Lisa Ecker sagt es frei heraus: "Ich bin seeehr emotional."
Die 23-Jährige hat am Sonntag die olympische Mehrkampf-Quali mit 52,966 Punkten beendet. Mit reichlich Tränen. Jedoch setzten diese bei der Linzerin schon VOR dem Wettkampf ein.
"Bevor wir rausgingen, waren die Emotionen einfach zu groß", lacht Ecker. Und lachen darf sie, denn ein Erreichen des Finales war ohnehin nicht zu erwarten gewesen. Zumal es bei ihr Spitz auf Knopf stand, ob sie überhaupt in Rio vorturnen darf, hatte ihr ein gebrochener Mittelfußknochen Anfang März doch fast einen Strich durch dieses Vorhaben gemacht.
Lediglich die erträumte persönliche Bestmarke von 54 Punkten konnte sie nicht knacken. Mitverantwortlich dafür war der Abgang am Stufen-Barren, als sie sich kurz unfreiwillig auf den Hintern setzte.
"Am Anfang dachte ich noch, dass ich den jetzt super stehe, dann habe ich aber leicht überdreht." Einen Punkt kostete ihr der einzige augenscheinliche Fauxpas. "Wahrscheinlich sogar noch ein bisschen mehr, weil die technische Ausführung nicht sauber war", rechnet Ecker vor, dass sie ohne diesen recht knapp an ihre Wunschmarke herangekommen wäre. "Der Sturz ist zwar blöd, aber im Endeffekt bin ich so glücklich mit meiner Darbietung vor dieser Wahnsinns-Kulisse", kommen Ecker schon wieder fast die Tränen.
Apropos Tränen
Dass Ecker bei ihrem Auftakt-Gerät, dem Boden, letztlich nicht mit ganz verweintem Gesicht auftrat, dafür sorgten zwei Damen. Genauer gesagt zwei Gratts.
Die Eine, Johanna Gratt, ist ihre Trainerin. Allerdings nicht bei den Spielen in Rio. Dort sitzt sie im Wertungsgericht. Am Sonntag justament in jenem am Boden. "Ich war froh, dass sie genau hinter mir gesessen ist, bevor ich angefangen habe. Da habe ich ihre Aura gespürt." Ein kurzes Zuflüstern war Gratt als Teil des Wettkampfgerichts nicht erlaubt. "Aber der kurze Blickkontakt davor hat schon ausgereicht", verrät Ecker.
Einfluss auf die 13,266 Punkte, die Ecker am Boden bekam, hatte Gratt keine. Sie kontrollierte lediglich das Wertungsgericht.
Den Fokus zurechtgerückt
Die andere Gratt heißt im Vornamen Tanja und ist die Tochter von Johanna. Sie sprang anstelle ihrer Mutter als Chef-Betreuerin ein. Die Zusammenarbeit zwischen ihr und Ecker ist eingespielt, schließlich hilft sie dem ÖFT-Aushängeschild mehrmals die Woche in Linz beim Verbessern des Ausdrucks.
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Tanja war es schließlich, die Eckers Wettkampf-Fokus vor dem Beginn wieder tränenfrei wischte. "Sie hat mich in den Arm genommen und gesagt, dass ich einmal durchschnaufen und es genießen soll. Danach kann ich so viel weinen, wie ich will", lacht Ecker, die erst nach einer längeren Pause entscheidet, ob und wie sie weiterturnen will.
Bei soviel Emotion darf natürlich der Freund auf der Tribüne nicht fehlen. Lukas Kranzlmüller, der die Qualifikation für den olympischen Turn-Wettkampf nur knapp verpasst hat, drückte mit Eckers Eltern auf der Tribüne die Daumen. Was er zur Leistung seiner Lisa sagen wird? "Er wird sich freuen und sagen, dass ich gut geturnt habe."
Na wenn dabei keine Tränen fließen…
Aus Rio berichtet Reinhold Pühringer