Der Slowene Tadej Pogacar startet am Samstag in Florenz als Topfavorit in die Tour de France.
Der 25-Jährige hat eine überragende Saison hingelegt und verfügt mit seiner UAE-Mannschaft auch über das stärkste Team. Zudem treten nicht alle seiner Hauptkonkurrenten in Galaform an. Gut möglich, dass Pogacar deshalb bereits beim anspruchsvollen Auftakt in Italien und der ersten Bergetappe in Frankreich früh für klare Verhältnisse sorgen will.
"Die Tour wird in drei oder vier Tagen vorbei sein. Pogacar wird gleich alles durcheinanderwirbeln und Vingegaard ausschalten. An seiner Stelle würde ich das tun, um sicherzustellen, dass Vingegaard nicht wieder in Bestform kommen kann", sagte Groupama-Teamchef Marc Madiot zur L'Equipe. Der angesprochene Titelverteidiger Jonas Vingegaard musste im Frühjahr eine mehrwöchige Zwangspause wegen Sturzverletzungen verdauen. Hinzu kommt die seit April fehlende Rennhärte.
Außerdem hat der 2022 und im Vorjahr jeweils vor Pogacar siegreiche Däne in seiner verletzungsgeplagten Visma-Mannschaft diesmal nicht die bestmöglichen Helfer zur Verfügung. Mit Sepp Kuss (Corona) kam auch noch ein herber Last-Minute-Ausfall dazu. Sollte Vingegaard nicht konkurrenzfähig sein, könnte Matteo Jorgenson (USA) als Kapitän einspringen.
Wird Pogacar erster "Double-Sieger" seit 1998?
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Pogacar scheint nach seinem dominanten Triumph bei der Italien-Rundfahrt im Mai perfekt gerüstet, musste in der unmittelbaren Vorbereitung aber einen gesundheitlichen Rückschlag wegstecken.
"Ich bin vor zehn Tagen krank geworden. Ich hatte Covid, das war ein kleines Fragezeichen, aber ich habe mich gut erholt und bin wieder voll einsatzfähig", berichtete der Slowene am Donnerstag. Das Double aus Giro und Tour schaffte zuletzt 1998 in der EPO-Hochphase der Italiener Marco Pantani. "Wir sind als Team in einer wirklich guten Position und wir können es kaum erwarten, loszulegen und hoffen, um den Sieg zu kämpfen und eine gute Show abzuliefern", sagte Pogacar.
Sein Hauptrivale wird wohl Landsmann Primoz Roglic sein. Der Routinier gewann nach einer Verletzung im April Anfang Juni für sein mittlerweile als Red Bull-Bora-Hansgrohe auftretendes Team das Dauphine-Criterium, die Tour verlief für ihn zuletzt aber immer sehr unglücklich.
Vor vier Jahren war er am nahe am Sieg dran, wurde von Pogacar im letzten Bergzeitfahren aber regelrecht abgewatscht und noch abgefangen. 2021 und 2022 musste er nach Stürzen mit Verletzungen aufgeben. Im Vorjahr war für ihn kein Platz im Team Jumbo neben Kapitän Vingegaard.
Diesmal geht Roglic aber als alleiniger Leader ins Rennen. Mit Alexander Wlasow und Jai Hindley verfügt er über starke Edelhelfer in den Bergen. Marco Haller soll Roglic im flachen Gelände bestmöglich abschirmen. "In der Breite sind wenige Teams so gut aufgestellt wie wir", betonte RB-Sportchef Rolf Aldag. An Pogacars Emirates-Mannen Adam Yates, Juan Ayuso und João Almeida reicht seine Truppe aber nicht heran.
Evenepoel und Rodriguez in Lauerstellung
Auch der im Frühling ebenfalls verletzte und zuletzt kränkelnde Remco Evenepoel will bei seiner Tour-Premiere ganz vorne mithalten. Der Belgier hat bisher im Hochgebirge aber immer wieder Schwächen offenbart. Zumindest auf das Podium möchte auch Carlos Rodriguez, der junge Spanier verfügt im Ineos-Team mit den ehemaligen Tour-Siegern Geraint Thomas und Egan Bernal über sehr gute Co-Kapitäne.
Sollte er von Stürzen und Krankheiten verschont bleiben, wird am 21. Juli in Nizza nach 3.500 km aber wohl Pogacar im Gelben Trikot über seinen dritten Sieg nach 2020 und 2021 jubeln dürfen. Die Tour endet bei ihrer 111. Auflage aufgrund der darauffolgenden Olympischen Spiele ausnahmsweise nicht in Paris, auch der Start in Italien ist eine Premiere.
Höhepunkte der "Großen Schleife" sind neben mehreren Bergetappen mit dem Col du Galibier (4. Etappe) oder der Cime de la Bonette (19./2.798 m) ein Zeitfahren in den Weinbergen des Burgund (7.) und die von allen gefürchteten Schotterpassagen rund um Troyes (9.).
Auch die letzten Tage in den Seealpen gestalten sich allesamt sehr anspruchsvoll. Und das finale Bergzeitfahren nach Nizza verspricht Spektakel bis zum Schluss. Für ein solches werden auf einzelnen Etappen sicher auch wieder Mathieu van der Poel (Alpecin), sein Erzrivale Wout van Aert (Visma) und die Sprinter um Mads Pedersen (Lidl) sorgen.