1,4 Milliarden Euro wurden in Paris investiert, um das politische Prestigeprojekt im Rahmen der Olympischen Spiele 2024 zu ermöglichen: Die Freiwasser-Bewerbe in der Seine.
Seit 1923 ist der Öffentlichkeit das Baden im Fluss untersagt, zu schlecht ist die Wasserqualität. Kein Wunder, führt doch das Kanalisationssystem der Stadt zu großen Teilen direkt hinein.
Ein 50.000 Kubikmeter großes Becken 34 Meter unter der Oberfläche, das Wasser in Kläranlagen leitet, soll nun Abhilfe schaffen.
Davon soll auch die Öffentlichkeit profitieren, die ab 2025 wieder Zugang zur Seine bekommen soll.
Das Geringste für die Menge an Steuergeld, die aufgewendet wurde. Was für reichlich Gegenströme sorgte: Die Androhung der Protestaktion "Wir schei*** in die Seine", bei der dazu aufgerufen wurde, kollektiv genau das zu tun, war die kurioseste Blüte dessen.
Wasserqualität soll nun stimmen
Trotz aller Bemühungen bleibt ein großes Fragezeichen über der Durchführbarkeit. Knapp zwei Wochen vor Eröffnung der Spiele soll die Wasserqualität nun endlich so weit sein, die Grenzwerte für Fäkalbakterien die meiste Zeit nicht mehr zu überschreiten.
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Bedenken bleiben. Ebenso wie Unsicherheiten hinsichtlich des zu hohen Wasserstands und der Strömungsgeschwindigkeit, beides verursacht durch zu große Regenmassen der letzten Wochen.
Die Sportlerinnen und Sportler erwarten auf jeden Fall die wohl härtesten Freiwasser-Bewerbe, die möglich sind.
Es gibt einen Plan B
Neben den Triathletinnen und Triathleten betrifft die Problematik aus österreichischer Sicht auch zwei Schwimmer: Felix Auböck und Jan Hercog.
Während Auböck die zehn Kilometer nach Abschluss seiner Bahnbewerbe als eine Art "Bonusrennen" mitnimmt, ist Hercog Open-Water-Spezialist und mit der Problematik schon konfrontiert gewesen.
Der Grazer ist angesichts dessen, was ihn erwartet, hin- und hergerissen.
"Es ist nicht geil. Ich hoffe, dass die Veranstalter richtig entscheiden. Es ist sicher eine coole Sache, aber ich hoffe, dass die Gesundheit der Athleten vorgeht", so Hercog bei LAOLA1.
Einen Plan B gibt es nämlich: Die Verlegung der Bewerbe ins Ruder-Revier. Wo auch leichtere Wettkampfbedingungen herrschen würden. Eine Option, die wohl nur im absoluten Notfall in Betracht gezogen wird.
Zwischen Eindruck und Ekel
"Und wenn du in den Tagen danach den Magen und Darm durchreinigst, gehört das zum Sport dazu."
Erste Berührungen mit der Seine und ihrem Zustand hatte der 26-Jährige letztes Jahr beim geplanten Test-Event. Dazu kam es nicht: Es erfolgte die Absage – aufgrund der mangelhaften Wasserqualität.
"Das war auch die richtige Entscheidung. Die Triathleten waren kurz nach uns dran, die sind alle mit Magen-Darm heimgegangen", so Hercog.
Der auch sehr ambivalente Eindrücke sammelte, ohne ins Wasser gesprungen zu sein: "Man steht dort und bedenkt, dass seit 100 Jahren niemand in diesem Fluss geschwommen ist. Daneben der Eiffelturm. Das ist schon mächtig", bestätigt der OSV-Athlet.
Aber: "Wenn es dann die toten Fische antreibt, ist das weniger schön."
Olympia der falsche Startschuss
Letztes Jahr wurde den Schwimmern sogar zu einem medizinisch zweifelhaften Schritt geraten, um der Problematik zu begegnen: Der prophylaktischen Einnahme von Antibiotika.
"Das ist irre. Ich habe das Glück, dass meine Verlobte und eine gute Freundin Pharmazeutinnen sind. Die haben mir schwer davon abgeraten, weil ich mir nur Resistenzen anzüchten würde", schüttelt Hercog über diese Idee immer noch den Kopf.
Für den Protest der Pariser Bevölkerung hat er vollstes Verständnis: "Es ist gut, dass die Olympischen Spiele jetzt ein Bewusstsein schaffen. Aber sie sind der falsche Startschuss, das hätte viel früher erfolgen müssen."
Generell sei es tragisch, dass "im Jahr 2024 in einer Weltstadt wie Paris die Kanalisation der meisten Haushalte an die Seine angeschlossen ist."
Sollte die Bevölkerung nun wenigstens auf diese Art und Weise von einem Startschuss des Umdenkens profitieren, wäre das eine Errungenschaft.
Es wird zum allgemeinen Problem
Generell stehe der Open-Water-Sport vor langfristigen Herausforderungen: "Durch die Klima-Erwärmung und Umweltverschmutzung wird die Wasserqualität zum Riesenthema. Auch bei der Weltmeisterschaft in Japan 2023 war sie sehr kurz vor dem Rennen erst okay", erinnert sich Hercog zurück.
Als Freiwasserschwimmer gelte immer öfter: "Augen zu und durch. Und wenn du in den Tagen danach den Magen und Darm durchreinigst, gehört das zum Sport dazu."
Eine Hartgesottenheit, die er mit Triathlet Alois Knabl teilt: "Es ist mir eigentlich egal. Es sind Olympische Spiele, dann hast du danach eben ein bisschen Bauchweh. Ich habe schon Wettkämpfe in der Seine gehabt und hatte keine Beschwerden."
Und Auböck vertraut auf die Vernunft der Veranstalter: "Wenn es zu dreckig ist, werden wir woanders schwimmen. Es gibt ja den Plan B."
Bleibt zu hoffen, dass die Pariser Bevölkerung diesen Mut nicht mehr braucht, wenn ihre Seine ab 2025 zum öffentlichen Badegewässer werden soll.