Ein Auslandsjahr in Japan hat ihre Liebe zum Bogensport entfacht. Acht Jahre später steht Elisabeth Straka am Donnerstag (9:30 Uhr) in Paris erstmals bei Olympischen Spielen am Start. Die Recurve-Bogenschützinnen absolvieren beim Invalidendom bereits am Vortag der Eröffnung ihre für die Setzung maßgebliche Platzierungsrunde. Danach will Straka im 64er-Feld im Duell Frau-gegen-Frau als erste Österreicherin bei Olympia zumindest eine Runde überstehen.
Die große Bühne ist etwas Neues für die Niederösterreicherin. Ihr Trainingsalltag in den vergangenen vier Jahren: ein Feld in Lichtenwörth, dem Heimatort von Tennis-Star Dominic Thiem, das ihr ein Bauer zur Verfügung gestellt hat. "Es ist nicht sehr luxuriös. Es gibt kein Dach und kein Klo, aber es war gratis für mich", schilderte Straka der APA. Mitunter schoss die 24-Jährige dort 300 Pfeile am Tag. Bei Olympia muss sie aus 70 Metern in jeder Runde deren 72 setzen. Das anvisierte zentrale Zehnerfeld: zwölf Zentimeter klein.
Freifach in Japan bringt Straka zum Bogenschießen
Die Basis für ihre starke Technik hat Straka in Japan gelegt. Bei einem Auslandsjahr in der siebenten Klasse kam sie über ein Freifach erstmals mit dem Sport in Kontakt. Anfangs sei weniger das Zielen als das Fühlen im Vordergrund gestanden.
Bis sie bei der olympischen 70-Meter-Distanz angelangt war, hat es auch bei Österreichs Bester zwei Jahre Durchhaltevermögen benötigt. "Danach hat es dafür gepasst, und ich habe an der Technik nicht mehr viel ändern müssen."
Straka setzt auf Visualisierung
Bogenschießen hat viel mit Fokus und Konzentrationsfähigkeit zu tun. Viele Konkurrenten bedienen sich der Musik oder Selbstgesprächen, Straka setzt auf Visualisierung. Vor jedem Schuss stellt sie sich vor, wie er im Zehner landet. "Danach versuche ich, einfach nichts mehr zu machen." Der Körper wisse am besten, was zu tun sei. Man müsse ihm nur vertrauen. "Sobald man den Kopf einschaltet und versucht zu kontrollieren, geht es nicht mehr. Es ist wichtig, dass man bei sich bleibt. Die Gedanken zu kontrollieren ist nicht einfach."
Straka stammt aus einer Musikerfamilie. Sie spielte Querflöte und Klarinette, war im Jugendblasorchester und in einer Musik-Oberstufe. "Sport war für mich immer so eine andere Welt." Dann kam Japan. Reiseerzählungen ihres Großvaters, Onkels und Vaters, die mehrmals mit Orchestern vor Ort waren, hatten sie als Schülerin für das Land interessiert. Die Liebe ist ihr erhalten geblieben. Straka studiert in Wien Japanologie, den Bachelor hat sie im Herbst abgeschlossen.
Auch die Olympia-Qualifikation für Tokio hatte sie in Angriff genommen - im Wissen, dass es sich so kurz nach Erlernen des Sports vermutlich nicht ausgehen würde.
Erstes Match als Ziel
Nun tritt Straka als dritte österreichische Bogenschützin nach Ursula Valenta 1984 und Laurence Baldauff 2016 bei Sommerspielen an. "Ich möchte auf jeden Fall das erste Match schaffen, das hat noch niemand geschafft", erklärte die Frau aus der Buckligen Welt. Ob sie es nächsten Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag bestreitet, darüber entscheidet die Qualifikation. Die Favoritinnen kommen aus Asien, allen voran aus Südkorea.
Viele Olympia-Debütanten scheitern traditionell in Runde eins. "Es ist etwas, das man neu lernen muss. Ich habe ganz viele Matches verlieren müssen, bevor ich angefangen habe, sie zu gewinnen", betonte Straka. Glück sollen ihre kleinen Ohrstecker in Pfeilform bringen. "Ich bin sehr zuversichtlich, ich bin sehr gut vorbereitet. Ich glaube, es kann alles passieren." Jedes Match hilft für die Zukunft - zumal man im Bogenschießen auch noch weit über 40 konkurrenzfähig sein kann. "Es geht nicht so um das Körperliche, die Erfahrung spielt ganz viel mit."
Straka kämpft um Wahrnehmung
Es hätte lange gedauert, bis sie sich überhaupt als Sportlerin wahrgenommen hätte, erzählte Straka. "Ich hatte immer das Gefühl: Ich bin nicht so schnell beim Laufen, ich bin nicht so stark. Mit mentaler Stärke ist es aber etwas anderes." Sport müsse nicht immer schwierig sein und wehtun. Das Bogenschießen sei ihr immer leicht gefallen. "Man arbeitet viel mit sich selbst. Die Schwierigkeit ist, dass man dabei bleibt, wenn es auf und ab geht. Es ist nur das Schießen. Das wird vielen irgendwann fad und sie hören auf. Ich war die, die nicht aufgehört hat."
Als Lohn darf Straka in Paris unweit des Grabmales von Napoleon auf die Bühne. Anders als bei anderen Wettbewerben wird bei Olympia von einem Holzpodest geschossen. Um das zu simulieren, hat die Studentin auf der heimischen Wiese Paletten aufgetürmt. Den in Österreich als Freizeitaktivität beliebten Bogen-Parcours kann sie wenig abgewinnen, sie konzentriert sich auf den Olympic Recurve. "Es ist manchmal schade, dass wir nicht so gesehen werden", sagte Straka. Das will sie in Frankreich ändern.