Rund sieben Meter Luftstand. Bis zum Dreifachen des Körpergewichts an Belastung auf den Knien bei der Landung.
Einen dankbaren Sport für Knieverletzungen gibt es nicht. Beim Trampolin sollte man meinen, ist ein Kreuzbandriss erst recht nicht wegzustecken.
Aber dass eine unglückliche Landung am 15. März, kein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen 2024 in Paris die erste Teilnahme eines Österreichers überhaupt in dieser Disziplin verhindern sollte? Das kam Benny Wizani nicht in den Sinn.
"Glück im Unglück", sagt der seit kurzem 23-Jährige vier Monate nach der Verletzung bei LAOLA1. Weil es "nur" ein isolierter Riss des vorderen Kreuzbandes war, der im Training passierte.
Es geht auch ohne Kreuzband
So zumindest der erste Eindruck. Und der hätte bedeutet, unglaublich, aber wahr: Das lässt sich kompensieren. Enorme Athletik im Turnen sei Dank ist die Beinmuskulatur so ausgeprägt, die enormen Kräfte auf das Knie auch ohne Kreuzband abzufangen.
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Deswegen: Eine Operation wagen, die den Olympia-Traum beendet hätte? Kam nicht in Frage. Noch nicht. Zu hell leuchtete das Ziel Paris schon am Horizont. Also rein in eine konservative Therapie. Und weiter mit dem Training.
"Als nach drei Wochen in Sachen Beweglichkeit aber weniger weiterging, als ursprünglich gedacht, haben wir noch ein Kontroll-MRT gemacht. Bei dem herausgekommen ist, dass Meniskus und Seitenband auch feine Einrisse haben. Das hat uns nach hinten geworfen mit der Planung", erinnert sich der Tullner zurück.
Nach hinten geworfen - aber nicht gestoppt. "Letztendlich ist es top aufgegangen. Und mittlerweile sind wir in einer sehr guten Form, mit der es auch nicht mehr peinlich ist, bei Olympia an den Start zu gehen. Ich bin schon fast wieder auf demselben Niveau wie zuvor. Und das alles hat sich innerhalb von drei Monaten abgespielt."
Reine Kopfsache
"Wir"? Damit meint Wizani sein ganzes Team, das sich in diesen Wochen um ihn kümmerte. Allen voran aber Wilfried Wöber, der Benny schon seit seinem ersten Auftauchen bei der WAT Brigittenau - damals eigentlich noch zu jung dafür - unter seinen Fittichen hat. Also seit rund 15 Jahren.
"Es war aber der Kopf das Problem, nicht das Knie. Man muss sich halt darauf einlassen."
Die letzten Wochen wurden auch für den Trainer zur Belastungsprobe der anderen Art: "Das war vor allem am Anfang ziemlich, ziemlich hart. Jakob, unser Athletiktrainer, hat ihn öfter gesehen als ich. Ich bin erst seit der Europameisterschaft Ende Mai wieder stärker ins Training aufgenommen worden", so Wöber, der neben dem Sport auch in der Wissenschaft glänzt und Anfang des Jahres seinen Doktor an der Wiener BOKU abschloss.
Dass Wizani seit 2017 mit einer Sportpsychologin zusammenarbeitet, hat auch seinen Wert erhöht. Unmittelbar nach der Verletzung war das Training Kopfsache.
"Die ersten zwei Wochen waren sehr verhalten. Als ich das erste Mal am Trampolin war, habe ich drei Sprünge gemacht und gedacht: 'Das geht nicht'. Es war aber der Kopf das Problem, nicht das Knie. Man muss sich halt darauf einlassen. Und das macht man als Leistungssportler, weil man unbedingt möchte."
Folgt die OP nach Paris?
So war es vor allem der Wille, der Wizani durch die letzten Wochen trug. Um am 2. August ein Stück österreichische Turngeschichte zu schreiben, wenn in Paris die größtmögliche Bühne für den sonst weniger beachteten Sport wartet.
Nach diesem Frühjahr ist die bloße Teilnahme ein Sieg - möchte man meinen. Aber "das Sprichwort 'Dabeisein ist alles' ist Blödsinn", verdeutlicht Wizani.
Immerhin verlief der bisherige Weg zurück so vielversprechend, dass mittlerweile auch das alte Programm wieder angedacht wird.
Und als Bronze-Gewinner der Olympischen Jugendspiele 2018, EM-Vierter 2022 und WM-Sechster 2023 hat Wizani im Feld der nur 16 Turner durchaus etwas vorzuweisen.
Unklar ist noch, wie es danach weitergeht. Denn der Verzicht auf eine Operation sollte den Olympia-Traum retten, vom Tisch ist sie nicht. "Aktuell liegt die Tendenz bei einer OP nach den Spielen, aber das wurde nur einmal in den Raum geworfen."
Umso beachtlicher ist Wizanis Teilnahme.