Die Sportstätten der Olympischen Spiele 2024 sind über die ganze Stadt und die Region rund um Paris verteilt. Urbaner soll die Mega-Veranstaltung sein, direkt zu den Menschen kommen.
Eine Tradition aber bleibt: Die Sportlerinnen und Sportler bekommen mit dem Olympischen Dorf ihre eigene Welt, in der sie abseits der Trainings und Wettkämpfe die allermeiste Zeit verbringen.
Bis auf einige wenige Athletinnen und Athleten lässt sich der absolute Großteil der 10.500 Athletinnen und Athleten diese Erfahrung, die irgendwie zum Gesamterlebnis dazugehört, nicht entgehen. Die Ausnahme sind nur einige absolute Superstars und all jene, deren Schauplätze einfach zu weit von Saint Denis entfernt liegen.
Ein bisschen wie Wien
Dieser Stadtteil im Norden, hauptsächlich durch das Stade de France bekannt, soll von den Spielen ganz besonders profitieren. Ein Problembezirk, der durch die Errichtung des Dorfs langfristig aufgewertet wird.
Wohnungen - ein Drittel davon für den sozialen Bereich - Büros und Geschäftsflächen werden später aus dem neuen Stadtteil, das bei der Tour für LAOLA1 - angeführt von Christoph Sieber, Chef de Mission des ÖOC - ein wenig wie das Wiener Sonnwendviertel wirkt: Aufgeräumt, modern, aber auch irgendwie steril.
Die Fortbewegung findet zu Fuß, per Rad oder Elektro-Golfkarts statt, die quasi nach dem Prinzip "Hop on, hop off" funktionieren.
Man zeigt sich
Es ist ein Ort der Zusammenkunft - für die Athletinnen und Athleten, denn auch der Medienbesuch ist die absolute Ausnahme. Wer hier Zutritt hat, dem fehlt es an absolut nichts.
Gleich nach dem Eingang wartet der Hauptplatz, der "Village Plaza": Shops, eine Post, ein Beauty-Salon, ein Familienbereich mit Kinderkrippe und ein Souvenirshop finden sich hier genau wie das Friedensdenkmal und ja - auch eine Raucherzone. Wohl eher nicht für die Aktiven.
In einem anderen Bereich des Dorfes gibt es noch eine Wäscherei, ein religiöses Zentrum und eine Klinik.
Einmal um die Ecke gebogen, beginnt die farbenfrohe Parade. Denn welche Nation wo zu finden ist, ist nicht zu übersehen. Den eigenen Appartement-Block mit dem passenden Branding zu versehen, ist schon zum Wettbewerb unter den Nationen geworden.
Einen Sieg nach Punkten gibt es für die orange Fassade der Niederländer, die auch einen Medaillen-Count ihres Teams installiert haben.
Ommmmmmmmm
Ein paar Meter weiter nach rechts eingebogen, findet sich das administrative Herzstück des Dorfes - und, aus Athletensicht noch essenzieller: ein riesiges Fitnesscenter. Links Cardiogeräte, rechts Maschinen zum Krafttraining.
Und einen Stock höher: Die "Mindfulness Zone". Die gab es vorher noch nie.
Hier herrscht Flüsterton. Denn sie soll ein Rückzugsort sein. Um den Kopf freizubekommen. Neben der körperlichen Fitness ist auch die psychische neu im Fokus.
Hier können die Sportlerinnen und Sportler auf jede erdenkliche Art entspannen. Beim Malen, Schreiben, Yoga oder in der virtuellen Welt, VR-Brillen mit Ruheprogrammen stehen zur Verfügung und sind auch die beliebteste Einrichtung.
Perfekte Lage für Österreich
Das wahre Herzstück ist aber die Dining Hall, deren Zugang die Flaggen sämtlicher Nationen flankieren. Tausende Menschen können in der umfunktionierten Fabrikshalle gleichzeitig dinieren. Ganz nach eigenem Gusto: Nach regionalen Küchen ist die Halle unterteilt, um jeder Ecke der Welt ihr bekanntes Menü zu kredenzen - von Asiatisch über Halal bis hin zum regionalen Angebot.
Eins ist aber jedem Angebot gemein: Dem übergeordneten Motto der Nachhaltigkeit entsprechend gibt es mehr pflanzliche Ernährung als Fleisch. Die Zutaten kommen aus der Umgebung - und wer später am Abend kommt, hat nicht mehr die ganze Speisekarte zur Auswahl.
Vis a vis befindet sich der Transport Hub, von dem aus die Shuttlebusse zu den Wettkampfstätten fahren. Und nur ein paar Schritte weiter: Österreichs Ecke. Kaum eine Nation im Dorf liegt so günstig an den beiden neuralgischen Punkten, freut sich Sieber.
In einem späteren Ecklokal unter der Schweizer Herberge hat sich das ÖOC eingerichtet, der Anlaufpunkt für die rot-weiß-roten Athletinnen und Athleten. Gerade zum Zeitpunkt des Besuchs kommt das gesamte Judo-Team mit Sack und Pack an, um seine Zimmer zu beziehen.
Das Appartementgebäude befindet sich nur 100 Meter weiter, Österreich teilt es sich mit Brunei. Dass viele Gebäude erst kurzfristig fertig wurden, ist beim Betritt zu erahnen: Chemischer Geruch zieht durch den Aufzug und die Flure, frisch ausgemalt eben.
Und das in weiß: Die Wohnungen selbst sind spartanisch eingerichtet. Weiß in weiß, Sitzgelegenheiten, ein Tisch, ein Badezimmer und die schon berühmten Kartonbetten, jeweils zwei pro Zimmer.
Heikle Nachbarschaft
Vollständig recyclebar sollen sie sein - und dabei gleichzeitig kühlen, weil luftdurchlässig gebaut. Belegt mit einer dreiteiligen Matratze mit Füllung aus Fischernetzen, die sich individuell zusammenbauen lässt: Zu diesem Zweck gibt es sogar eine eigene Möglichkeit im Dorf, seinen Körper scannen zu lassen. Hart liegt man aber so oder so, das sei nach einer kurzen Probe verraten.
Wer es noch ungemütlicher mag, für den finden sich im "Gartenbereich" des Gebäudes auch noch Eisbäder. Mit Blick auf die heikle Nachbarschaft: Neben dem Haus der Österreicher steht jenes Israels. Deutlich weniger zugänglich, deutlich besser bewacht.
Hier im Dorf ist es die einzige Erinnerung an eine angespannte Weltlage. Das reicht auch.