Frankreich reibt sich die Augen. Alle im Vorfeld kolportierten Schreckensszenarien mit Chaos in Paris sind seit der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele wie weggewischt.
Olympia funktioniert reibungslos - einschließlich der zuvor als neuralgischer Punkt gehandelten Metro. Die Begeisterung dominiert - dank des Medaillenregens insbesondere bei den Franzosen selber.
Besucher sind beeindruckt von der Partystimmung vor prächtiger Pariser Kulisse und in der Stadt selbst. "Es ist besser als in unseren Träumen, wir erleben wirklich etwas Unvergessliches", jubelte Organisationschef Tony Estanguet.
Bürgermeisterin überrascht
"Man erlebt diese Volksbegeisterung mit den Wettkämpfen, ob auf der Straße, in den Stadien oder vor der Pariser Kulisse, es ist absolut spektakulär, es ist atemberaubend."
Die Stimmung färbe auf das ganze Land ab. "Ich habe den Eindruck, dass es den Franzosen sehr gut gefällt und diese Energie tut allen gut."
Auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo äußert sich begeistert, dass das Konzept für die Spiele in ihrer Stadt aufgegangen ist. "Wir haben das geschafft, wir hätten nie gedacht, dass wir dazu in der Lage wären", sagte sie der Zeitung "Le Monde".
Probleme im Vorhinein
Nach Jahren der Kritik und des Spotts, der auch auf ihre Person zielte, sei es gelungen, ein positives Bild zu zeichnen "von Paris, von dem, was wir zusammen sind, von den Franzosen, von diesem ganz besonderen Volk, das immer mit Erstaunen und ein wenig Bewunderung aus dem Ausland betrachtet wird".
Eigentlich hatten viele der chronisch pessimistischen Franzosen Chaos vorhergesagt. Im Vorfeld vermischten sich handfeste Sorgen mit negativer Stimmungsmache. Erst gab es Berichte über Bettwanzen, dann drohten viele Berufsgruppen mit Streik.
Ein Kollaps des Metronetzes und eine Blockade der Stadt wurden befürchtet, Einwohner zur Arbeit im Homeoffice aufgerufen. Dazu kamen Angst vor Terror und Cyberattacken - und dann brach zu allem Überfluss noch eine politische Krise über Frankreich herein.
Angesichts dieser düsteren Aussichten hatten noch etwas mehr Einheimische als sonst im Sommer die Flucht aus der Hauptstadt ergriffen.
Auch Macron begeistert
Vor Start der Spiele hatte Hidalgo noch geklagt, Präsident Emmanuel Macron habe mit den vorgezogenen Parlamentswahlen "die Feier versaut" - der Unmut ist inzwischen verflogen.
Der Staatschef selbst freut sich unterdessen längst mit seinen Landsleuten über die zahlreichen Medaillen: "Unmöglich ist nicht Französisch" (Impossible n'est pas Français), schrieb er auf X.
Ein Aufatmen und ein Aufleben von Paris, das lange unter den Auswirkungen von Terroranschlägen und drakonischer Restriktionen während der Corona-Pandemie gelitten habe, beobachtete die Zeitschrift "Le Nouvel Obs".
Ein Hauch von Leichtigkeit
"Nach Jahren, die von den Anschlägen auf "Charlie Hebdo", am 13. November 2015 und dann von der Corona-Krise geprägt waren, scheinen die Olympischen Spiele 2024 einen Wind der Leichtigkeit über die Hauptstadt wehen zu lassen."
Der Schub, den Olympia Frankreich und Paris gibt, dürfte über ein Gute-Laune-Sommermärchen hinausgehen.
Stolz und Zuversicht gäben die Spiele Frankreich zurück, wo die öffentliche Debatte zuletzt von politischer und gesellschaftlicher Spaltung, sozialen Sorgen und einem vermeintlichen Niedergang des Landes dominiert wurde, kommentierte die Zeitung "Les Dernières Nouvelles d'Alsace".
Politik soll sich Beispiel nehmen
"Die Olympischen Spiele verändern auf meisterhafte Weise den Blick der Franzosen auf ihr Land, aber auch auf sich selbst. Die zwei Wochen in Paris werden zwar weder ihren Alltag noch die Art und Weise, wie sie regieren, revolutionieren, aber sie haben die enorme Qualität, das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft wiederherzustellen, die zu großen Dingen fähig ist", schrieb die "DNA".
Von den olympischen Qualitäten ihrer Athleten sollten sich Frankreichs Politiker sich inmitten der Regierungskrise, die während der Olympischen Spiele zwar auf Hold gesetzt, aber nicht gelöst ist, eine Scheibe abschneiden, rieten einige Medien bereits.
Gemeinsames Handeln, Respekt für den Gegner und Optimismus: "Das sind Eigenschaften, die die Bürger heute auf den Bänken der Nationalversammlung verzweifelt suchen", meinte die Zeitung im Elsass.
Frankreich kann Großveranstaltungen organisieren
"Diese zauberhafte Auszeit tut unglaublich gut. Erstens, weil sie wieder Freude verbreitet und ein Land beruhigt, das in Spaltungen und ein beispielloses politisches Chaos gestürzt ist.
Zweitens, weil sie zeigt, dass das "fallende Frankreich" immer noch in der Lage ist, Veranstaltungen zu organisieren, die die ganze Welt beeindrucken", analysierte "Le Figaro".
"Möge der Zauber der Olympischen Spiele nicht zu schnell verfliegen! Wir werden nationale Eintracht, Kühnheit und eine große Lust am Überwinden brauchen, um eine Regierung zu finden, unsere Staatsfinanzen zu retten, die Sicherheit aller zu erhöhen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen."
Für diesen politischen Wettkampf gebe es keine Medaillen, aber Niederlagen seien verboten.