Vorfreude. Anspannung. Auch Frust. Das sind die Emotionen, die Paris einige Stunden vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024 prägen.
Ganz anders präsentiert sich die Stadt derzeit, als die Klischees es sonst erzählen. Kein Wunder: Für den klassischen Touristen wäre es der denkbar ungünstigste Moment, mal vorbeizukommen. Und eine stattliche Zahl der Einheimischen hat sich verkrümelt, im guten Wissen, was da auf sie zukommt.
Paris hat sich selbst ganz auf links gedreht. Am Flughafen Charles de Gaulle ist davon aber vorerst erstaunlich wenig zu merken, mit Ausnahme einiger vereinzelter Volunteers.
Die fangen einen schnell ein, fragender Blick im Gesicht vorausgesetzt. Erst da gibt es die Konfrontation mit dem ersten Stereotyp: Manch einer spricht tadelloses Englisch, andere - gar keins.
Das aber freundlich, mit Hand und Fuß gelingt die Verständigung schon irgendwie. Abseits der Olympia-Hotspots wohl die vorrangige Übung der nächsten zwei Wochen für all jene, die Französisch in der Schule ausließen.
Aus der Bahn, Olympia kommt
Für den Transport akkreditierter Personen wurde ein ganzes Shuttlebus-Netz zwischen den wichtigsten Destinationen auf die Beine gestellt. Schon die Fahrt vom Flughafen in die Stadt offenbart, dass hier alles auf Olympia ausgerichtet ist.
Eine ganze Fahrspur auf der A1, die vom Flughafen auch am Stade de France vorbei in die Stadt führt, ist für Olympia-Beteiligte reserviert: Während Shuttlebusse, offizielle Fahrzeuge und Taxis ungewöhnlich zügig ins Innere kommen, müht sich der restliche Verkehr noch mehr als sonst ab. Erschwernis Nummer eins für die Einheimischen.
Die Stadt selbst kann die Nervosität nicht leugnen. Polizeipräsenz an jeder Ecke, gleich in Gruppen und voll ausgerüstet. Die können noch so entspannt wirken, ist ihre bloße Anwesenheit in diesen Zahlen ein Statement.
Dennoch: Diese Entspanntheit vermittelt auch ein Sicherheitsgefühl in einer Situation, deren heikle Natur nie so ganz aus dem Kopf kommt.
Eiffelturm-Besuch ist gestrichen
Das ist auch gar nicht möglich, denn Olympia begleitet den Anwesenden auf jedem einzelnen Meter. Ob an der großen Sause beteiligt oder nicht. Erschwernis Nummer zwei.
Gitterzäune entlang fast jeder Straße in der Nähe der Seine, die das Überqueren beinahe unmöglich machen und deren Zweck oft nicht sofort einleuchtet, prägen den Fußweg über die Gehsteige.
An bestimmten Stellen ist überhaupt Endstation: Rund um die Sportstätten gibt es weitläufige No-Go-Areas für all jene, die kein Ticket oder Akkreditierung vorweisen können.
Und da viele dieser Venues in der Nähe neuralgischer Punkte liegen, bedeutet das unter anderem: Derzeit kein Durchkommen für den "Normalo" etwa zum Eiffelturm.
Oder, noch eklatanter: In den Tagen vor der Eröffnungsfeier zur Seine. Olympia-Akkreditierung oder Nachweis, ein Anrainer zu sein - sonst gibt es hier kein Vorbei. Eine solche Befähigung tragen aber mehr als genug jener Leute, die derzeit doch durch die Stadt ziehen.
Dass diese Sperren auch einige Metro-Stationen betreffen, kommt noch dazu. Für einen reibungslosen Weg durch Paris braucht es derzeit viel Planungsgeschick. Ohne die besagten Sprachkenntnisse auch nicht in jeder Situation deppensicher.
Immerhin: Auf digitaler Ebene lässt sich die Organisation nicht lumpen, stehen gleich zwei Apps nur zum Zweck der öffentlichen Fortbewegung zur Verfügung.
Mehr als genug Verlierer
Insgesamt aber kein Wunder, dass nicht bei allen Parisern das ungebrochene Olympia-Fieber ausbrechen will.
Während der Frust bei den Verlierern der Gegebenheiten nicht direkt zu vernehmen ist, gibt es organisierte Kritik, etwa durch die Organisation "Le Revers de la médaille" ("Die Kehrseite der Medaille").
Besonders die Gastronomie klagt über ausbleibende Sommergäste, die vom Olympia-Besuch nicht kompensiert werden. Eine Endabrechnung wird aber erst nach den kommenden Wochen möglich sein.
Paris sauberer als das Image
Es wird nicht alles schlecht sein, was die Olympischen Spiele in Paris hinterlassen. Unabhängig davon, ob die ausgesteckten Nachhaltigkeitsziele auch erreicht werden. Und ob manche Maßnahmen nicht doch eine zweifelhafte Natur anhaftet, etwa der "sozialen Säuberung", durch die ein Großteil der Obdachlosen temporär in Zeltlager untergebracht wurden, um das neue Bild nicht zu stören.
Paris ist eindeutig im Wandel, und die Olympischen Spiele sollen nur einen vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung darstellen. Freundlicher, sauberer, zugänglicher: Die anvisierte Entwicklungsrichtung ist zu merken, Teilerfolge sind erreicht.
Vielleicht wird die Rezeption des Mega-Events dadurch mittelfristig eine positivere sein. Bis dahin müssen die Einwohner ein Auskommen damit finden, dass die Spiele auch ohne manch Rücksicht auf ihre Verluste über die Bühne gehen.