil die spielen in einer anderen Liga – drückt sich Österreich um ein echtes Bekenntnis für Spitzensport.“ Und das sei notwendig, um international reüssieren zu können.

"Wir sollten sechs bis acht Sportarten auf 40 Jahre hinaus fördern und sagen: Wir geben euch unabhängig von eurem Erfolg eine Ausstattung, dass ihr für die nächste Generation, die jetzt noch nicht einmal geboren ist, Weltklasse-Voraussetzungen schaffen könnt."

Wolfgang Mayrhofer

Wie so etwas aussehen könnte?

„Aus meiner Sicht sollten wir sechs bis acht Sportarten auf 40 Jahre hinaus fördern und sagen: Wir geben euch unabhängig von eurem Erfolg eine Ausstattung, dass ihr für die nächste Generation, die jetzt noch nicht einmal geboren ist, Weltklasse-Voraussetzungen schaffen könnt. Um Leute reinzubringen, sie zu betreuen und deren nachsportlichen Bereich zu gestalten“, denkt Mayrhofer voraus.

Geld bringe mittelfristig Erfolg. In den meisten Fällen zumindest. Laut dem Professor gebe es keinen Grund, warum Österreich in einzelnen Sportarten nicht genauso gut sein kann wie die ganze Welt.

„Zumindest in Sportarten, in denen wir schon einen gewissen Erfolg haben. Also vielleicht nicht gerade Rugby aussuchen, wo wir kein Knowhow haben“, spielt er auf eine Aussage von ÖOC-Präsident Karl Stoss an, der nach der Olympia-Goldenen Fijis Österreich ein ähnliches Abschneiden zutraute.

Darunter zwei weitere Sportarten-Klassen

Geht es nach Mayrhofer, sind die oben genannten sechs bis acht Sportarten jedoch nur die Spitze der Förderung.

„Darunter müsste es eine zweite Stufe von Verbänden geben, denen ich für Jahre Planungssicherheit gebe, abhängig von Erfolgen. Die werden in dieser Zeit gut gefördert“, führt der Wissenschaftler weiter aus. „Bringen sie ihre Leistung, ist das super – bringen sie keine, fallen sie in eine dritte Gruppe zurück.“ Diese würden kaum mehr Förderungen beziehen, müssten danach trachten, aufzusteigen.

Österreichs Sportsystem ist ungefähr so, als wenn ein Unternehmen meint, von Babywindeln bis zu Öl-Raffinerien in allem gut zu sein. Zur Erinnerung: Österreich…acht Millionen…die Hälfte der Einwohner von Jakarta.“

Wolfgang Mayrhofer

Austausch zwischen den Gruppen solle die Wettbewerbs-Fähigkeit schärfen.

Die üblichen Wahnsinnigen

Von einer Grundsatz-Entscheidung – „Was will Sport Österreich eigentlich?“ – ist jedoch nach wie vor keine Spur. Darüber kann auch die geplante Anhebung der Heeressport-Plätze von bisher 190 auf bis zu 300 nicht hinwegtäuschen. Und die Reformierung der Förder-Struktur sowieso nicht.

„Ich kann zentral fördern oder auch nicht, solange da nichts Langfristiges dahintersteckt oder kein knallhartes Wettbewerbs-Prinzip herrscht, wird Erfolg nur zufällig passieren. Dann gibt’s halt drei Wahnsinnige beim Segeln, einen in der Leichtathletik, einen über die Maßen begnadeten Ruderer und einen Schützen, der auf einmal alles niederschießt. Das ist cool – ja, aber keine systematische Sportförderung und keine systematische Spitzenspitzen-Politik.“

Dass es letztlich jedoch ist, wie es ist, wundert Mayrhofer nicht. „Wäre es anders, würde es wohl der österreichischen Seele zutiefst widersprechen.“

Da nehmen wir lieber das Wehklagen in Kauf. Wird ja eh immer leiser.


Reinhold Pühringer

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