Wie im Vorjahr mit Sepp Kuss könnte es bei der Vuelta wieder auf einen unerwarteten Sieger hinauslaufen.
Nach neun Etappen führt Ben O'Connor das Klassement dank einer von den Topteams zugelassenen Soloflucht mit großem Vorsprung an. Am Wochenende verteidigte der Australier die klare Führung unter tatkräftiger Mithilfe von Felix Gall. Das Decathlon-Tandem muss aber noch zwölf Etappen überstehen, den Großteil im Gebirge. Und die vielleicht größte Crux wartet am Schlusstag.
Denn im finale Zeitfahren in Madrid ist O'Connor gegen Olympiasieger Primoz Roglic und Co. klar im Nachteil und wird Zeit verlieren. Davor sind ohnehin noch mehrere harte Kletterprüfungen zu bestehen, beginnend am Dienstag mit einer Bergetappe in Galicien.
O'Connor lobt Gall
An den überstandenen Hitze-Tagen in Andalusien hielt sich O'Connor fast vier Minuten vor Red-Bull-Star Roglic. "Ich hätte das Trikot nie erwartet. Ich genieße es einfach. Es liegt jetzt an anderen zu reagieren, nicht an mir. Die letzte Antwort werden wir in Madrid erhalten", sagte O'Connor am ersten Ruhetag im nicht mehr so heißen Nordspanien.
Über seinen Edelhelfer Gall verlor er nur lobende Worte. "Er ist sehr stark. Wir waren am Sonntag sehr gut gemeinsam. Mit einem Fahrer wie Felix kann man Bergankünfte sehr gut kontrollieren. Ich mag es sehr, mit ihm zu fahren, und wir haben uns immer gut verstanden. Cool, dass wir gemeinsam solche Erfolge haben."
Gall machte in den Bergen zuletzt den stärkeren Eindruck als sein Kapitän. Der Osttiroler blieb aber loyal an der Seite von O'Connor. Das wird wohl auch bis zum Ende so bleiben. "Die Ausgangsposition ist jetzt eine andere, wir haben das Rote Trikot mit einem großem Vorsprung, das hat jetzt oberste Priorität. Ich werde Ben unterstützen. Es ist eine klare Situation", sagte Gall.
Gall schließt Etappensieg nicht aus
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Einen möglichen Angriff auf einen eigenen Etappensieg schloss er trotzdem nicht ganz aus. "Die Ankünfte mit kürzeren Schlussanstiegen, die es noch gibt, liegen mir sehr gut. Wenn ich einen guten Tag habe und ich die Freiheit bekomme, bin ich überzeugt, dass ich um den Etappensieg mitfahren kann. Ich werde aber nicht in frühe Fluchtgruppe gehen, wie es ursprünglich geplant war. Das hat sich geändert", erläuterte der Tour-de-France-Etappensieger des Vorjahres.
Entscheiden über einen möglichen Vorstoß von Gall wird wohl die weitere Verfassung von O'Connor und nicht zuletzt die Sportliche Leitung am Funkgerät. Gall selbst liegt im Gesamtklassement als Achter auch noch sehr gut im Rennen.
"Es sind noch zwei Wochen, aber ich fühle mich gut und bin auch im Gesamtklassement in einer guten Position, aber Priorität ist jetzt das Rote Trikot von Ben", sagte Gall.
Sein Rückstand auf den zweitplatzierten Roglic beträgt nur rund eineinhalb Minuten. Außerdem sind mit Joao Almeida (Covid) und Antonio Tiberi (Hitzeschlag am Sonntag) zwei im Spitzenfeld gelegene Topfahrer bereits aus dem Rennen. Nicht weit hinter Gall lauern jedoch andere wie Mikel Landa und Titelverteidiger Kuss.
O'Connor auf Kuss' Spuren
Im Vorjahr war Kuss im damals dominanten Jumbo-Team mit Jonas Vingegaard und Roglic entgegen der ursprünglichen Strategie in die Führungsrolle geschlüpft. Nach öffentlich stets weggelächelten Differenzen durfte der US-Amerikaner unterstützt von den Topstars den Sieg vor seinen beiden Stallkollegen davontragen.
Dass das O'Connor ebenfalls gelingen kann, hofft auch Decathlon-Sportdirektor Cyrill Dessel.
"Mit dem Etappensieg von Ben und dem Roten Trikot haben wir schon mehr erreicht, als wir erwartet haben. Das Rennen ist noch lang. Wir werden versuchen, es zu kontrollieren und das Trikot so lange wie möglich zu behalten", sagte der Franzose.