news

Kletter-Ass Schubert: "Brauche Gold nicht, um es zu zeigen"

Diesen Sommer gibt es die Chance auf die größte fehlende Errungenschaft für einen der besten Kletterer aller Zeiten. Über den Stellenwert Olympias und Druck.

Kletter-Ass Schubert: Foto: © GEPA

Womöglich ist er Österreichs größte Gold-Hoffnung überhaupt für Olympia 2024: Jakob Schubert.

Der 33-jährige Tiroler holte 2023 WM-Gold im Vorstieg und in der Kombination. Kein anderer Sportkletterer kann sich mit sechs Weltmeister-Titeln schmücken.

Dass er zu den besten Kletterern seiner Generation gehört, ist längst klar. In Paris 2024 könnte für den Bronzenen von Tokio mit Olympia-Gold auch die letzte Checkbox abgehakt werden.

Dass Schuberts Schwäche, das Speedklettern, bei der erst zweiten Auflage der Sportart im olympischen Rahmen kein Teil des Kombinations-Formats mehr ist, kommt ihm dabei zusätzlich zugute.

Und nicht nur die zwei weiteren WM-Titel schenkten zuletzt weiteres Selbstvertrauen: Im Herbst gelang ihm auch die Erstbegehung der Route "B.I.G." in Norwegen, einer der drei schwierigsten Kletter-Strecken der Welt.

Im LAOLA1-Interview spricht Schubert über seine jüngsten Fortschritte als Routinier der Sportart, Stellenwert eines Olympia-Erfolgs und seinen Umgang mit dem Druck.

Olympia 2024: Diese Österreicher haben ihr Ticket bereits >>>

LAOLA1: Du bist seit Jahren an der Weltspitze des Klettersports. Wie viel besser konntest du in den drei Jahren seit Tokio überhaupt werden?

Jakob Schubert: Wir können es nicht so genau messen wie Schwimmer oder Leichtathleten, die es an einer Zahl ablesen. Ich mache physisch keine Riesensprünge mehr, aber es ist so eine technische und komplexe Sportart. Ich habe immer noch das Gefühl, mich technisch, taktisch und mental jedes Jahr steigern zu können. Speziell im Vorstieg bin ich im letzten Jahr so gut geklettert wie eigentlich noch nie in meinem Leben.

LAOLA1: Wo nimmt einer der weltbesten Kletterer die Inspiration für technische Fortschritte überhaupt noch her?

Schubert: Unsere Sportart ist so komplex, dass man nie in allen Facetten und Techniken der Beste ist. Es gibt überall einen Besten, von dem ich mir etwas abschauen kann. Ich habe über den Winter versucht, an Schwächen zu arbeiten. Das waren bei mir vor allem technische Platten, flache Boulder und koordinative Sprünge. Da habe ich mich schon mit anderen verglichen. Ich habe das Gefühl, dass da sehr viel weitergegangen ist. Das habe ich mir selbst in den Weltcups, die bisher waren, auch schon bewiesen.

LAOLA1: Aus der Olympischen Kombination ist das Speedklettern herausgelöst worden, sie besteht nur mehr aus Vorstieg und Bouldern. Wie stehst du dazu?

Schubert: Ich glaube, es gibt keinen einzigen Athleten, der diese Entscheidung nicht gut gefunden hat. Das macht extrem Sinn, ist aber eigentlich immer noch nicht das, was wir wollen. Das wären drei vereinzelte Medaillenentscheidungen in allen drei Disziplinen. Von mir aus gern mit der Kombination als vierter dazu. Es ist schwierig, unsere Disziplinen zusammenzuzählen. Speedklettern ist etwas komplett anderes als Schwierigkeitsklettern, was Vorstieg und Bouldern sind. Daher kann man diese beiden Disziplinen meinetwegen noch zusammenzählen. Auch für die Speedkletterer war es wichtig, dass sie ihre eigene Entscheidung haben.

LAOLA1: Und für dich persönlich vergrößert es die Chance auf Gold in der Kombination.

"Natürlich ist der Druck an der Wand auch da, aber am höchsten ist er in den Minuten und Stunden, bevor es losgeht. Aber normalerweise ist es bei mir immer so, dass alles weg ist, wenn ich einmal in der Wand drin bin, weil ich so im Fokus bin."

Schubert: Ja, weil Speed überhaupt nicht meine Stärke ist. Die allerbesten Chancen hätte ich, wenn nur Vorstieg olympisch wäre. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass ich sehr gute Chancen habe.

LAOLA1: Dennoch wäre eine Teilnahme im Speedklettern eine zusätzliche Medaillenchance. Hast du überhaupt nicht erwogen, diese Disziplin auch in Angriff zu nehmen?

Schubert: Ich glaube, das kann man sich als Nichtkletterer gar nicht vorstellen. Aber Speedklettern ist fast ein anderer Sport. Ich habe keine Chance, mit den Besten mitzuhalten. Da braucht es ein ganz anderes Training. Speedkletterer klettern eine leichte, immer gleiche Route, gehen rein auf Schnelligkeit. Sie trainieren ein bisschen wie Leichtathleten, auf Spritzigkeit. Dinge, die es im Schwierigkeitsklettern nicht braucht. Daher macht es gar keinen Sinn.

LAOLA1: Bouldern ist längst zum Breitensport geworden. Kannst du kurz erklären, was die Weltspitze von sehr guten Hobbykletterern in dieser Disziplin unterscheidet?

Schubert: Natürlich einige Sachen. Im physischen Bereich ist schon noch ein riesiger Unterschied in Sachen Körperspannung, Fingerkraft, Stabilität an der Wand. Im technischen Bereich, wie man seine Beine einsetzt. Und im taktischen Bereich, wie man einen Boulder richtig liest. Ich habe viel mehr Bewegungen im Kopf, die ich irgendwie schon einmal gelernt habe. Dadurch sehe ich bei einem Boulder schneller vor mir, wie ich ihn lösen kann, als jemand, der das noch nicht so lange macht.

LAOLA1: Beim Weltcup in Innsbruck gibt es für dich die letzte Standortbestimmung. Welchen Stellenwert hätte ein gutes Abschneiden schon aus mentaler Sicht?

Schubert: Ich habe den Vorteil, dass wir in Innsbruck so eine mega Kletteranlage haben. Viele internationale Spitzenathleten kommen ständig zum Training vorbei, wodurch ich öfter einen Vergleich bekomme. Trotzdem ist ein Bewerb natürlich etwas anderes. Im Vorstieg ist es mein erster und letzter Bewerb vor Olympia, daher ist die Standortbestimmung schon sehr wichtig. Ich hoffe, dass ich in Innsbruck zeigen kann, dass ich fast genau da bin, wo ich sein will.

LAOLA1: Ist dem so?

Schubert: Im Bouldern habe ich bei meinen Schwächen große Fortschritte gemacht. Trotzdem bist du immer davon abhängig, wie es am Tag X läuft. Wie dir die Boulder taugen, die in die Wand geschraubt werden. Das wird bei Olympia eine große Rolle spielen. Aber ich habe schon das Gefühl, alles dafür getan zu haben, in der Form meines Lebens zu sein. Das ist das Wichtigste als Athlet: In Paris dazustehen und sich selbst sagen zu können, dass ich nichts anders hätte machen können.

LAOLA1: Deine Vita ist gespickt von Erfolgen. Hand auf’s Herz – braucht es die Olympia-Goldene für eine komplette Karriere überhaupt?

Schubert: Ich glaube nicht, dass ich die Goldene brauche, um zu zeigen, dass ich einer der besten Kletterer meiner Generation bin. Das habe ich mir die letzten zehn Jahre gezeigt. Aber trotzdem wäre das natürlich ein Riesending und die Krönung. Wäre Klettern früher olympisch geworden, wäre die Chance hoch, dass ich schon eine Goldene daheim hätte. Es ist Pech, dass unsere Sportart erst gegen Ende meiner Karriere olympisch wurde.

LAOLA1: Hat Bronze von Tokio trotzdem schon etwas Druck genommen? Die Olympia-Medaille an sich ist da.

Schubert: Wenn ich darüber nachdenke – wahrscheinlich schon. Es gibt ja noch ein paar andere mega erfolgreiche, ältere Athleten, die keine haben. Wie Adam Ondra. Wir haben nicht mehr viele Chancen. Gar keine olympische Medaille zu haben, wäre daher bitter gewesen. Aber trotzdem brennt das Feuer noch brutal. Und ich weiß, die Chance ist extrem gut. Ich habe mir die letzten Monate immer wieder in Erinnerung gerufen, wie wichtig das Jahr und dieser Wettbewerb wird. Einer der wichtigsten meiner Karriere, klar. Darum habe ich auch so hart wie noch nie dafür gearbeitet.

LAOLA1: In eurem Sport geht es enorm darum, in einzelnen Momenten zu liefern. Ist der hohe Druck bei Olympia dadurch "business as usual"?

Schubert vor "B.I.G."
Foto: © Moritz Klee/Nodum Sports

Schubert: Natürlich ist der Druck an der Wand auch da, aber am höchsten ist er in den Minuten und Stunden, bevor es losgeht. Natürlich sind Bewerbe schwieriger, bei denen es nur wenige Chancen im Leben gibt. Aber normalerweise ist es bei mir immer so, dass alles weg ist, wenn ich einmal in der Wand drin bin, weil ich so im Fokus bin.

LAOLA1: Du hast im Herbst mit "Project B.I.G." die Erstbegehung einer der schwierigsten Routen der Welt geschafft. Hast du dir damit selbst bewiesen, dass es nichts gibt, was du nicht kannst?

Schubert: So würde ich es – leider – auch noch nicht sagen. Es gibt immer noch Sachen, die ich nicht schaffe. Aber das war ein Meilenstein in meiner Karriere. Nicht nur von der Schwierigkeit, sondern auch Schönheit der Route her. Ich war froh, damit auch viel coolen Content erzeugt und die Leute mitgerissen zu haben. Ich freue mich schon auf die Saison dafür, die nach Olympia kommt. Jetzt habe ich mich monatelang komplett auf Paris konzentriert, aber danach wird dafür auch wieder Zeit sein.

LAOLA1: Innsbruck war schon immer Kletter-Hochburg. Was hat der Olympia-Status und deine Medaille für den Sport auch im Rest Österreichs bewirkt?

Schubert: Olympia ist für unseren Sport eine ganz andere Bühne. Das öffnet viele Türen, etwa bei Förderungen. Auch in vielen anderen Ländern hat es Athleten ermöglicht, Profis zu werden. Und es hat ermöglicht, den Sport einem breiteren Publikum zur Schau zu stellen. Unsere Sportart braucht sich nicht zu verstecken, sie ist mega geil.

LAOLA1: Und in Paris kommt sie sowieso gut an, was eine tolle Kulisse liefern wird.

Schubert: Was ich mitbekommen habe, könnten sie in Paris egal welches Stadion machen, es wäre voll. Das ist fast die Kletter-Hochburg schlechthin auf der Welt, es gibt so viele Möglichkeiten und viele Kletterer in Frankreich. Das wird ein richtig geiles Event.

LAOLA1: Innsbruck wird der letzte Wettkampf, wie werden danach die letzten Wochen vor Olympia aussehen?

Schubert: Es gäbe noch zwei Weltcups im Vorstieg in Frankreich, die lasse ich aber aus. Ich mag es vor einem großen Event aus Erfahrung sehr gerne, noch drei, vier Wochen daheim zu haben, wo ich mich voll auf das Training konzentrieren kann. Auf ein paar Kleinigkeiten, die mir in Innsbruck vielleicht noch nicht perfekt gefallen.

Charlize Mörz: Training, Schule, Training für das große Ziel

Kommentare