Felix Gall hat sich am Sonntag vor dem Start der Schlussetappe einmal mehr überrascht über seine außergewöhnlichen Erfolge bei der Tour de France geäußert.
Außerdem sprach der Sieger der Königsetappe und Gesamtachte über die Qualen während der drei Wochen in Frankreich, seine Zukunftspläne und die entstandene Euphorie um seine Person in der Heimat.
Wie lautet das Resümee nach den hervorragenden Leistungen bei Ihrer ersten Tour der France?
Felix Gall: "Dass ich das alles erreiche, das hätte ich nie und nimmer geglaubt. Das ist dermaßen weit über den Erwartungen, ich werde noch länger brauchen, um das zu realisieren. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Zukunft. Die Schlüsse daraus müssen wir in Ruhe besprechen, das wird ein längerer Prozess werden."
Was sind Ihre konkreten Zukunftsaussichten?
Gall: "Man muss viele und lange Gespräche führen mit der Teamführung, wo die Reise wirklich hingeht. Aber die Tour hat uns jetzt schon die Augen geöffnet. Es war schon was ganz Spezielles, die absolute Champions League des Radsports. Jedes Jahr wird das nicht so laufen wie heuer, es war perfekt. Aber es ist Potenzial da, ich bin von Woche zu Woche stärker geworden. Ich kann mir schon vorstellen, dass das ein Projekt für die Zukunft wird."
Beschreiben Sie die Situation, als am Samstag nur noch Sie mit Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar mitgehalten haben?
Gall: "Das war schon so ein Moment, der mir die Augen geöffnet hat, was möglich ist. Ich dachte, wow, ich bin der einzige, der mitfahren kann, zumindest ansatzweise."
Was spricht dagegen, dass Sie künftig möglicherweise sogar um den Gesamtsieg mitfahren können?
Gall: "Das ist schon noch einmal ein nächstes Level. Ich bin überwältigt von dem, was ich jetzt erreicht habe, aber man hat ein gewisses Potenzial gesehen. Die dritte Woche war die vielversprechendste und hat gezeigt, dass noch einiges mehr möglich ist. Wie viel, das ist schwierig zu beantworten. Es hätte aber auch viel daneben gehen können. Es waren super drei Wochen. Die schlechten Tage, die ich hatte, waren nicht ausschlaggebend. Die guten Tage hatte ich, als es entscheidend war. Es ist schon sehr gut gelaufen."
Ist der Respekt der Konkurrenz Ihnen gegenüber größer geworden?
Gall: "Ja, absolut. Es hat mit der Tour der Suisse und dem ersten Sieg angefangen. Aber weil die Tour de France so viel besser war, ich jeden Tag, wenn es gezählt hat, mit den besten Bergfahrern dabei war - natürlich hat man da einen anderen Respekt im Fahrerfeld, da ist das Leben im Positionskampf schon leichter."
Waren es wirklich die drei oft zitierten Wochen der Leiden und Qualen?
Gall: "Es ist tatsächlich die Tour der Qualen, das trifft es sehr gut. Man hat oft das Gefühl, man gehört da gar nicht her, dass die anderen so viel stärker sind. Man glaubt, man selbst leidet am meisten, aber jeder andere leidet genauso. Aber man versucht, das nicht zu zeigen. Es ist auch emotional ein Auf und Ab. Als es geheißen hat, das Gesamtklassement ist das Ziel, das hat mich schon sehr gestresst. Man hinterfragt es aber eigentlich nicht mehr, sondern fährt nur noch. Man kann sich selber überraschen, wenn die Leistung dann so viel besser ist, als man es gedacht hat."
Wie sehen Sie ihren Werdegang vom Juniorenweltmeister 2015 bis jetzt?
Gall: "Damals war ich 17, jetzt bin ich 25. Ich bin als Persönlichkeit herangereift. Ich weiß, wie man mit Leuten und gewissen Situationen umgeht. Jetzt bin ich sicher da, wo ich es mir es immer vorgestellt habe und wofür ich die ganzen Jahre gearbeitet habe. Aber jeder hat seinen eigenen Weg, es geht nie gerade aus, immer ein bisschen auf und ab. Vielleicht wäre es in einem anderen Team schneller gegangen, aber alles hat seinen Grund."
Können Sie einschätzen, welchen Hype Ihre Erfolge in Österreich ausgelöst haben?
Gall: "Man bekommt hier gar nicht so mit, was daheim passiert. Während des Rennens will ich mich gar nicht groß damit befassen. Ich muss schauen, dass ich die Energie für das Rennen aufbringe. Ich versuche, die Nebengeräusche eher ein bisschen auszublenden."
Was bringen die nächsten Wochen für Sie?
Gall: "Ich komme am Montag heim und werde versuchen, zu entspannen. Am Mittwoch fahre ich das Kriterium in Wels. Den großen Empfang in Osttirol müssen wir auf übernächste Woche verschieben. Ich muss die Spannung für das Rennen am Samstag in San Sebastian noch aufrechterhalten, dass ich mich noch nicht ganz fallen lassen kann. Danach habe ich sechs, sieben Wochen rennfreie Zeit. Da kann ich dann tun, was ich will."