Es war ein Bild für die Ewigkeit: Arm in Arm rollten Sepp Kuss, Jonas Vingegaard und Primoz Roglic über den Zielstrich der Spanien-Rundfahrt in Madrid.
Der historische Triumph der Jumbo-Truppe war vor der Ehrenrunde nach Madrid bereits fix gewesen. Das Trio bildete in der Endabrechnung ein Podest unter Teamkollegen. "Es ist schwer, das in Worte zu fassen", sagte der neue Vuelta-Sieger Kuss.
Kuss: "Ich lebe meinen Traum"
Der australische Topsprinter Kaden Groves bescherte dem Alpecin-Team von Tobias Bayer, Österreichs Solo-Kämpfer bei der diesjährigen Spanien-Ausgabe, einen goldenen Abschluss. Groves fing im langen Schlusssprint Remco Evenepoel noch ab und holte seinen dritten Etappensieg bei dieser Rundfahrt. Der Oberösterreicher Bayer sah anders als 2021 das Ziel in der spanischen Hauptstadt und beendete seine dritte Grand Tours auf Platz 141.
Im Mittelpunkt standen freilich Kuss und seine Mannschaft Jumbo-Visma. "Ich bin sehr glücklich und es war großartig, wie wir das zu Ende gebracht haben", sagte der 29-jährige Kuss. "Ich bin oft in siegreichen Teams, aber das Führungstrikot zu tragen, ist unglaublich. Ich lebe meinen Traum." Im Ziel stemmte der US-Amerikaner sein eigens in der Trikotfarbe rot lackiertes Rad jubelnd in die Höhe.
Die wegen ihrer schwarz-gelben Trikots ehrfurchtsvoll Killerwespen genannte Star-Truppe gewann damit alle drei großen Landesrundfahrten in diesem Jahr. Das war zuvor keiner anderen Equipe gelungen. Roglic gewann im Mai den Giro d'Italia, Vingegaard im Juli die Tour de France - und in Spanien war nun Edelhelfer Kuss an der Reihe. Drei Fahrer eines Teams auf dem Podium der Vuelta hatte es zuvor nur 1966 durch den KAS-Rennstall gegeben.
Nahmhafte Konkurrenz schwächelte
Ein Grund für die Stärke Jumbos ist die Schwäche der Konkurrenz. Titelverteidiger Evenepoel trat ohne herausragende Edeldomestiken und selbst nicht in der Form des Vorjahres an. Und die kletterfesten Spanier wie Juan Ayuso, Enric Mas und Mikel Landa konnten die Sehnsüchte ihrer Landsleute erneut nicht erfüllen. "Wir hatten mehr Gegenwehr erwartet, aber am Ende hatten wir die drei stärksten Fahrer im Rennen", sagte Jumbo-Sportchef Grischa Niermann. Fünf Etappen gewannen seine Fahrer in den vergangenen drei Wochen bei 21 Etappen in Spanien.
Für den Sport ist die Dominanz Gift, denn sie kann zu Langeweile führen. Zudem bietet sie gerade im Radsport Nährboden für allerlei Verdächtigungen. Natürlich wurden die Jumbo-Profis danach gefragt. "Wir verstehen die Skepsis", sagt Vingegaard. "Die Leute sollten jedoch wissen, dass wir sehr viel opfern und sehr detailliert arbeiten. Wir machen in diesem Team alles perfekt und das macht einen großen Unterschied." Er sei sich "100 Prozent sicher, meine zwei Kollegen nehmen nichts und für mich gilt das auch".
Jumbo-Fahrer mit positiver Dopingprobe
Was Jumbo allerdings nicht wegdiskutieren kann, ist die positive Dopingprobe von Michel Heßmann. Der Deutsche wurde bei einer Trainingskontrolle am 14. Juni positiv auf ein Diuretikum getestet. Die Mittel regen die Harnproduktion an und sorgen so für die Entwässerung des Körpers. Von seinem Team wurde er im August nach Bekanntwerden bis auf weiteres suspendiert.
Die Staatsanwaltschaft durchsuchte seine Wohnung, wo keine Dopingmittel gefunden wurden. Die Ermittlungen laufen. Heßmann war in diesem Jahr beim Giro Helfer von Roglic.
Die Vuelta brachte in diesem Jahr noch ein weiteres Betrugsthema erneut auf den Tisch. Nachdem Kuss am Tourmalet mit atemberaubender Geschwindigkeit attackiert hatte, von einem Zuschauer ausgebremst wurde und den Angriff ohne zu zögern wiederholte, sprach Ex-Profi Jerome Pineau von Motordoping. "Sepp Kuss fuhr am Tourmalet zehn Kilometer pro Stunde schneller als die Gruppe davor", sagte der Franzose.