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Polcanova nach Linzer Gold-Coup: "Es ist mein bestes Jahr"

Sofia Polcanova kürte sich zur Tischtennis-Europameisterin. Mit dem Erfolg fiel zunächst eine Menge Druck ab, danach folgten Erleichterung und Stolz.

Polcanova nach Linzer Gold-Coup: Foto: © GEPA

Aus dem Gesicht von Sofia Polcanova ist die Erleichterung abzulesen gewesen. Minuten davor hatte sie sich zum zweiten Mal zur Tischtennis-Europameisterin im Einzel gekürt, der vor und während des Linzer Turniers angefallene Druck fiel mit einem Mal ab.

"Ich brauche jetzt eine Woche Urlaub, eine Woche Schlaf durchgehend", sagte die 30-Jährige. "Ich habe 16 Matches gespielt, es ist irre." 14 dieser Partien gewann sie, die beiden Niederlagen brachten Silber in Doppel und Mixed.

"Ich kann es immer noch nicht glauben", fuhr Polcanova fort. "Ich habe mir vor eineinhalb Jahren dieses Ziel gesetzt. Bei allen Tiefen und Höhen, die ich schon erlebt habe, ist das wirklich sehr, sehr schön."

"Es geht immer um meinen Papa"

Am Sonntag vor EM-Beginn sei sie auf dem Linzer Barbara-Friedhof gewesen, wo ihr am 7. Mai 2015 verstorbener Vater begraben ist. "Ich habe mit ihm besprochen, dass ich kämpfen werde, egal, was passiert. Dass ich nicht aufgeben werde. Das habe ich jetzt gemacht. Das Ergebnis ist ein Wahnsinn, ich habe das Versprechen gehalten. Es geht einfach immer um meinen Papa."

Der habe ihr derart geholfen und war so prägend für sie, dass Polcanova nach dem Einzel-Triumph tränenreich gen Himmel blickte. Ihr Mann Peter sei es nun, der ihr Halt und Unterstützung gebe. Ihn hat sie sechs Tage vor dem Tod des Vaters kennengelernt.

"Es war wie ein Zeichen, und es schließt sich hier wirklich der Kreis. Ich liebe meinen Mann über alles. Er hat mich in der EM-Woche auf Händen getragen, damit ich alles bestens machen kann." Ab Donnerstag hatte sich der Glücksbringer freigenommen, wie in München 2022. Auch da hatte Polcanova drei Medaillen geholt.

Jetzt wird gefeiert

In der Woche nach dem Gewinn von zweimal EM-Gold und einmal -Bronze habe sie damals gleich das nächste Turnier gespielt, was ein Fehler gewesen sei.

"Ich habe mir gedacht, was mache ich hier? Die Tribünen waren leer, und ich habe auch in der ersten Runde verloren. Jetzt hingegen werde ich sicher einmal feiern. Ich werde das eine Woche genießen und verstehen, und dann wieder von vorne anfangen."

Geplant hat sie im November das Antreten beim WTT Champions in Frankfurt (3.-10.) sowie als eine von nur ein, zwei Europäerinnen bei den WTT-Finals in Fukuoka (20.-24.).

"Der Druck von außen war unglaublich groß"

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)

Für die gesamte Adventzeit und über Weihnachten soll dann aber ein Urlaubsblock folgen, es geht nach Hawaii. Das wird Polcanova dann auch ausreichend Zeit geben, um auf das Jahr 2024 zurückzublicken.

"Es ist mein bestes Jahr, und nicht nur darauf bin ich stolz. Ich war auch das ganze Jahr stabil. Dafür bin ich auch meinem Team vom Olympiazentrum dankbar." Wichtig sei gewesen, ein Turnier auch einmal nicht zu spielen, auf den eigenen Plan zu vertrauen. "Es ist so viel harte Arbeit. Das ist nicht nur Talent. Ich arbeite auch körperlich und mental sehr hart."

Der allgemeine Spruch, dass der zweite Titel schwieriger als der erste zu gewinnen sei, stimme auf jeden Fall. Und das Gefühl sei auch jetzt ein anderes als jenes vor dem Gold-Coup im Rahmen der European Championships.

"Der Druck von außen war diesmal unglaublich groß. Wenn man bedenkt, ich habe 2018 und 2022 drei Medaillen gewonnen, erwartet man von mir natürlich, dass ich das wieder so mache. Alle haben das erwartet, aber es ist so verdammt schwer, dass man auch nur eine (Medaille, Anm.) gewinnt. Es muss wirklich alles passen, und es hat gepasst."

Die neuen Ziele sind noch zu definieren

Wichtig sei ihr, dass sie ihr Programm so durchziehe, wie sie und ihr Team sich das vorstellen. Der Abschied im vergangenen Frühjahr von Linz AG Froschberg sei da nur ein Teil davon.

"Ich mache alles, wie ich das möchte und nicht, wie es mir die anderen Leute sagen. Das hat mich so stark gemacht. Was andere denken, interessiert mich jetzt alles nicht. Ich gehe meinen Weg."

Auf dem habe sie neue Ziele, über die sie noch nachdenken werde. "Ich muss die EM jetzt erst realisieren. Ich habe sehr viel dazugelernt. Das macht mich stolz, weil ich bin jetzt ein anderer Mensch."

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