Fünf österreichische Radprofis nehmen am Samstag in Nizza die Tour de France in Angriff. In der größten rot-weiß-roten Abordnung seit vielen Jahren sind die Bora-Fahrer Gregor Mühlberger, Felix Großschartner und Lukas Pöstlberger wie Marco Haller (Bahrain-McLaren) als Helfer der Podestanwärter Emanuel Buchmann bzw. Mikel Landa vorgesehen. Michael Gogl darf bei NTT auch eigenen Chancen nachjagen.
Die 107. Auflage der "Großen Schleife" geht in der Coronavirus-Pandemie zwar zwei Monate später als geplant, aber trotzdem mit Zuschauern in Szene. Das Radfest, das beim "Großen Start" an den ersten drei Tagen in normalen Jahren bereits hunderttausende Fans anlockt, wird diesmal schaumgebremst durch Frankreich rollen.
Tourchef: "Tragt Masken!"
"Diese Tour wird ein Symbol der Wiedergeburt und des wirtschaftlichen Aufschwungs sein", meinte Tourchef Christian Prudhomme pathetisch. Seine Mahnung an die Fans an der Strecke ist aber eindringlich. "Tragt Masken! Für die Zuschauer muss klar sein: Ich liebe das Rad, ich liebe die Tour, und der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass ich eine Maske tragen muss."
In Nizza, das aktuell als einer der Pandemie-Hotspots in Frankreich gilt, ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch im Freien ohnehin Pflicht. In Start-Ziel-Bereichen wird die Zuschauerzahl limitiert und in den Bergen soll die Zufahrt zu den Pässen nur beschränkt möglich sein. Die Fahrer und ihre Betreuer - pro Team rund 25 Personen - sollen die drei Wochen in einer eigenen "Blase" verbringen. Bei zwei positiven Corona-Fällen im Team - auch wenn ein Chauffeur oder Masseur betroffen ist - ist die Tour für dieses zu Ende.
Gogl nimmt mit 26 Jahren seine fünfte große Landesrundfahrt und zum dritten Mal die Tour in Angriff. Seine Topform hatte er bei Strade Bianche trotz Defekten als Neunter unter Beweis gestellt, der dabei aufgetretene Hitzschlag wirkte bei den folgenden Rennen nach. Vor dem Tour-Start fühlt sich der Oberösterreicher aber bestens. Ohne einen Anwärter auf das Gesamtklassement wollen die NTT-Fahrer das Rennen beleben. "Wir werden auf Etappenjagd gehen", kündigte Gogl gegenüber der APA an. "Und ich werde auch Freiheiten bekommen." Beim Debüt bei der Vuelta 2016 war er aus einer Ausreißergruppe Etappen-Vierter geworden.
Die Tour ist gerade im aktuellen Krisenjahr für die Teams enorm wichtig - das bedeutendste Rennen des Jahres ist die größte Bühne für die Sponsoren. Gogl, der dreifache Etappensieger Edvald Boasson Hagen (NOR) und Co. sollen das Team mit ihren Leistungen für einen neuen Großsponsor interessant machen. Besonders wirkungsvoll wäre das Gelbe Trikot. Daher würden sie am ersten Tag alle für Italiens Meister Giacomo Nizzolo fahren, sagte Gogl. Danach will er von Tag zu Tag schauen, was kommt. "Ich werde mich auf hügelige Etappen konzentrieren", meinte der Wolfsegger und hat große Hoffnungen: "An den großen Coup glaubt man immer, dafür steht man in der Früh auf."
Keine Zeit zum Einrollen
Haller bestreitet die "Tour de Leiden" schon zum fünften Mal, nach acht Jahren bei Katjuscha aber in einem neuen Team. Bei Bahrain wird alles einer Top-Gesamtplatzierung des Spaniers Landa untergeordnet. "Er ist so stark drauf, dass ich mich richtig darauf freue, erstmals einen Klassementfahrer zu unterstützen", erklärte der Kärntner.
Landa war 2017 als Helfer von Sieger Chris Froome bei Sky Gesamt-Vierter und im Vorjahr Sechster sowie Giro-Vierter. Haller soll vor dem Hochgebirge so etwas wie der Bodyguard Landas sein. Das sei schwierig genug, auch wenn sich die Leistung nicht im persönlichen Ergebnis ausdrücke, sagte der 29-Jährige. "Ich kann mich selbst nicht exponieren und auf keine Fluchtgruppe hoffen."
Bei Mühlberger, dem Etappen-Dritten des Vorjahres, stand die Teilnahme wegen des Bruchs eines kleinen Handwurzelknochens bis zuletzt infrage. "Ich muss eine Schiene tragen und mit den Schmerzen umgehen. Ich bin aktuell nicht so stark wie im Vorjahr", gab der Niederösterreicher zu. Dabei war er mit Gesamtsieg und zwei Etappenerfolgen in der Sibiu-Tour nach der Zwangspause stark gestartet. "Aber zwei Stürze in den vergangenen zwei Wochen haben mich zurückgeworfen, ich hatte keine gute Vorbereitung", erklärte der 26-Jährige vor seiner dritten Tour in Serie gegenüber der APA.
Zeit, sich einzurollen, gibt es bei der Tour nicht. Erstmals wartet schon am zweiten Tag eine Bergetappe mit zwei mehr als 1.500 m hohen Pässen. "Die legen gleich voll los. Ich werde in der ersten Woche richtig kämpfen müssen", erklärte Mühlberger. Er soll in weiterer Folge wie Großschartner vor allem in den Bergen den Chef Buchmann unterstützen.
Der Deutsche laborierte aber selbst an Prellungen und Abschürfungen, sein Landsmann Maximilian Schachmann startet trotz eines kürzlich erlittenen Schlüsselbeinbruchs. Pöstlberger, der Auftaktsieger des Giro d'Italia 2017, ist auch zur Unterstützung des dreifachen Ex-Weltmeisters Peter Sagan vorgesehen. Der Slowake fährt um den achten Gewinn des Grünen Trikots des Punktebesten.