Olympia 2024
news

Die Ehre der Fahne: "Mindestens so bedeutend wie Medaille"

Ehemalige Fahnenträgerinnen und Fahnenträger erinnern sich. Warum der Stellenwert so hoch ist - und das Gefühl der alten Zeiten trotzdem ein anderes war.

Die Ehre der Fahne: Foto: © GEPA

Es wird ein besonderer Tag. Für die Geschichte der Olympischen Spiele. Für die Sportlerinnen und Sportler. Ganz besonders auch für Felix Oschmautz und Michaela Polleres.

Die Spiele der 33. Olympiade werden in Paris mit einer Eröffnungsfeier gestartet, die es in dieser Form noch nie gab. Nicht in einem Stadion, sondern auf hunderten Booten über Kilometer gezogen entlang der Seine. Die alleine deswegen schon seit Tagen eine Sperrzone ist>>>.

Das Duo aus Kanute und Judoka wurde als Fahnenträger auserkoren. Ein Mann und eine Frau, passend zu den ersten Spielen, bei denen zahlenmäßig komplette Geschlechterparität gilt.

Als solche sind sie die Speerspitze des österreichischen Teams bei der Show vor einem Milliardenpublikum.

Bedeutung über den Sport hinaus

Ein herausragender Moment in einem Sportlerleben, wie ehemalige Fahnenträgerinnen und Fahnenträger bei LAOLA1 hervorstreichen.

"Für mich war das mindestens so bedeutend wie eine Medaille. In meinem Sportlerleben war das sicher das Highlight", hält sich etwa Liu Jia bei der Einschätzung dieses Erlebnisses nicht zurück.

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Sie war 2016 in Rio de Janeiro als bislang letzte Athletin vor zehntausenden Menschen mit dieser Ehre betraut, ehe in Tokio die pandemiebedingten "Geisterspiele" folgten.

Besonders für sie als eingebürgerte Sportlerin hatte diese Aufgabe enorme symbolische Bedeutung: "Es ist die Bestätigung gewesen, dass ich nicht nur Leistungsträgerin bin, sondern von der Gesellschaft auch akzeptiert und angenommen. Diese Ehre ist über jedem sportlichen Erfolg", schwärmt "Susi" - diesmal nur Unterstützerin - auch acht Jahre danach noch.

Keine leichte Aufgabe

Dabei war diese Ehre fast schon mit Arbeit verbunden. "Die Fahne war richtig schwer! Eine Runde durch das ganze Stadion ist damit nicht gegangen, weil ich fast zurückgekippt bin", lacht die eher zierliche Tischtennis-Allzeitgröße Österreichs.

Zum Glück bekam sie Hilfe: "Jeder wollte sie einmal tragen, alle haben gratuliert. Die Stimmung war richtig gut."

Außerdem wird den Fahnenträgern der besondere Status der Olympischen Spiele noch einmal vor Augen geführt: "Wir hatten einen eigenen Bus, die Fahnenträger aller Nationen waren drin. Rafael Nadal etwa. Ganz, ganz viele Stars."

Ein Selfie mit Kobe

Hagara mit der Fahne in Athen 2004
Foto: © GEPA

Wie die Zusammenkunft der besten Sportlerinnen und Sportler des Planeten eine einmalige Gelegenheit darstellt, Bünde zu knüpfen: "Wir haben auch Stars aus anderen Nationen gesucht und Selfies gemacht. Mein Problem ist, dass ich oft zu schüchtern bin und mich nicht traue", so die sechsfache Olympia-Teilnehmerin.

Das wichtigste Selfie ergatterte sie aber bereits 2008: "Ich habe tatsächlich aus Peking ein Foto mit Kobe Bryant."

Letztendlich war die Erfahrung als Fahnenträgerin so bedeutend für Liu Jia, dass sie sogar den Sport ein ganz klein wenig hintanstellte: "Es war die Überlegung, ob wir absagen, weil es vielleicht einen negativen Einfluss auf die bald danach beginnenden Bewerbe haben könnte. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe."

Gold nach dem Fahnentragen

Probleme, die die Segler 2004 nicht hatten. In Athen trug Roman Hagara die Fahne bei der Eröffnungsfeier - um im Anschluss seinen Olympiasieg im Tornado mit Hans-Peter Steinacher zu wiederholen.

"Alle Athleten sind versammelt, es mischt sich durch und du triffst Sportgrößen, die du selbst nur aus dem Fernsehen kennst - ein einmaliges Erlebnis", erinnert sich der mittlerweile 58-Jährige zurück.

Insgesamt vier Eröffnungs- und fünf Schlussfeiern erlebte Hagara schon mit, in Paris könnte eine sechste Abschlussveranstaltung folgen. Als Segeltrainer ist er auch Teil des Aufgebots für Paris 2024, die Eröffnungsfeier geht sich für die Segelsparte aber nicht aus. Immerhin kämpfen die vor Marseille um die Medaillen.

"Die Sydney-Spiele habe ich in vollsten Zügen genossen und werde ich nie vergessen. Es war noch in der Zeit vor den großen Sicherheitsbedrohungen und vielen gesellschaftspolitischen Themen. Es war noch unbeschwert."

Christoph Sieber

Im Falle eines erfolgreichen Abschlusses des sportlichen Parts könnte sich im Stade de France die Erinnerung an die bislang schönste Erfahrung auf andere Art wiederholen: "Das war für uns jene in Sydney 2000, als nach dem Gewinn der ersten Goldmedaille alles noch einmal intensiver war - und die Australier sind ein extrem sportbegeistertes Volk."

Das haben sie ja mit den Franzosen gemeinsam.

Eine Erinnerung an die Werte

Fahnenträger bei dieser besagten Abschlussfeier in Australien war Christoph Sieber. Der nunmehrige "Chef de Mission" im ÖOC gewann seine Goldene im Windsurfen ebenfalls bei den Spielen 2000.

Samt der neuen Funktion nach der aktiven Karriere kamen über die 40 Eröffnungs- und Abschlussfeiern bei diversen Events zusammen. Die Eröffnung der Olympischen Spiele 2024 wird dazukommen.

Sieber ist es wichtig, den verbindenden Charakter Olympias hervorzustreichen, der in dieser gemeinsamen Eröffnungsfeier auch ausgedrückt wird: "Viele sind Individualsportler, und das ist ein eigener Zugang zur Thematik. Ganz im Sinne der olympischen Werte von Freundschaft, Respekt und gemeinsamen Höchstleitungen. Und trotzdem hat man seine Heimat, freut sich, die Fahne zu tragen, die das Umfeld repräsentiert, in dem man groß geworden ist, das einem all das ermöglicht hat."

Er freut sich auf eine "unglaubliche Energie": Wenn der ganze Planet, Milliarden Menschen zusehen, erzeugt das diese Energie, die unvergleichlich ist."

Nicht mehr wie früher

Auch, wenn die Erlebnisse aus der olympischen Vergangenheit in dieser Form nur schwer erneut zu erreichen sind. Einfach aufgrund der Weltlage.

"Die Sydney-Spiele habe ich in vollsten Zügen genossen und werde ich nie vergessen. Es war noch in der Zeit vor den großen Sicherheitsbedrohungen und vielen gesellschaftspolitischen Themen. Es war noch unbeschwert."

Dieses Gefühl werden die Spiele in Paris nicht bieten können, so viel ist schon vor der Eröffnung klar. Wenn alles gut geht, könnten diese Begleitaspekte aber zumindest vorübergehend ausgeblendet werden.

Nicht nur den Sportlern wäre das zu wünschen - sondern der ganzen Welt.

Olympia: In diesen Sportarten jubelte Österreich am öftesten

Kommentare