Es waren nur wenige Tage von "warum schicken wir nur Touristen zu Olympia?" zu "passt eh"! Österreichischer als die Olympischen Spiele 2024 in Paris wird es nicht mehr.
Fünf bis zehn Medaillen sollten es werden. Fünf Medaillen in drei Sportarten sind es geworden, davon zwei aus Gold. Soll erfüllt.
Das ergibt Platz 36 im Medaillenspiegel, klassisch nach Goldenen gereiht.
Österreich ist von der Einwohnerzahl her übrigens Nummer 98 der Welt, nach Fläche gereiht Nummer 114. Nur in Sachen Brutto-Inlandsprodukt geht es mal in die Top 40.
Alles lustige Statistik-Spielereien, nach denen sich Länder für gewöhnlich ranken lassen. Und die auch immer wieder herbeigezogen werden, wird über Erfolg und Misserfolg von Olympischen Spielen geredet.
Es geht besser - es geht aber auch schlechter!
Wir sind sportlich nicht so klein, wie wir uns machen. Wir sind auch keine Großmacht. Das kann und wird nie unser Anspruch sein.
Gibt es vergleichbare Länder, die deutlich besser dastehen? Klar. Die Niederlande. Neuseeland. Ungarn. Irland. Rumänien. Belgien. Serbien.
Sind diese Länder klassische Wintersportnationen? Im Gegensatz zu Österreich nicht. Und noch muss der Klimawandel ein wenig voranschreiten, bevor unsere Heimat dieses Prädikat loswird.
Dann ziehe man manches Land aus dem Medaillenspiegel ab, das einzelne Ausnahmekönner oder traditionell starke Sportarten hat, die im Gegensatz zu den unseren nunmal nicht auf Schnee stattfinden, und die Sportwelt schaut noch ein bisschen freundlicher aus.
Warum spricht niemand über Polen, Portugal, Argentinien, die Türkei, die Slowakei - oder unsere steten Lieblingsnachbarn vergleichbarer Größenordnung, die Schweiz? Sie finden sich allesamt hinter Rot-Weiß-Rot.
Der Nuller liegt so lange nicht zurück
Soll das jetzt Schönrederei des österreichischen Abschneidens werden? Mitnichten. Die sechstbesten Spiele waren es, heißt im Umkehrschluss: Fünfmal stieg Österreich schon besser aus. Allerdings liegt auch die Londoner Nullrunde erst zwölf Jahre zurück.
Es ist eine nüchterne Einordnung. Österreich ist als Sommersportland im Jahr 2024 nicht mehr, als es ist. Aber auch nicht weniger. Luft nach oben? Jede Menge! Raum nach unten? Auch!
Wir sind, wer wir sind.
Was soll das bringen?
Leider sind wir auch ziemliche Raunzer. Das haben die Spiele 2024 schonungslos aufgezeigt.
Was nach den ersten zehn Wettkampftagen nicht geflucht und verspottet wurde. Dabei war schon vor Beginn klar: Österreichs heißeste Eisen kommen gegen Ende des Kalenders. Geduld wird gefragt sein.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Es ist eine Eigenart, die lähmt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Niemand, der Erfolg hat, stützt sich auf ein derartiges Mindset. Nirgends im Leben und schon gar nicht im Wettkampf, Sportpsychologen werden da sicher zustimmen.
Da kann die Momentaufnahme noch so ernüchternd sein, Negativismus hat noch nie einen Umschwung gebracht. Und zwischen konstruktiver Kritik, der Hoffnung auf Besserung und dem frustrierten Verriss sind schon noch Unterschiede.
Olympia-Tourismus gibt es nicht
Speziell bei Olympia ist das noch einmal weniger angebracht. "Dabei sein ist alles", hieß es einmal und betitelte den olympischen Gedanken, der den Spielen ihren Sinn geben sollte.
Das mag für manche an der absoluten Weltspitze nicht gelten, für den absoluten Großteil schon. Und somit auch für den Großteil des Olympic Team Austria.
"Tourist" war da niemand. Die Qualifikationskriterien sind in allen Sportarten streng, die bloße Erbringung dieser Limits ist mehr als genug der Berechtigung. Punkt, Ende.
Höhen und Tiefen, alles ist relativ
Wenn ein Benny Wizani monatelang durch einen Kreuzbandriss beißt, einfach um dabei sein zu können und mit Rang 15 von 16 Teilnehmern freudestrahlend vom Trampolin humpelt.
Wenn eine Laura Stigger oder ein Marco Haller als Sechste hochzufrieden aus dem Sattel steigen. Wenn eine Julia Mayer im Marathon 55. wird und ihre eigenen Erwartungen übertrifft.
Wenn die Alexandri-Schwestern als Medaillenfavoritinnen bittere Tränen über den vierten Platz vergießen. Wenn sich Markus Fuchs über seine 100-Meter-Performance schämt. Wenn Victoria Hudson das Speer-Finale verpasst.
Dann ist das alles nicht mehr und nicht weniger Olympia, als wenn Lara Vadlau und Lukas Mähr nach Jahren des Wartens endlich mit Gold um die Wette strahlen. Jessica Pilz' Kletter-Bronzene die Enttäuschung von Tokio vergessen lässt. Und Michaela Polleres beweist, dass ihre erste Medaille keine Eintagsfliege war.
Aus Sportlersicht geht es bei Olympia eben doch zuallererst um das Dabeisein. Sei es, weil es zur Medaillenchance nie reichen wird. Weil es die einzige Chance auf eine bleibt. Oder Erfahrung für die Zukunft gesammelt werden soll. Olympia bleibt Olympia, egal mit welchem Antrieb dahinter.
Selbst als Inspiration für andere, bestimmte Sportarten anzugehen. Damit wir vielleicht in 20 Jahren da wie dort neue Chancen auf den Jubel haben.
Wer mehr will, muss mehr dafür tun
Ende der Romantisierung. Natürlich geht es im Sport immer um den größtmöglichen Erfolg. Mit diesem Antrieb darf immer mehr gefordert und angestrebt werden. Das Suhlen im Selbstmitleid wird dabei nicht helfen.
Nur Konsequenz auf allen Ebenen. Finanzen. Strukturen. Unterstützungen. Alles Dauerthemen, die mit Erfolg zumindest positiv korrelieren.
Und bei denen in Österreich auf allen Ebenen so viele Potenziale noch nicht ausgeschöpft werden. Allein das Thema Infrastruktur braucht jetzt ja nicht zum hundertsten Mal aufgerollt werden.
Andere leisten mehr. Andere, die keine besseren Voraussetzungen haben. Nur zielgerichteter investieren, arbeiten und wissen, dass von nichts auch nichts kommt.
Negativismus mag im Sport keine Tugend sein, die voranbringt. Die Orientierung an jenen, die hinter einem liegen, ist es auch nicht.
Alle sind gefragt
Es gibt Verbände in Österreich, die als Vorbilder dienen können. Segeln und Klettern sind jetzt als Musterbeispiele aufgelegt. Know-how zu Siegen kann hierzulande geschaffen werden.
Wir sind noch nicht, wer wir sein könnten. Aber es wird nicht reichen, diese Feststellung im regelmäßigen Abstand alle vier Jahre zu treffen.
Wer zu wenig für die Sportarten abseits von Fußball und Skifahren tut, braucht sich auch nicht wundern, wenn dann nicht mehr rauskommt, als das Minimum.
Das mag bei politischem Willen und Investitionen beginnen, geht aber bis hin zum Interesse, auch mal Sportarten abseits der großen Quotenbringer auszuüben oder anzusehen, wenn sie gerade nicht auf dem medialen Tablett serviert werden.
Und am Allerwichtigsten: Sie die eigenen Kinder mal ausprobieren zu lassen.
Die Zukunft ist jetzt
Es kommt nicht auf die zwei Wochen alle vier Jahre an. Sie sind nur das Abbild der Jahre davor. Die Weichen für 2028, 2032, 2036... sie werden jetzt gestellt.
Vorsichtshalber landet dieser Kommentar aber im Archiv jener Dateien, die in Zukunft noch einmal gebraucht werden.
Wenn sich keine grundlegenden Dinge ändern, werden wir auch weiterhin mal ein bisschen besser, mal ein bisschen schlechter, aber eben immer wie in Paris 2024 performen: Ganz unserer Größe entsprechend.
Darüber brauchen wir dann auch nicht raunzen. Egal, wie österreichisch das ist.