Zwischen dem 27. Juli und dem 4. August richtet die Tennis-Welt, bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr, ihren Fokus auf die Anlage von Roland Garros im Zentrum von Paris.
Doch diesmal nicht wegen der üblich Ende Mai stattfindenden French Open, stattdessen steht sich die Tennis-Elite bei den Olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt gegenüber.
Erst 15 Männer konnten sich die Gold-Medaille im Einzelbewerb sichern. Bei der diesjährigen Ausgabe in Roland Garros sind 64 Athleten am Start, am Ende kann sich aber nur einer in den olympischen Geschichtsbüchern verewigen.
Nach der verletzungsbedingten Absage des Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner und Top-Ten-Spieler Holger Rune verdichtete sich der Favoritenkreis nur wenige Tage vor dem Turnier. Österreich ist mit dem angeschlagenen Sebastian Ofner ebenfalls im Einzelbewerb der Männer vertreten.
LAOLA1 fasst für euch die größten Sieganwärter zusammen und schätzt die Chancen auf die heißbegehrte Goldmedaille ein.
Carlos Alcaraz - der große Gejagte
Alles andere als ein Sieg des Spaniers wäre zumindest eine kleine Überraschung. Carlos Alcaraz geht mit gerade einmal 21 Jahren, bei seinen ersten olympischen Spielen, als großer Gold-Favorit ins Rennen.
Dabei liegt der bereits vierfache (!) Grand-Slam-Sieger "nur" auf Rang drei der ATP-Weltrangliste. Doch die letzten Auftritte des Spaniers waren zu dominant, um ihn nicht als den großen Gold-Favoriten zu nennen.
Doch danach sah es zum Auftakt in die neue Saison noch gar nicht aus. Alcaraz startete sehr durchwachsen in das Olympia-Jahr und hatte mit kleineren Verletzung zu kämpfen. In Indian Wells ließ der Youngster mit drei Siegen am Stück über Top-5-Spieler erstmals die Tennis-Fans in diesem Jahr staunen.
Knapp drei Monate später gewann der Rechtshänder am Court Philippe-Chatrier seinen ersten French-Open-Titel. Sowohl im Finale, als auch im Halbfinale bezwang Alcaraz Alexander Zverev und Jannik Sinner mit einer kämpferischen Leistung in fünf Sätzen. Zur Erinnerung: Das olympische Tennis-Turnier geht auf genau selber Anlage über die Bühne.
Als wäre dies noch nicht genug, kommt der 21-Jährige, der übrigens großer Fußball-Fan ist, mit einer noch breiteren Brust nach Paris. Vor knapp zwei Wochen gewann Alcaraz zum zweiten Mal in Folge, das prestigeträchtigste Tennis-Turnier der Welt, in Wimbledon. Novak Djokovic ließ er im Finale so ganz nebenbei nahezu keine Chance.
Diese bestechende Form gepaart mit einer, jetzt wieder, körperlichen Top-Verfassung und jeder Menge Spielwitz machen den Spanier zum absoluten Gold-Favoriten. Einzig die direkte Umstellung von Rasen auf Sand könnte ohne Vorbereitungsturnier möglicherweise in der ersten Runde zum Stolperstein werden.
So ganz nebenbei erfüllt sich der junge Superstar in Paris einen Kindheitstraum. Im Doppel geht Alcaraz mit seinem Idol Rafael Nadal auf Medaillenjagd für Spanien. "Für mein Land um eine Goldmedaille zu kämpfen, mit meinem Idol Rafael Nadal Doppel zu spielen, sind Dinge, die ich erst glauben werde, wenn ich sie erlebt habe", kann der sympathische Spanier sein Glück kaum fassen.
Novak Djokovic - Die letzte Chance
Novak Djokovic hat in seiner Karriere schon fast alles gewonnen. Eine Trophäe fehlt dem Serben noch in seiner Vitrine - Gold bei den Olympischen Spielen.
Insgesamt stand der "Djoker" schon drei Mal im Halbfinale, die Bronze-Medaille in Peking 2008 blieb bislang aber das höchste der Gefühle. In Paris soll ein letzter Angriff erfolgen.
Der 37-Jährige musste in dieser Saison aber bereits schmerzhaft feststellen, dass ihn die junge Generation rund um Sinner und Alcaraz eingeholt und wenn nicht sogar schon überholt hat. In der laufenden Saison stand der Serbe in nur einem Finale. Dieses verlor die Nummer zwei der Welt aber vor zwei Wochen deutlich gegen Carlos Alcaraz.
Der Kampfgeist des Altstars und die nach wie vor hochklassige Qualität machen Djokovic aber automatisch zum großen Medaillen-Favoriten. An seinen letzten Aufenthalt in Paris wird der Serbe aber nicht gerne zurückdenken.
Bei seinem Viertelfinal-Einzug zog sich der 24-fache Grand-Slam-Sieger eine Meniskus-Verletzung zu und musste sich anschließend am Knie operieren lassen. Nur knapp ein Monat später war beim Comeback in Wimbledon erst im Finale Endstation.
Dass das Turnier nur über "Best of Three"-Sätze ausgetragen wird, kommt dem Rechtshänder ebenfalls entgegen. Dennoch bleibt die Frage, ob das Knie des 24-fachen Grand-Slam-Siegers einen zweiten Lauf binnen einem Monat standhält.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Alexander Zverev - der Olympiasieger in Lauerstellung
Nach der Absage von Jannik Sinner zählt Alexander Zverev allemal zu den Top-Favoriten auf eine Medaille. Der Gewinn der Goldmedaille wäre unter aktuellen Umständen dennoch eine kleine Überraschung. Alcaraz und Djokovic sind vor dem Start der Olympischen Spiele knapp über den 27-Jährigen zu stellen.
Doch dabei ist Zverev der amtierende Olympiasieger im Einzelbewerb der Männer. Der Deutsche feierte vor drei Jahren in Tokio mit einem Finalsieg über Karen Khachanov den größten Triumph seiner Karriere.
Und auch heuer läuft es bei der Nummer vier der Welt beinahe nach Wunsch. Mit 43 Siegen hat Zverev die meisten Erfolge aller Spieler auf der ATP-Tour eingefahren. Für den großen Wurf, den ersten Grand-Slam-Sieg, hat es aber einmal mehr nicht gereicht.
Bei den French Open, wo der Deutsche 2022 gegen Rafael Nadal seine schwerste Verletzung erlitt, verlor Zverev trotz Satzführung gegen Carlos Alcaraz erneut ein Major-Finale. In Wimbledon dann der Schock für den 21-fachen Turniersieger. In der dritten Runde verletzt sich Zverev das rechte Knie und schied, beeinträchtigt davon, eine Runde später gegen Taylor Fritz aus.
Diese Verletzung ging nicht spurlos am 27-Jährigen vorbei. Bei seinem Heimturnier in Hamburg hat der amtierende Olympiasieger nach seinen eigenen Angaben überlegt, nicht anzutreten. Doch Zverev biss die Zähne zusammen und verpasste die Titelverteidigung nur hauchdünn im Tie-Break des dritten Satzes im Finale.
Die Generalprobe verlief für den Rechtshänder damit nach Wunsch. Auf der Pariser Anlage fühlt sich der Deutsche ebenfalls sehr wohl. Und Druck hat die Nummer vier der Welt nach seinem Triumph vor drei Jahren deutlich weniger, als die zwei oben genannten Kontrahenten.
The #Paris2024 tennis men's singles draw is here!
— Tennis TV (@TennisTV) July 25, 2024
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Rafael Nadal - Der King of Clay in seinem Wohnzimmer
Ein Turnier auf der Asche von Roland Garros ohne Rafael Nadal im Favoritenkreis? Beinahe unmöglich!
Aus diesem Grund findet sich der beste Sandplatz-Spieler aller Zeiten auch in dieser Liste wieder. Ein Olympia-Sieg des Spaniers wäre eine kleine Sensation. Verletzungen haben den 38-Jährigen im letzten Jahr zu weit nach hinten gereicht.
Eine Wildcard ermöglicht es dem Familienvater aber möglicherweise noch ein letztes Mal in seinem Wohnzimmer aufzuschlagen. 14 Mal konnte Nadal am Court Philippe-Chatrier die French Open gewinnen. Bei seinem möglicherweise letzten Antritt im Mai scheiterte die Tennis-Legende deutlich in drei Sätzen am späteren Finalisten Zverev in der ersten Runde.
Aufgrund anhaltender körperlicher Beschwerden spricht Nadal auch offen über ein baldiges Karriere-Ende. Die Olympischen Spiele könnten sein letztes Turnier auf der roten Asche sein.
Dass Nadal noch immer das gewisse Etwas in seinen Schlägen hat, unterstrich der große Real-Madrid-Fan erst letzte Woche im schwedischen Bastad.
Beim ATP-250 zog der 38-Jährige ins Finale ein und präsentierte sich mehrmals in guter Verfassung. Im Viertelfinale gewann Nadal gegen Mariano Navone nach über vier Stunden Spielzeit.
Und wer weiß, vielleicht tritt Nadal nochmal mit einem echten Highlight von der Tennis-Bühne ab. Zu diesem könnte es bereits in der 2. Runde gewinnen. Sollte der Spanier und sein langjähriger Konkurrent Novak Djokovic beide ihre Auftakthürde meistern, kommt es Anfang nächster Woche zum insgesamt 60. Karriere-Duell der beiden Altstars.
Die Sportstätten der Olympischen Spiele 2024 in Paris
Die Außenseiter im Überblick
Wenn das olympische Tennis-Turnier nach den Erwartungen verläuft, machen sich die vier oben genannten Spieler die drei Medaillen unter sich aus.
Doch "normal" gibt es im Sport (glücklicherweise) nicht. Jenes Turnier, wie die Olympischen Spiele, sind die perfekte Bühne für Überraschungen und Helden-Geschichten. Folgende Athleten dürfen sich ebenfalls durchaus Chancen auf eine Medaille ausrechnen.
Daniil Medvedev: Der Russe liegt auf Platz fünf der Weltrangliste, führte diese auch schon einmal an, und darf sich ebenfalls Grand-Slam-Sieger nennen. In Duellen mit der absoluten Weltspitze (Sinner, Djokovic und Alcaraz) hat Medvedev jedoch zu oft das Nachsehen.
Hinzu kommt, dass die rote Asche und Medvedev in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden. Der 28-Jährige betonte in seiner Karriere oftmals, dass er sich auf Sandplätzen mit Abstand am unwohlsten fühle. Auch wenn sich diese Beziehung im letzten Jahr gebessert hat, spielt der Austragungsort dem Russen nicht wirklich in die Karten.
Stefanos Tsitsipas: Die aktuelle Formkurve spricht nicht gerade für den 25-Jährigen, dies liegt aber auch an der zuletzt stattfindenden Rasen-Saison. In Halle und Wimbledon schied der Grieche beide Male in der zweiten Runde aus.
Die Rückkehr auf Sand könnte Tsitsipas zugutekommen. Der 25-Jährige, der mit einer wuchtigen Vorhand und einer sehenswerten Einhändigen-Rückhand ausgestattet ist, konnte auf der roten Asche bereits zwei Masters gewinnen. Bei den zuletzt ausgetragenen French Open war im Viertelfinale gegen den späteren Sieger Alcaraz Endstation. Die Nummer acht der Setzliste ist an manchen Tagen für eine Überraschung gut.
Casper Ruud: Der Norweger könnte zu einer der Überraschungen bei diesem Turnier werden. Der Sandplatzspezialist fühlt sich auch sichtlich wohl in Roland Garros. Ruud erreichte in seiner Karriere bislang zwei Mal das Endspiel bei den French Open. Für den ersten Grand-Slam-Sieg hat es aber noch nicht gereicht.
Am Ende sind Prognosen nur ein einfaches Gedankenspiel. Die Antwort fällt zwischen dem 27. Juli und dem 4. August in Roland Garros am Tennisplatz. Sechs Siege trennen alle 64 Teilnehmer von einem Eintrag in die Geschichtsbücher.