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Kiesenhofer: "Dann hätte ich Angst gehabt"

Das sagt die Olympiasiegerin zum Fauxpas ihrer Konkurrenz:

Kiesenhofer: Foto: © getty

Die Überraschung bei Topfahrerin Annemiek van Vleuten war groß, als sie im Ziel des Olympischen Straßenrennens über vermeintliches Gold jubelte, ehe sie darauf hingewiesen wurde, dass Anna Kiesenhofer bereits vor ihr die Ziellinie überquerte und sich damit zur Olympiasiegerin kürte. 

Dass van Vleuten nicht einmal mitbekommen hat, dass sie vor ihr liegt, ringt Kiesenhofer ein Schmunzeln ab. "Es ist cool als Überraschungssiegerin. Es war mein Vorteil, weil wenn ein Star sich auf die Flucht begibt, hat er andere Nationen, die einen jagen. Aber bei mir dachten sie wohl: Die kennt man nicht, die ist schlecht."

Im Gegensatz zu World-Tour-Rennen sind Funkverbindungen im Olympischen Rennen nicht erlaubt, die Informationen über den Rennverlauf kommen nur von den begleitenden Fahrzeugen. Eine besondere Situation, sowohl für die favorisierte Niederländerin als auch für Kiesenhofer. 

"Ich wusste nicht, wer da jetzt 45 Sekunden hinter mir ist. Hätte ich gewusst, dass Annemiek hinter mir ist, hätte ich vermutlich etwas Angst gehabt", grinst die Olympiasiegerin. 

Wie der Niederländerin der Fauxpas passieren konnte, kann sie sich nicht erklären. Van Vleuten ist und bleibt dennoch ein Vorbild für Kiesenhofer. "Das ist blöd gelaufen für sie. In einem Einzelzeitfahren hätte ich keine Chance", gesteht die Olympiasiegerin. 

Kiesenhofer plant ihre Karriere selbst

Keine der von den Niederländerinnen angeführten Favoritinnen hatte die Einzelkämpferin aus Austria nach deren Attacke gleich nach dem Start als gefährliche Rivalin eingestuft. Doch die Außenseiterin zog bis ins Ziel durch, hatte 50 Kilometer vor dem Ziel des 137-km-Bewerbs noch fast sechs Minuten Vorsprung, ließ rund zehn Kilometer später auch die letzten zwei der vier Fluchtgefährtinnen hinter sich und vollendete den Coup in großartiger Manier. Die Mathematikerin hatte perfekt kalkuliert.

Die Profi-Fahrerinnen der WorldTour-Teams und Mehrfach-Medaillengewinnerinnen genießen in ihrem Sportleben perfekte Betreuung. Kiesenhofer plant ihre Karriere mit Training, Ernährung, Material und Renneinteilung hingegen selbst. "Ich mache kein Höhentraining und keine großen Trainingslager, ich halte mich an die Grundlagen", gibt die an der Universität Lausanne als Mathematikerin lehrende und forschende Niederösterreicherin preis. "Darauf bin ich stolz. Ich bin selbst das Mastermind hinter meinen Erfolgen."

Ihre Kopfarbeit und das Training zu kombinieren, sei eine große Herausforderung, betont Kiesenhofer. "Das ist die größte Hürde. Ich muss das gut planen, nicht, dass ich nach einem Fünf-Stunden-Training noch harte Mathematik vor mir habe."

Für die fordernden Bedingungen in Tokio hatte sie auch die Hitzeanpassung forciert. "Diese Bedingungen liegen mir ohnehin, aber das hat geholfen. Ich habe unter der Hitze nicht gelitten." Sie habe in ihrem Sportlerleben herausgefunden, was das Beste für sie sei, meint Kiesenhofer.

Alles für Olympia geopfert

Trotz ihrer Uni-Tätigkeit in der Westschweiz nimmt der Radsport einen großen Teil ihres Lebens ein. "In den letzten eineinhalb Jahren war ich völlig auf Olympia fokussiert", erklärt die Weinviertlerin auf der Pressekonferenz. "Ich habe alles für ein gutes Resultat geopfert, das hätte ich auch für einen 25. Platz gemacht. Unglaublich, dass es Gold geworden ist."

National- und Klubtrainer Klaus Kabasser hob die Qualitäten der Olympiasiegerin hervor. "Sie ist mental extrem stark, sie bereitet sich extrem detailliert und gewissenhaft vor. Wenn sie Ziele hat, dann verfolgt sie diese sehr konsequent, nicht umsonst ist sie mit 30 schon Professorin der Mathematik."

Kiesenhofer warnt junge Sportlerinnen davor, uneingeschränkt auf Autoritäten zu vertrauen. "Ich habe gemerkt, dass die, die sagen, sie wissen viel, in Wahrheit nichts wissen." Man solle nur wenigen Leuten vertrauen und genau aufpassen, wer das sei. "Diese Zahl ist bei mir sehr begrenzt. Die, denen ich vertraue, stehen mir sehr nahe."


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