Anna Kiesenhofer ist Olympiasiegerin.
Die 30-jährige Niederösterreicherin schockte die Olympia-Welt und ganz Österreich im positiven Sinne mit ihrer Sensationsfahrt im Rad-Straßenrennen der Frauen. Was am Beginn noch wie eine temporäre Attacke einer Außenseiterin ansah, wurde zur Ausreißergruppe und schließlich zur sensationellen Solo-Fahrt auf das oberste Treppchen.
Kaum jemand hatte die Doktorin der Mathematik auf dem Radar, was ihr zugute kam: So versäumten die Favoritinnen im Hauptfeld, eine Attacke zu starten. Kiesenhofer wurde schlicht vergessen, wie die Silberne Annemiek Van Vleuten zugab (HIER nachlesen>>>).
Trotz des Vorsprungs glaubte die ÖRV-Athletin bis zuletzt nicht, dass der größte Erfolg ihrer Karriere real wird: "Ich habe es erst nach der Ziellinie glauben können, ich war nie sicher. Ich war bis zur Ziellinie voll mit Adrenalin", so ihre erste Reaktion im "ORF".
"Ich habe mein Leben auf der Straße gelassen. Meine Beine waren komplett leer. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so verausgabt. Ich konnte kaum noch treten. Es hat sich angefühlt, als wäre da überhaupt keine Energie mehr in meinen Beinen. Selbst, als ich über die Ziellinie gefahren bin, dachte ich irgendwie: 'Ist es jetzt geschafft? Muss ich noch weiter fahren?' Unglaublich!"
Glück und Überraschung spielten perfekt mit
Die taktische Herangehensweise stellte sich als perfekt heraus.
"Ich hatte geplant, ab Kilometer null zu attackieren und ich war froh, mich an die Spitze setzen zu können. Das ist nicht selbstverständlich, weil ich nicht gut darin bin, im Peloton zu fahren. Ich bin glücklich, dass ich nicht zu viel Angst hatte und mich einfach getraut habe", resümiert die Zeitfahr-Spezialistin.
"Ich habe attackiert und in der Gruppe haben wir mehr oder weniger zusammengearbeitet. Es war schon hilfreich, eine Gruppe zu erwischen. Ich habe gesehen, dass ich die Stärkste bin und ich wusste, dass ich den Anstieg vor der langen Abfahrt nutzen kann. Da ich in der Abfahrt ziemlich gut bin, konnte ich noch etwas mehr Zeit herausholen und dann war es bis ins Ziel wie ein Zeitfahren."
Die Faktoren "Glück" und "Überraschung" seien auf ihrer Seite gewesen, auch die Rolle als Underdog trug ihren Teil zum Sieg bei. "Als bekannte Fahrerin hätten sie einem nicht so viel Vorsprung gelassen. Da habe ich den Vorteil, dass ich bisschen ein Underdog bin."
Die Extrawürste zurückgezahlt
Kiesenhofer ist die einzige österreichische Radfahrerin bei den Olympischen Spielen und musste sich als Amateurin erst in einer internen Qualifikation durchsetzen. Ihre Nominierung war nicht unumstritten, stellte sich nun aber im wahrsten Sinne des Wortes als goldrichtig heraus.
Die Bedeutung für das Land und ihren Sport kann die Niederösterreicherin noch gar nicht richtig einschätzen. "Nur für die Leute, die in meiner Nähe sind. Ich bin einfach froh, dass ich ihnen das zurückgeben kann, die ganzen Mühen. Ich bin ja ein bisschen kompliziert und will immer Extrawürste. Ich will drei verschiedene Iso-Mischungen und bin beim Material auch ein bisschen heikel. Ich bin es gewöhnt, alles ein bisschen für mich allein zu machen", lacht sie.
Apropos alles allein machen: Ausgerechnet für das Einzelzeitfahren, Kiesenhofers Steckenpferd, hat Österreich keinen Startplatz.
Und ob der Olympiasieg etwas an der weiteren Laufbahn der Mathematikerin ändern wird? Einem erneuten Anlauf als Profi winkt sie eher ab.
"Zumindest nicht für Straßenrennen. Einzelzeitfahren liegt mir, für Straßenrennen hab ich nicht den Charakter. Ich mag das Fahren im Feld nicht."
Zum Glück. Allein an vorderster Front schenkte sie Österreich und sich selbst schließlich den schönsten Sieg.
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