Tadej Pogacar hat seinen ersten Giro d'Italia dominiert wie kaum jemand zuvor.
Der 25-jährige Slowene feierte fast einen Start-Ziel-Sieg, übernahm er doch ab der zweiten Etappe das Rosa Trikot und gab es danach nie wieder her. Am Samstag holte er sich die letzte Bergetappe und damit den sechsten Tagessieg. Ein Kunststück, das vor ihm bei einem Giro nicht einmal Rad-Legende Eddy Merckx gelungen war.
"Vielleicht war der Sieg heute nicht nötig gewesen, aber ich wollte ihn für mich und mein Team", sagte Pogacar vor der Schlussetappe am Sonntag. Die gewann Tim Merlier im Massensprint vor dem Kolosseum vor dem Italiener Jonathan Milan. Der Belgier feierte damit seinen dritten Etappensieg, nur Pogacar holte heuer mit sechs Tagessiegen mehr.
Pogacar mit einem historischen Vorsprung
Wenn der 25-Jährige in diesen drei Wochen des Giro etwas wollte, dann nahm er es sich einfach. Sagenhafte 9:56 Minuten trennten Pogacar vom zweitplatzierten Bora-Kapitän Daniel Martinez. Seit 1965 hat es keinen größeren Vorsprung gegeben, in der Nachkriegszeit ohnehin erst drei.
Dabei ist mit dem Sieg bei der Italien-Rundfahrt für Pogacar, der Primoz Roglic als nun zweiter slowenischer Sieger in der Geschichte des ersten Grand-Tour-Rennens des Jahres folgte, nur die Hälfte der Arbeit erledigt.
Vor knapp einem halben Jahr hatte das Wunderkind des Radsports verlauten lassen, er wolle versuchen, den Giro und die Tour zu gewinnen. Zuletzt war das Italiens Ikone Marco Pantani 1998 gelungen, in der heutigen Zeit wird solch eine Aufgabe eigentlich als unlösbar angesehen.
Verwalten? Nicht mit Pogacar
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Dass Pogacar den Giro wohl gewinnen wird, wenn er ohne Sturz und Krankheit bleibt, war schon vor dem Start in Turin klar. Schließlich konzentrierte sich der Rest der weltbesten Rundfahrer auf die Tour de France.
Und so war allgemein erwartet worden, dass Pogacar in den Verwaltungsmodus gehen würde, sobald er einen beruhigenden Polster auf den Zweitplatzierten herausgefahren hatte. Ein massiver Irrglaube.
Der übertalentierte Alleskönner aus Komenda gewann einfach, wie es ihm gefiel. "Ein Sieg ist ein Sieg, auch wenn es nur mit einer Sekunde ist. In diesem Giro geschah es eben einfach so", sagte Pogacar. Am Ende habe er das Rennen einfach mit hoher Moral und guten Beinen beenden wollen. "Es sollte ein guter Test für den Sommer werden. Das ist mir gelungen, deshalb bin ich glücklich."
Trainerwechsel als Schlüssel zu "außergewöhnlichen" Leistungen
Die Chancen auf das Double sind nach der italienischen Demonstration sogar noch gestiegen. Nicht allein wegen der Verfassung, in der sich Pogacar befindet. Dass die härtesten Konkurrenten Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Roglic Anfang April geschlossen stürzten, spielt ihm zusätzlich ins Blatt.
Evenepoel und Roglic starten kommende Woche bei der Dauphiné, der klassischen Tour-Generalprobe. Ob der zweimalige Tour-Sieger Vingegaard überhaupt dabei ist, ist völlig offen.
Nach so einer langen Verletzungspause ist es ohnehin fraglich, ob der Däne Pogacar gewachsen wäre. Dieser scheint noch einmal einen Entwicklungssprung gemacht zu haben, was angesichts seiner Qualitäten eigentlich unmöglich schien.
Im Frühjahr gewann er das schwere Schotterrennen Strade Bianche mit einem 81 Kilometer langen Solo, nun folgte der überlegene Triumph beim Giro.
"Es ist irrsinnig, wie talentiert er ist"
Ein Trainerwechsel im Winter soll der Auslöser zur nächsten Leistungsstufe gewesen sein. Nach fünf Jahren trennte sich Pogacar von Iñigo San Millán und wechselte zu dessen spanischen Landsmann Javier Sola. Dieser hat in seinem Profil auf der Plattform X "Human performance" stehen. "Menschliche Leistung".
Der Konkurrenz dürfte sie eher außerirdisch vorkommen. Oder wie Geraint Thomas, mit seinen 38 Jahren beachtlicher Dritter des Giro, kommentierte: "Er ist der Beste, mit dem ich je gefahren bin. Es ist irrsinnig, wie talentiert er ist. Was die physische Begabung angeht, ist er einzigartig."