Österreichs Bahnradler Tim Wafler und Maximilian Schmidbauer steigen am Donnerstag in das Olympia-Geschehen ein (ab 17:00 im LIVE-Ticker).
Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris haben sich die beiden mit LAOLA1 unterhalten. Ein wesentlicher Punkt war die Problematik der Trainingsmöglichkeiten in Österreich, die mittlerweile gar nicht mehr vorhanden sind.
Es fehlt massiv an Infrastruktur, weshalb der Trainingsaufwand allein durch das Reisen erheblich gesteigert wird. Im Gespräch haben Wafler und Schmidbauer mehr darüber erzählt, und sich auch mit der Frage nach dem oder den Verantwortlichen dieser unglücklichen Lage beschäftigt.
"Wie, wenn einem das Haus weggenommen wird"
Wo trainieren Österreichs Bahnradler eigentlich? Bis Juli 2021 hieß die Antwort: Dusika-Stadion. Beide Radler sind mit dieser Sportstätte groß geworden, doch dann wurde der Betrieb plötzlich eingestellt, der Abriss des "Ferry-Dusika-Hallenstadions" wurde beschlossen.
"Es ist schon, muss man ehrlich sagen, extrem traurig gewesen. Also ich sage es sogar ehrlich: Es ist eine Träne geflossen, weil es doch ganz lange geheißen hat, ja, vielleicht, vielleicht nicht", schildert Tim Wafler die damaligen Geschehnisse.
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Tim Wafler: "Ich habe das in die Wiege gelegt bekommen"
Er erzählt weiter: "Es ist dann alles sehr schnell gegangen, auf einmal. In zwei Wochen hat es geheißen, okay, jetzt sind unsere letzten Trainings. Und das ist schon wirklich, wirklich schade gewesen, gerade weil es halt einfach eine echt richtig gute Bahn war. (...) Es gab nicht so viele bessere."
"Ich glaube, da ist auf jeden Fall die Verantwortung bei den Politikern und Politikerinnen jetzt gesucht, weil ich finde, dass es so nicht weitergehen kann."
Für den 22-Jährigen ist es besonders bitter, so war das Dusika-Stadion für ihn praktisch ums Eck. Drei Kilometer betrug die Entfernung vom Heim des Sportlers zu seiner Trainingsstätte, "das ist wie, wenn einem das Haus weggenommen wird."
Auch der 22-jährige Schmidbauer verbrachte seine Jugend im Dusika-Stadion, allerdings nicht immer auf der Radbahn: "Ich war eigentlich Läufer und bin dann direkt auf die Bahn gewechselt. Wir als Läufer haben im Dusika-Stadion auf der Laufbahn trainiert und haben auch immer die Radler gesehen. So bin ich überhaupt dazu gekommen, das mal auszuprobieren."
Keine Alternative - was wird aus dem Nachwuchs?
Natürlich kann man jetzt sagen: "Es gibt doch eine Alternative", doch die Antwort ist nein.
Zwar laufen die Arbeiten an Nachfolgerin "Sportarena Wien", die im kommenden Jahr eröffnet werden soll, auf Hochtouren, jedoch wird es in der neuen Infrastruktur keine Radrennbahn geben, und auch in ganz Österreich gibt es keine Bahn, auf die Wafler, Schmidbauer und Co. dauerhaft ausweichen können.
Lediglich in Linz gibt es eine Bahn, die von Wafler und Schmidbauer auch genutzt wird, aufgrund der fehlenden Überdachung aber keine dauerhafte alleinige Option darstellt.
Maximilian Schmidbauer merkt einen weiteren, schwerwiegenden Punkt an: "Es war natürlich unglücklich. Man muss sich denken, ohne das Dusika-Stadion wäre ich jetzt nicht hier, und für mich ist es noch gut ausgegangen. Aber die Frage ist halt, mit dem Nachwuchs. Was soll da nachkommen, wenn wir keine Bahn haben?"
"Wie jetzt junge Leute zum Bahnradsport finden sollen, ist mir ein Rätsel. Ich glaube, da ist auf jeden Fall die Verantwortung bei den Politikern und Politikerinnen jetzt gesucht, weil ich finde, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Schmidbauer.
Für die beiden Athleten und Co. ist somit aktuell jedes Training mit Reisestress verbunden, was sich natürlich nicht unbedingt positiv auf die Leistung auswirkt.
Wie Schmidbauer erzählt, trainieren die Bahnradler meist noch im Anschluss an die Weltcup-Rennen, wie zu Beginn in Australien oder Hongkong. Ein, zwei Tage werden an das jeweilige Rennen angehängt, um noch etwas Training mitzunehmen. Immerhin unterstützt der Verband die Sportler finanziell, um diese Trainings zu ermöglichen.
Die Frage nach dem/n Verantwortlichen
Auf die Frage, ob es konkretere Gespräche bezüglich einer neuen Radbahn gibt oder gegeben hat, entgegnet Teamkollege Wafler: "Genau wissen wir es leider auch nicht. Ich glaube, es hat sehr, sehr gute Gespräche gegeben, die jetzt wieder ein bisschen ins Stocken geraten sind. Ich glaube, dass der Bund schon grundsätzlich etwas Interesse hätte."
Er hofft, dass Olympia als eine Art Boost dafür wirken kann, sodass er seine Vorbereitung auf die nächsten Spiele in Österreich absolvieren kann: "Das wäre mein großer Traum."
Wie so oft bleibt sich die Frage zu stellen: Wer ist dafür verantwortlich, dass es dazu kommen konnte? Hier die Einschätzungen der beiden Olympia-Sportler.
Tim Wafler meint: "Ich glaube, es ist das Zusammenspiel aus allem. Die Sportstadt Wien ist einfach mehr am Breitensport orientiert." Maximilian Schmidbauer sieht es ähnlich: "Ich weiß nicht, bei wem da die Verantwortung zu suchen ist. Ob das die Stadt Wien ist, ob das der Bund ist oder der Radsportverband. Wahrscheinlich ist es ein Fehler von allen."
Dabei wäre ein Velodrom, wie man eine solche Radrennbahn auch nennt, gerade für Kinder und Jugendliche eine tolle Gelegenheit, das Radfahren möglichst gefahrenfrei zu erlernen.
"Man hat keine Gefahren von außen, man hat keine Autos, man hat keine Fußgänger, man hat keine Kreisverkehre, Ampeln, Verkehrsteiler, Schotterpassagen und, und, und. Es ist einfach perfekt wie ein Übungsparkplatz auf einem Rad", argumentiert Wafler.
Droht der Sportart Bahnrad das Aussterben?
Wie soll es in Zukunft also für die Bahnradler weitergehen? Man steht ohne Bahn da, eine Lösung innerhalb von Österreich gibt es nicht. Ein Dauerzustand kann es gewiss nicht sein, immer im Rahmen der Weltcup-Bewerbe abzuwickeln.
Droht diesem Sport sogar das Aussterben? "Er ist auf jeden Fall stark gefährdet. Und ich glaube, je länger es dauert, desto blöder wird es. Weil wie sollen, wie vorher gesagt, da neue Leuten nachkommen? Wenn es keine neuen Leute gibt, dann ist das ja eine Abwärtsspirale, und es wird immer irrelevanter", stellt Schmidbauer klar.
Tim Wafler engagiert sich neben seinem sportlichen Dasein so oft er kann als Kindertrainer beim RLM Wien, allerdings so gut wie nur auf der Straße. Auch seine Teamkollegen und er selbst müssen immer wieder auf die Straße ausweichen.
Bleibt zu hoffen, dass die beiden mit ihren Auftritten in Paris wieder mehr Aufmerksamkeit auf die nationale Problematik in ihrer Sportart richten und Bewegung hineinbringen können.