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Wird der Radsport zu gefährlich? "Stehen vor Revolution"

Häufigere Zwischenfälle mit Todesfolge stellen diese Frage. Aktive glauben an ein Einlenken bei der Materialentwicklung. Auch Organisatoren müssen nachdenken.

Wird der Radsport zu gefährlich? Foto: © GEPA

Der Radsport steht nach dem Tod von André Drege bei der Tour of Austria vor wenigen Tagen unter Schock. Ein weiteres Mal.

In den vergangenen Jahren häuften sich tödliche Unfälle im Training wie im Wettkampf.

Allein in Österreich war der Unfall des Norwegers der zweite dieser Art binnen eines Jahres, nachdem am 22. Juli 2023 der italienische Nachwuchsfahrer Jacopo Venzo bei der Oberösterreich-Rundfahrt ebenfalls auf einer Abfahrt stürzte. 

Erst einen Monat zuvor wurde die Tour de Suisse 2023 vom tödlichen Sturz von Gino Mäder überschattet, auch dem Schweizer wurde eine Abfahrt zum Verhängnis.

Höher, schneller, gefährlicher

Eine negative Mitentwicklung des immer schneller werdenden Radsports? Tim Wafler und Maximilian Schmidbauer verorten Mitgründe.

Das Duo nimmt für Österreich bei den Olympischen Spielen auf der Bahn teil, ist aber genauso auf der Straße beheimatet. Schmidbauer war zuletzt bei der Oberösterreich-Rundfahrt am Start, Wafler nahm an der Tour of Austria teil, stieg aber zwei Tage vor Dreges Unfall aus.

"Der Radsport wird immer schneller, das Material immer besser und die Sache dadurch immer gefährlicher. Und wenn es einen hohen Bergpass rauf geht, geht es halt meistens auch wieder runter", meint Schmidbauer gegenüber LAOLA1 - sichtlich bewegt von den Geschehnissen wenige Tage zuvor. 

Einlenken notwendig

An eine erhöhte Risikobereitschaft der Fahrer glaubt Wafler indes nicht - dieser Aspekt sei schon immer Bestandteil des Sports gewesen.

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Der Radsport stoße aber in immer höhere Geschwindigkeitssphären vor, woran auch die materielle Entwicklung ihren Anteil habe. Je schneller, desto gefährlicher - eine einfache Rechnung.

Der 22-jährige Kitzbüheler spricht in diesem Bereich von einem baldigen Einlenken: "Da stehen wir relativ kurz vor einer Revolution. Einfach, weil die Sache so irgendwann nicht mehr vermarktbar ist. Niemand will diese Nachrichten haben. Aber wie schnell das passiert, das weiß ich nicht."

Auch Organisatoren gefragt

Ideen zur Entschärfung gebe es. Etwa eine Mindestzeit bei Bergab-Passagen: "Und wenn man schneller ist, werden die Sekunden abgezogen", berichtet Schmidbauer von einer Idee.

Tim Wafler
Foto: © GEPA

Er appelliert an eine Zusammenarbeit zwischen dem Weltverband UCI und der Fahrervereinigung. Auch die Veranstalter großer Rundfahrten nimmt der ebenfalls 22-jährige Wiener mit in die Pflicht.

Bei einem Materialdefekt - wie er bei Dreges Unfall derzeit als mögliche Ursache betrachtet wird - seien die kurzfristigen Lösungsansätze schwer zu finden.

Aber: "Wenn die Überlegung ist, eine Zielankunft am Fuße eines Bergs anzusetzen, damit wir für die Zuschauer im Fernsehen noch eine richtig geile Abfahrt haben, dann ist die Verantwortung auch bei den Organisatoren zu suchen. Denn da ist die Versuchung, in der Abfahrt noch einmal Risiken zu nehmen, noch einmal höher", so Schmidbauer.

Selbst bei der Tour de France habe es auf der vierten Etappe eine Zielankunft gleich nach einer Abfahrt am Col du Galibier gegeben: "Und da weiß ich nicht, ob das nötig ist."

Risikomanagement immer gefragt

In Dreges Unglücksfall geht das Duo aber nicht von einem Problem bei der Streckenführung aus. Wafler berichtet als Teilnehmer gar vom "mit Abstand am besten organisierten Straßenrennen, das ich je gefahren bin. Es war extrem gut abgesichert, nichts wurde dem Zufall überlassen und trotzdem kann sowas passieren."

Auch der Massensturz auf der zweiten Etappe sei am Ende des Tages dem Pech und dem Restrisiko des Radsports zuzuschreiben: "Da ist ein Veranstalter einfach machtlos."

Für Wafler gelte das Motto: "Lieber fünf Prozent schlechter, dafür 100 Prozent sicherer. Ich gehe allen gefährlichen Situationen aus dem Weg. Aber manchmal bist du in einem Feld von 100 Leuten, alle sind nervös, und wenn einer liegt, liegen gleich mehrere. Es gelingt einem auch nicht immer, dem aus dem Weg zu gehen."

Am Ende des Tages wird das Risiko im Radsport immer mitfahren: "Es ist eben ein gefährlicher Sport. Und es ist schwierig, den sicherer zu machen - das ist definitiv ein Fakt."

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