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OeSV-Sportdirektor Schmid: "Machen mehr richtig als falsch"

OeSV-Sportdirektor Matthias Schmid zeichnet den Weg zu zwei Goldmedaillen vor Marseille nach. Worauf es ankam und warum Erfolg und Fehlschlag nah verwandt sind.

OeSV-Sportdirektor Schmid: Foto: © GEPA

Österreich bei Olympischen Sommerspielen: Seit Sydney 2000 sind die Blicke fast immer auch auf die Segler gerichtet.

Nach Christoph Sieber, Roman Hagara und Hans-Peter Steinacher ließen nun auch Lara Vadlau und Lukas Mähr sowie Valentin Bontus Rot-Weiß-Rot bei Gold-Feiern im Wind flattern.

In Tokio gab es noch einen "Nuller", nun ist der OeSV wieder der Retter der ÖOC-Bilanz.

Matthias Schmid war in Rio de Janeiro 2016 selbst noch Teilnehmer im 470er, wechselte danach aber bald auf den Posten des Sportdirektors im Österreichischen Segelverband.

In dieser Rolle darf er nun in Marseille mit seinem Team nach jahrelanger Vorbereitungsarbeit zurecht jubeln - und im LAOLA1-Interview über die Erfolgsfaktoren der Segler sprechen. Und darüber, warum Erfolg und Misserfolg doch eine relative Angelegenheit sind.

LAOLA1: Gratulation zu sehr gelungenen Olympischen Spielen für den Segelverband. Welche Erfolgsfaktoren haben in den letzten Wochen und Monaten hierher geführt?

Matthias Schmid: Final vor Ort war entscheidend, dass wir einen unglaublich tollen Team-Spirit und Flow hatten. Außergewöhnlich war auch, dass wir es in den letzten drei Jahren geschafft haben, uns in Marseille spezifisch vorzubereiten. Wir hatten wirklich extrem gute Kenntnisse über die Bucht und die Windverhältnisse. Das sind die zwei großen Punkte, aber dahinter stehen tausende Details vom Material über die Sportpsychologie, die Taktik, die Strömung, die Logistik. Es ist also sehr viel.

LAOLA1: Die lange Vorbereitungszeit in Marseille war also selbst für Olympische Spiele ungewöhnlich.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Schmid: Die Strategie, dass man sich im Olympiarevier zuhause fühlen soll, ist an sich nichts Neues. Aber retrospektiv war es in Marseille wirklich eine der besten Vorbereitungen. Wir probieren immer unser Bestes, aber hier ist es uns wirklich gut gelungen. Wir haben an jedem Tag das Gefühl gehabt, zu wissen, was auf uns zukommt.

LAOLA1: Vor den Spielen wurde bereits über die Datentiefe in der Meteorologie gesprochen, die einen gewissen Vorsprung gebracht haben dürfte. Wie kommt dieser Wissensschatz zustande?

Schmid: Es sind viele kleine Puzzlestücke, die da zusammenspielen. Wir entwickeln unsere eigene Technologie, um diese Daten überhaupt zu sammeln. Da haben wir eine eigene Plattform. Und einen eigenen Stil der Datenverarbeitung und -Auswertung, die wirklich zielorientiert auf die Athletinnen und Athleten zugeschnitten wird. Es ist eine Kombination aus KI und klassischen Datenanalyse-Tools.

Matthias Schmid
Foto: © GEPA

LAOLA1: Lara (Vadlau, Anm.) hat nach ihrem Gold eure Meteorologin Elena Cristofori als die Beste in ihrem Fach lobend herausgehoben. Würdest du das unterstreichen?

Schmid: Die Beste – das weiß ich nicht, weil ich die anderen nicht kenne. Aber sie ist sicher eine der Besten. Man muss nur aufpassen: Eine gute Meteorologin ist keine, die genau sagt, auf welche Minute es regnen wird und wann der Wind dreht. Es ist das Gesamtpaket. Wir versuchen, Informationen und Wissen zu sammeln, welches uns in der Anwendung am Wasser hilft. Es geht viel weiter. Darum, Informationen in Zusammenhang zu bringen und etwas Sinnvolles herauszuholen, was uns beim Segeln am Wasser wirklich etwas bringt. Da ist sie garantiert die Beste!

LAOLA1: Die 470er griffen auf lange zurückgehaltenes Material zurück. Valentin Bontus surfte im ÖSV-Skianzug. Gibt es auch am Materialsektor Trümpfe, die andere Nationen nicht haben?

"Bei Olympischen Spielen geht es so schnell von der Medaille zum zwölften Platz. Einmal heißt es, man hat alles richtig gemacht – dann wieder alles falsch. So einfach ist das alles nicht zu bewerten."

Schmid: Keine Vorsprünge. Einfach gute, harte, lange Arbeit und eine Mischung aus Versuchen und modernen Messungen. Klassisches Trial and Error, mit den Athleten am Wasser zu schauen, was am besten funktioniert. Und das auch zu verstehen. Da braucht es sehr strukturiertes Arbeiten. Es ist ein langwieriger und mühsamer Prozess, den wir bei diesen Olympischen Spielen in allen Klassen wirklich sehr gut über die Bühne gebracht haben. Da haben wir auch gelernt. In Tokio waren es schlechte Rahmenbedingungen. Wir mussten unser Material schon wegschicken, als wir unseren Selektionsprozess noch nicht abgeschlossen hatten. Wir haben gesehen, wie uns das gehandicapt hat. Hier konnten wir alles umsetzen, wie wir das wollten.

LAOLA1: Die 470er sind eine altbewährte Segel-Klasse, die Kitesurfer waren neu im Team. Wie lässt sich der gewohnte Know-how-Transfer auch auf derart unterschiedliche Klassen anwenden?

Schmid: Es ist echt cool, weil wir in der ältesten und neuesten Segelklasse Gold geholt haben. Das taugt mir total. Ich wurde am Anfang belächelt, weil ich einen klassischen Segel-Trainer zum Kite-Trainer gemacht habe. Aber es geht gar nicht so sehr um das spezifische Know-how von jedem Gerät. Sondern um Systematik, Zielsetzungen, kurz-, mittel- und langfristige Planung. Eine Olympia-Kampagne über drei, vier Jahre richtig durchzustrukturieren. Da ist es völlig egal, ob es um 470er oder Kiter geht.

LAOLA1: Auch mutige Entscheidungen hat es gebraucht – Vadlau/Mähr haben recht kurzfristig noch den Trainer gewechselt.

Schmid: Weil es funktioniert hat, werden alle sagen – "richtig gemacht". Wenn es nicht funktioniert hätte… so leicht lässt sich das nicht beantworten. Es war schwierig, es war riskant, aber wir haben es uns gut überlegt. Wir haben ein Team – das bin nicht nur ich alleine – mit Struktur und Überlegungen. Einer Mischung aus logischen Analysen, sportpsychologischer Beratung und das Bauchgefühl des ganzen Teams kommt dann auch noch dazu.

LAOLA1: Mit Roman Hagara ist auch ein doppelter Olympiasieger im Team, der weiß, wie man Goldene gewinnt.

Schmid: Und genau deswegen habe ich ihn auch so gern bei mir. Wir sind sehr unterschiedliche Typen. Aber das ist fantastisch im Austausch und in der Diskussion. Wir sind nicht immer derselben Meinung, aber wir kommen immer zu einem gemeinsamen Entschluss.

LAOLA1: Auch in der jüngeren Olympiageschichte der Segler gab es Ups and Downs. Aber dennoch sind die Segler seit Sydney 2000 die beste olympische Sommersportart Österreichs. Da muss es auch Faktoren in der Langzeitbetrachtung geben, die den OeSV von anderen Fachverbänden abheben?

Schmid: Sich mit anderen Verbänden zu vergleichen, ist schwierig. Das möchte ich auch nicht. Tokio ist ein gutes Beispiel. Danach war es zach, auch für mich. Wir haben in wirklich allen Klassen unterperformt. Das hat mir sehr wehgetan. Sieg und Niederlage, richtig und falsch liegen extrem nah beieinander. Man sieht es bei Ben und David (Bildstein/Hussl, Anm.). Die haben nicht überperformt, aber es hätte auch eine Medaille werden können. Wir haben aus drei Möglichkeiten zwei gemacht. In Tokio hatten wir zwei Möglichkeiten und haben keine gemacht. Bei Olympischen Spielen geht es so schnell von der Medaille zum zwölften Platz. Einmal heißt es, man hat alles richtig gemacht – dann wieder alles falsch. So einfach ist das alles nicht zu bewerten. Insgesamt bin ich von unserem Weg überzeugt, das war ich auch in Tokio. Wir haben danach nicht alles über den Haufen geworfen, aber an kleinen Rädchen gedreht. Das System nicht gekippt, nur weil Tokio nicht erfolgreich war. Aber ein paar Dinge haben nicht funktioniert. Vor Tokio hätte ich mich nicht getraut, so kurz vor den Spielen einen Trainer auszutauschen. Daraus habe ich gelernt und diesmal auf mein Bauchgefühl gehört. Das System, das wir haben – dazu stehen wir. Da machen wir sicher mehr richtig als falsch. Ob dann immer die gewünschte Anzahl Medaillen rausschaut oder nicht, das hat man nicht ganz im Griff.

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