Der Blick von außen.
Der mittlerweile als Psychologe in Los Angeles tätige Markus Rogan erklärt im Interview mit LAOLA1, warum die hohe Suderanten-Dichte am Schnitzel-Äquator mehr Olympia-Medaillen verhindert.
Außerdem nimmt der 34-Jährige, der 2004 zweimal Olympia-Silber holte, zu seinem pikanten "Blasen"-Sager Stellung:
LAOLA1: Herr Rogan, Ihr Putin-Sager hat in Österreich für viel Kopfschütteln gesorgt. Wollten Sie bewusst provozieren?
Markus Rogan: Ich muss zugeben, dass ich von den Reaktionen etwas überrascht war, sie aber verstehen kann, weil es letztlich nicht die eleganteste Ausdrucksweise war. Ich hätte es anders sagen sollen: Das war ein Kniefall des IOC vor Putin, der mich traurig und wütend macht.
LAOLA1: Sie waren in Rio als Psychologe für das brasilianische Schwimm-Team im Einsatz. Wie gut lief das?
Rogan: Auch wenn es zu keiner Medaille gereicht hat, waren es gemessen an der Anzahl der erreichten Finali mit acht die erfolgreichsten Spiele für die brasilianischen Schwimmer. Bisher stand die Bestmarke bei fünf. Das Feedback für meine Arbeit war ein positives. Sie hätten nur gerne schon früher und mehr mit mir zusammengearbeitet.
LAOLA1: Österreichs Schwimmer konnten keinen Vorlauf überstehen. Ein OSV-Rekord von Felix Auböck war das Höchste der Gefühle. Sind wir im Schwimmen jetzt wieder dort angekommen, wo wir vor 20 Jahren waren?
Rogan (im Vorjahr noch Verbandsberater; Anm.): Was hättest du von den österreichischen Schwimmern auch anderes erwarten sollen, wenn du im Verband Inkompetenz von oben bis unten hast?! Wenn du in Österreich erfolgreich sein willst, kannst du nicht in Österreich bleiben. Seien wir uns doch ehrlich: alle erfolgreichen österreichischen Schwimmer kommen nicht aus dem österreichischen System. So gesehen hat Auböck mit seinem Schritt ins Ausland genau das Richtige gemacht.
LAOLA1: Aktuell hält Österreich bei einer Medaille und sechs fünften Plätzen. Wie bewerten Sie das bisherige Abschneiden?
Rogan: Es ist sehr schön, dass wir eine Medaille machen. Das finde ich super! Gratulation!
LAOLA1: Angesichts der Ausbeute wurde der Mittel-Einsatz im Projekt Rio kritisiert. Ihr Standpunkt?
Rogan: Ich finde es wirklich mutig, was Peter Schröcksnadel gemacht hat. Mir geht vielmehr diese Suderei auf die Nerven. Das größte Problem des österreichischen Sports ist eine nicht erfolgsorientierte Kultur. Das ist für mich keine Atmosphäre, um erfolgreichen Sport zu kreieren. Dieses ständige Jammern ist einer der Gründe, warum ich nicht mehr in Österreich bin.
LAOLA1: Wie stufen Sie dieses Jammern aus psychologischer Sicht ein?
Rogan: Das Jammern alleine ist ja noch nicht das eigentliche Problem. Das Jammern kommt von erlernter Hiflosigkeit. Wir haben schon oft verloren, also fühlst du dich schnell als Verlierer. So entsteht übrigens auch Depression. Das Problem ist aber vielmehr der Zynismus, der dazukommt. Der Medaillengewinn jetzt ist das beste Beispiel dafür.
LAOLA1: Wie meinen Sie das?
Rogan: In einem Land, das 2012 ohne Medaille geblieben ist, müssten beim Gewinn von Bronze normalerweise Jubelschreie ausbrechen. Stattdessen kommt dieser zynische Beigeschmack hoch: "Naja, eine zählt eh auch nicht wirklich. Das ist praktisch gar keine." Nachzulesen etwa in den Foren. Und genau dieser Zynismus zerstört die Sportlermoral.
"Wenn du mit einem Philharmoniker über Musik sprichst, ist es so, wie wenn du mit einem amerikanischen Olympiasieger über seinen Sport sprichst. (...) So etwas kann man nicht mit Geld kaufen."
LAOLA1: Was heißt das nun für den Mitteleinsatz der 20 Millionen Euro für das Projekt Rio?
Rogan: Auch mit 20 Millionen Euro kannst du dir weder ein Gegengift gegen diesen Zynismus noch eine Erfolgskultur kaufen. In Österreich sind nicht die Förderungen das Problem. In Österreich werden Sportler besser gefördert als in den USA. Ich kenne viele US-Schwimmer, die am Wochenende Schwimmkurse geben, um sich ihr Training zu finanzieren.
LAOLA1: Bezieht sich dieses von Ihnen geortete Phänomen der fehlenden Erfolgskultur auf die gesamte österreichische Gesellschaft?
Rogan: Nein, ich habe Gegenbeispiele kennengelernt. Im Sport sind das die Skifahrer. Abseits davon auch die Wiener Philharmoniker. Die haben eine total spannende Team-Kultur. Der spürbare Respekt vor ihrer eigenen Leistung - einfach toll! Wenn du mit einem Philharmoniker über Musik sprichst, ist es so, wie wenn du mit einem amerikanischen Olympiasieger über seinen Sport sprichst. Das ist ein leidenschaftliches Beschreiben eines Prozesses. So etwas kann man nicht mit Geld kaufen. Schröcksnadel versteht diese Einstellung. Die Idee war, diese Kultur vom Winter- in den Sommersport zu transferieren. Doch wie soll das gehen, wenn du nur Beamte unter dir hast? Der Fehler war, dass die 20 Millionen in das österreichische System eingespeist wurden, in dem nicht der beste Sportler, sondern der beste Förderantrag gefördert wird.
LAOLA1: Nehmen Sie in Bezug auf das Jammern auch uns Medien in die Pflicht?
Rogan: Es ist ein wirklich schöner Sport, alles niederzuschreiben. Das ist ein Teil des Ganzen. Und mit Jammern kenne ich mich aus, schließlich betreue ich depressive Jugendliche.
LAOLA1: Gibt es aus psychologischer Sicht Parallelen zwischen den erörterten Problemen Österreichs und jener Ihrer Patienten?
Rogan: Ein Vergleich zwischen einem Land und einem klinisch depressiven Jugendlichen ginge dann doch zu weit.
Das Interview führte Reinhold Pühringer