War das 60. Aufeinandertreffen das allerletzte? Ganz in Stein gemeißelt ist das noch nicht.
Kein Duell wurde im Tennis jemals so oft ausgetragen wie jenes zwischen Novak Djokovic und Rafael Nadal. 31 Siege hat der Serbe nun auf seiner Seite stehen und das Head-to-Head damit womöglich für sich entschieden.
Ausgerechnet in Rafas Wohnzimmer.
Aber es sind nicht die French Open. Es ist Olympia. Auch wenn es keinen würdigeren Schauplatz auf der Welt als Roland Garros dafür geben könnte. Alles ist blau statt grün, um es mit Sebastian Ofners Worten zusammenzufassen.
Und Rafael Nadal ist leider weit von den Auftritten entfernt, die ihn zum König von Paris gemacht haben. 1:6, 4:6 nach einem beherzten Fight, der gegen die Nummer 1 des olympischen Turniers aber doch deutlich zu wenig war. Der Spielbericht >>>
Immerhin jagt "Nole" hier den einzigen großen Titel, der ihm noch fehlt. Die fünf Ringe haben ihm außer mit Bronze 2008 in Peking noch kein Glück gebracht. Im Gegenteil, zweimal war er gar der Vierte. Also der größtmögliche Verlierer im Kampf um die drei Medaillen.
Und sei es Montagmittag
Trotzdem. Das Branding mag ein anderes sein, der Stellenwert des Turniers auch. Rundherum fühlt sich alles nach Roland Garros an. Und damit nach den idealen Bedingungen für einen Rafael Nadal. Und sei er 38 Jahre alt sowie von Verletzungen gebeutelt.
Aber selbst wenn es ein Montag, 13:30 Uhr ist: Spielt Rafa, ist der Court Philippe-Chartrier gesteckt voll. Und fast schon selbstverständlich auf der Seite des Spaniers.
Am Anfang sieht es nach einer Demontage aus. Ein verlegenes Game macht der einstige Dominator exakt dieser paar Quadratmeter im ersten Satz.
Er kann es noch
Auch der zweite Durchgang sieht lange nicht viel besser aus. Auf 4:0 zieht Djokovic davon. Aber dann ist Nadal da. Auf 4:4 kämpft er sich zurück, bringt den Court dabei auch drei, vier Mal zum Beben.
"Es ist schwer, einander nahezustehen. Du willst deinem Rivalen nicht zu viel davon preisgeben, wie du lebst, wie du dich fühlst. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum wir einander nie so verbunden gefühlt haben."
Ja, die Pariser lieben ihren König 200 Jahre nach der Krönung des allerletzten offiziellen, Karl X. Dieser hier bereitet ihnen auch ausschließlich Freude.
An diesem Tag nicht genug. Djokovic ist mit seiner Sehnsucht nach dem fehlenden Gold im Rücken am Ende zu souverän, zieht in die dritte Runde ein.
Und setzt vielleicht einen Schlussstrich unter die großen Einzel-Auftritte eines Spielers in Paris, wie ihn diese Stadt vielleicht nie wieder bekommt.
Ein Abschied? Im Frieden
Rafa hat sich nicht entschieden. Offiziell.
"Ich kann nicht in jeden Tag reingehen im Glauben, dass es mein letztes Match ist. Ich komme her, ich versuche mein Bestes, ich spiele", sagte der Mann, der hier 14 Siegertrophäen in die Höhe strecken durfte.
Allerdings doch sichtlich geknickt. Ein wenig so, als wüsste er schon mehr.
"Das ist Teil des Lebens. Alles hat einen Anfang, alles ein Ende. Ich werde es vermissen, Tennis auf dem höchsten Level zu spielen. Ich werde das Adrenalin vermissen. Aber kann ich mich nicht beschweren - ich habe über 20 Jahre hier kämpfen dürfen."
Noch einmal diese Unterstützung des Pariser Publikums gespürt zu haben, war speziell für ihn: "Für mich ist dieses Gefühl der Unterstützung und Liebe am wichtigsten Platz meiner ganzen Karriere großartig."
Und wenn es das letzte Einzel-Match hier gewesen sein möge, werde Nadal das "in Frieden akzeptieren".
Djokovic bedeutet das noch mehr
Dass nur mehr halb so viele Journalisten anwesend sind, als Djokovic Rede und Antwort steht - was im Übrigen immer noch eine stattliche Anzahl bedeutet, so viel sei über das Gedränge bei Nadal gesagt - spricht ebenso für den Stellenwert dieses Moments wie die Tatsache, dass sich fast alle Fragen um das Verhältnis zwischen den beiden Allzeit-Größen drehen.
"Ich würde sogar behaupten, dass die Spannung noch höher war, gegen ihn bei olympischen Spielen anzutreten. Es kommt dieses Element dazu, dass du auch dein Land vertrittst und es diese Möglichkeit nur alle vier Jahre gibt", ließ Djokovic zwischen den Zeilen schon wissen, welche Bedeutung der mögliche, noch fehlende Titel für ihn hat.
Trotz der Vorzeichen zu seinen Gunsten sei er heilfroh, diese Feuerprobe bestanden zu haben.
Zu viel Rivalität für Freundschaft
Jemand der Fragenden bezeichnete die Beziehung zwischen Djokovic und Nadal als "Bruderschaft". Der Serbe korrigierte ihn schnell.
"Es ist eine Rivalität. Kollegen, die einander respektieren, das Erreichte des anderen wertschätzen. Es ist schwer, einander nahezustehen. Du willst deinem Rivalen nicht zu viel davon preisgeben, wie du lebst, wie du dich fühlst. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum wir einander nie so verbunden gefühlt haben", meinte Djokovic.
Vielleicht ändere sich das. Dann, wenn alles wirklich vorbei ist. "Hoffentlich haben wir beide noch ein langes Leben vor uns. Vielleicht können wir dann die andere Seite unserer Beziehung aufleben lassen, die Dinge, die wir miteinander erlebt haben, auf andere Weise betrachten."
Möge es noch mehr Duelle geben
Zukunftsmusik. Noch ist nicht einmal in Stein gemeißelt, dass es das allerletzte Aufeinandertreffen war.
"Ich hoffe einfach für unseren Sport, dass wir uns noch einige Male begegnen können. In unterschiedlichen Teilen der Welt, auf unterschiedlichen Belägen. Es kann dem Sport nur guttun. Je mehr er spielt, desto mehr gewinnt das Tennis", war Djokovic überzeugt.
Das Tennis gewinnt auch, wenn Olympia solche Duelle erlebt. An solchen Schauplätzen. Djokovic hat in dieser Form noch einiges für die nächsten Tage beizusteuern.
Lang leben die Könige.